Mitglieder der 14. Waffen-SS-Division „Galizien“ beim Fahneneid, undatiert
dpa/Yorkshire Television/PA/epa/Michael Melnyk
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Kultur

„Endphase“: Auf der Suche nach der Schuld

Der Film „Endphase“, der ab Montag im Kino ist, zeigt eines der größten Massaker aus der Endphase des Zweiten Weltkrieges. Am 2. Mai 1945 wurden 228 ungarische Jüdinnen und Juden in Hofamt Priel (Bezirk Melk) von der SS ermordet.

Alles beginnt am Friedhof – konkret dem jüdischen Friedhof in St. Pölten, auf dem Zev Vilmos Klein 2015 nach dem Erinnerungsstein für seine ermordete Familie sucht. Und es endet mit einem kollektiven Gedenken in Hofamt Priel.

Der Filmemacher Hans Hochstöger, der aus der Gemeinde stammt, näherte sich gemeinsam mit seinem Bruder Tobias, einem Politikwissenschafter, diesem Verbrechen, das wie so viele andere nach 1945 totgeschwiegen wurde. „Es ist darüber gar nicht viel geredet worden“, sagt eine Zeitzeugin im Interview etwas überrascht.

Auch wurden die Täter nie belangt respektive ihre Identitäten bis heute unter der Decke gehalten. Die Tatorte wurden ebenso wie das Grab nach der Umbettung der sterblichen Überreste 1964 mit Häusern überbaut. Erst 1993 wurde ein einzelner, im Ort wenig geliebter Erinnerungsstein in dem 1.600 Einwohner zählenden Dorf gesetzt.

Wer war am 2. Mai 1945 dabei? Wer schweigt, wer redet?

In jahrelanger Recherchearbeit näherten sich die beiden Brüder Hochstöger nun einer Version von Wahrheit aus den verschiedenen Wahrheiten, die ihre Interviewpartner erzählen. Sie treffen die untätigen Beobachter, aber auch Menschen, deren Familien den Überlebenden geholfen haben. Sie machen die wenigen noch lebenden jüdischen Zeitzeugen in Israel und Ungarn ausfindig. Und sie enthüllen Namen von Einheimischen, die in der Mordnacht mutmaßlich der SS-Einheit geholfen haben.

All das ist ein persönlicher, mit Handkamera und kargen Mitteln gedrehter Film geworden, der ebenso das individuelle Porträt eines Dorfes ist, wie einer noch nicht ganz vergangenen Epoche. Insofern ist „Endphase“ im doppelten Wortsinne zu verstehen und bezeichnet nicht nur die Endphase des Krieges Anfang Mai 1945, sondern auch eine Periode, die nun zu Ende geht: Diejenige, in der noch Oral-History-Projekte wie dieses mit echten Zeitzeugen realisiert werden können.

Jakob Schwartz überlebte 1945 das Massaker von Hofamt Priel, hier ist er 2015 mit seiner Ehefrau vor dem Mahnmal
ORF
Jakob Schwartz (r.) war elf Jahre alt, als er das Massaker von Hofamt Priel überlebte. Im Jahr 2015 waren er und seine Ehefrau bei der Enthüllung des Grabsteins in Gedenken an alle Ermordeten.

Ein Grabstein mit 228 Namen

Das Massaker von Hofamt Priel ereignete sich in der Nacht vom 2. auf den 3. Mai 1945. 228 jüdische Zwangsarbeiter – Männer, Frauen und Kinder – wurden von Männern einer SS-Einheit durch Schüsse aus Maschinenpistolen ermordet. Nur neun Menschen überlebten, zum Teil schwer verwundet. Unter ihnen war der damals elfjährige Jakob Schwartz. Er hatte sich unter einer Decke versteckt, die mit Stroh bedeckt war. Seine Mutter und seine beiden Schwestern starben im Kugelhagel der SS.

Die Leichen der Opfer wurden von den SS-Männern angezündet und wenige Tage später auf einem Acker in Hofamt Priel begraben. 1964 wurden die sterblichen Überreste exhumiert und auf dem Jüdischen Friedhof in St. Pölten bestattet. Das Verbrechen wurde nie aufgeklärt.

70 Jahre nach ihrem gewaltsamen Tod erhielten die Ermordeten einen von Renate Stockreiter gestalteten Grabstein, auf dem alle ihre Namen festgehalten sind. Die Errichtung des Steins war vom Institut für jüdische Geschichte Österreichs, das seinen Sitz in der ehemaligen Synagoge in St. Pölten hat, initiiert worden.