Regina Fritsch im Interview
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„Ganz persönlich“

Fritsch: „Schauspielerin ist ein Brotberuf“

Die Schauspielerei sei nicht ihre Berufung, sagt die Kammerschauspielerin Regina Fritsch im Interview. Warum sie gern einen Bauernhof hätte und wieso sie von den Lockdowns nicht genug kriegen kann.

Regina Fritsch wurde 1964 in Hollabrunn geboren, besuchte die Schauspielschule Krauss in Wien und wurde bereits mit 20 Jahren Ensemblemitglied am Burgtheater, dem sie bis heute angehört. Die Kammerschauspielerin ist Trägerin des Alma-Seidler-Ringes, dem weiblichen Gegenstück zum Iffland-Ring. Sie erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem auch den Nestroy-Preis. Zuletzt wurde sie mit dem Albin-Skoda-Ring ausgezeichnet. Fritsch hat zwei Töchter und lebt in Wien und Niederösterreich.

Im Interview mit Eva Steinkellner-Klein schildert die Schauspielerin, warum sie trotz erfolgreicher Karriere immer wieder an ihrer Berufswahl zweifelt, warum sie Lockdowns genießen kann, was ihr Traumjob wäre und wieso sie ihr 20-Quadratmeter-Haus in Niederösterreich so liebt.

noe.orf.at: Sie sind die erste Frau, die den Albin-Skoda-Ring erhalten hat. 50 Jahre gibt es diese Auszeichnung schon. Ist es nicht ein bisschen spät, dass erst jetzt eine Frau dieses Ehrenzeichen erhält?

Regina Fritsch: Tja, ich sehe das nicht so eng. Es gibt den Iffland-Ring nur für Männer, dann hat man ein Pendant dazu erfunden, den Alma-Seidler-Ring. Man hätte also auch ein Pendant zum Albin-Skoda-Ring erfinden können. Aber es ist schön, dass es jetzt einmal in die andere Richtung aufbricht. Es sollte geschlechterunabhängig sein.

noe.orf.at: Sehen Sie sich ein bisschen als Katalysator, als Vorreiterin für Frauen im Theaterbetrieb?

Fritsch: Ja, ganz sicher. Die Grenzen brechen auf. Das ist ja nicht zu leugnen, Gott sei Dank.

noe.orf.at: Gibt es noch ein Ungleichgewicht in der Branche?

Fritsch: Ich glaube, finanziell gibt’s da schon noch einen Unterschied, dass Schauspielerinnen weniger gut bezahlt werden als die Männer. Ich glaube, dass es da noch große Unterschiede gibt.

noe.orf.at: Haben sie das in ihrer Karriere auch erlebt?

Fritsch: Ja. Ich war ja ein Jahr unter Achim Benning tätig und da war das so geregelt. Da gab es die Debatte noch gar nicht. Unter Klaus Peymann, der dann kam, wurden die Anfängergagen angeglichen. Das fand ich ganz toll von ihm. Damals habe ich mich aber für solche Themen nicht so interessiert.

noe.orf.at: Wie so vieles in den letzten Monaten wurde auch die Verleihung des Albin-Skoda-Rings coronabedingt abgesagt. Wie ist es Ihnen seit Beginn der Krise ergangen? Wie schlimm waren die vielen Absagen für Sie?

Fritsch: Ich muss ganz ehrlich sagen, es war für mich das größte Glück. Es war so eine Zäsur für mich, weil ich so auf mich zurückgeworfen war. Es war auf einmal so viel Zeit da. Es gibt ja so vieles in meinem Leben, das mich auch noch interessiert, sei es Bücher lesen oder einfach mal die Seele baumeln lassen.

noe.orf.at: Das sagen ja sehr viele über den ersten Lockdown, aber alle folgenden waren für Sie auch so?

Fritsch: Ich kann nicht genug kriegen von dieser Entschleunigung. Ich habe auf einmal Zeit. Ich kann frühstücken, ohne dass ich es am Weg essen muss. Also das sind schon Qualitäten, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, aber zu denen ich wieder zurückgekommen bin. Ich habe mich besonnen, dass es noch etwas anderes geben muss als das Hamsterrad.

noe.orf.at: Haben Sie die Schauspielerei nicht vermisst?

Fritsch: Nein, überhaupt nicht. Ich identifiziere mich jetzt nicht so zu 100 Prozent mit diesem Beruf. Das überzeugendste an diesem Beruf war und ist, dass ich davon leben kann. Es ist für mich ein Brotberuf. Also diese Romantik, dass sei eine Berufung, das habe ich in dem Sinn nicht.

Regina Fritsch im Interview mit Eva Steinkellner-Klein
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Schauspielerei ist ein „Hochleistungssport“ sagt Regina Fritsch im Interview mit Eva Steinkellner-Klein

noe.orf.at: Wenn man sich Ihre Karriere von außen ansieht, hat man schon das Gefühl, dass sie sehr erfolgreich und reibungslos verlief.

Fritsch: Also reibungslos kann man wirklich nicht sagen. Mein Leben wird jetzt erst ruhiger. Krisen über Krisen gab es in meinem Schauspielerleben. Es hat sich alles so ergeben. Es ist einfach passiert und ich habe mich nicht gewehrt und ich habe damit mein Leben verdient.

Obwohl das immer in meinem Kopf war. Ich kann mich erinnern, ich hatte ein Gespräch mit dem Schauspieler Karlheinz Hackl, der hat gesagt: „du bist so blöd“, weil ich gesagt habe, ich möchte Tischlerei machen. Überhaupt ist das Handwerkliche ein großes Bedürfnis für mich. Nur das Geistige ist nicht gut für mich. Er hat es überhaupt nicht verstanden, wie man an meinem Werdegang immer wieder so zweifeln kann, aber das ist mir bis heute geblieben.

noe.orf.at: Was wäre denn Ihr Traumjob?

Fritsch: Es wird natürlich immer unwirklicher, je älter ich werde, ich bin ja nicht dumm und weiß, körperlich kann ich das nicht mehr leisten, aber einen Bauernhof zu haben, Bäuerin zu sein, das ist eigentlich mein grünes Herz. Das hätte ich gerne gemacht.

„Ich hätte mir was anderes für sie gewünscht“

noe.orf.at: Ihre Tochter Alina ist ja auch Schauspielerin. Wie war das für Sie?

Fritsch: Das war damals ein großer Zwist zwischen uns. Wir verstehen uns eigentlich wahnsinnig gut und können sehr gut miteinander arbeiten, was wir auch schon gemacht haben. Sie wollte schon mit 17 Jahren bei einem Casting mitmachen, für irgendeine Serie. Das habe ich ihr verboten. Da war es ganz schlimm zwischen uns zu Hause. Ich konnte es aber nicht aufhalten. Aber ich hätte mir was anderes für sie gewünscht. Dieser Beruf ist nicht leicht, man muss mit so vielen Umwegen, so viel Kritik umgehen. Es ist ein Hochleistungssport.

noe.orf.at: Sie haben in vielen großen Filmen mitgespielt, auch in großen Theaterproduktionen. Sind Sie zufrieden, wenn Sie sich im Fernsehen sehen?

Fritsch: Nein, nie. Das Glück am Älterwerden ist, dass man lernt, sich anzunehmen und es hört diese Konkurrenz mit sich selbst auf. Das habe ich fast schlagartig gespürt, so mit 52 Jahren. Plötzlich habe ich mich mit mir versöhnt und habe mir gedacht: Ja gut, so schaue ich eben aus, so bin ich eben. Ich war eigentlich immer enttäuscht von mir. Ganz, ganz selten, dass ich einmal zufrieden war.

noe.orf.at: Sie sind den Festspielen in Reichenau immer verbunden gewesen. Sie waren auch im Gespräch für die neue Leitung, letztlich ist es Maria Happel geworden. Aber ist das für Sie überhaupt eine interessante Vorstellung, eine Intendanz?

Fritsch: Grundsätzlich würde ich sagen nein. Aber bei Reichenau wäre es eine Ausnahme gewesen. Da war so viel Herzblut dabei, das war so verwoben mit mir, auch diese Gegend. Deshalb habe ich mir auch ein Häuschen dort gekauft, weil ich mit der Gegend so verwachsen bin. Aber ich bin überhaupt nicht traurig, dass es nicht stattgefunden hat.

noe.orf.at: Sie haben in der Nähe von Reichenau ein „tiny house“, also ein ganz kleines Haus mit 20 Quadratmetern und da ist alles drinnen, von Wohnzimmer, Dusche, WC bis hin zur Küche. Was reizt Sie so an diesem Konzept? Man muss ja doch vieles wegschmeißen, weil einfach kein Platz ist.

Fritsch: Das ist eine logistische Herausforderung, es muss alles an seinem Platz sein. Aber es ist auch sehr heilsam, weil etwas, was nicht wirklich notwendig ist, fliegt raus, sofort. Man wird so auf sich selbst zurückgeworfen. Sonst ist man immer so beschäftigt mit putzen oder Ähnlichem. So bleibt man selbst im Zentrum und es dreht sich nicht alles um die Dinge. Wir haben einfach viel zu viel, dass wir in eine Zukunft kommen können. Wenn wir so weitermachen, halte ich das für ausgeschlossen. Also die Reduktion, der Verzicht wird uns noch alle beschäftigen.

noe.orf.at: Aber Sie haben auch noch eine Wohnung in Wien.

Fritsch: Ja, aber auch da habe ich mich schon verkleinert. Ich bin von 80 auf 50 Quadratmeter zurückgegangen. Mein Quadratmeter-Werdegang ist ja auch unglaublich: von der großen Villa meiner Eltern mit 900 Quadratmetern auf 200, dann auf 80 und jetzt auf 50 Quadratmeter. Und jetzt fühlt es sich richtig an.