Laborratte
APA/HANS KLAUS TECHT
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Wissenschaft

Forscher am IST simulierten Rattengehirn

Damit unser Gehirn nicht in der Flut an Daten untergeht, vergleicht es einströmende Information mit bekannten Mustern. Klosterneuburger Forscher haben nun mit einem Computermodell eines Teils des Gehirns von Ratten neue Einsichten dazu gewonnen.

Erkennt das Gehirn etwa eine schwarze Hauskatze, hemmen Nervenzellen aktiv ähnliche Muster wie etwa jenes des Panthers. Dieses Verhalten hat ein Forscherteam am Institute of Science and Technologie (IST) Austria in Klosterneuburg im Rahmen einer Simulation nachgewiesen.

Das Team um Peter Jonas hat in den vergangenen Jahren in zahlreichen Publikationen neue Details über die Mechanismen hinter der Übertragung von Informationen zwischen Neuronen über ihre Schnittstellen, die Synapsen, geliefert. Dabei stieß man auch auf einen Prozess, bei dem Zellen im Gyrus dentatus – einer Gehirnregion im auch an der Mustertrennung beteiligten Hippocampus – nach ihrer Aktivierung andere Zellen in einem Umkreis von nur 300 Mikrometern hemmten. Man habe sich damals gefragt, welche Funktion ein solch kleinräumiges Unterdrücken von Aktivierung haben könnte, so Jonas in einer Aussendung des IST Austria zu der Arbeit im Fachjournal „Nature Computational Science“.

Nachahmen, „was im Gehirn passiert“

Alle Informationen über die Abläufe im Gyrus dentatus hat das Team nun in eine aufwendige Computersimulation dieser Struktur bei Ratten gepackt. Man wollte nachahmen, „was im Gehirn passiert“. Um die Daten zu den synaptischen Verbindungen aus früheren Messungen sinnvoll einzubauen, „haben wir ein Netzwerk in seiner vollen Größe mit 500.000 Körnerzellen implementiert“, erklärte der Wissenschafter: „Mit diesem Modell können wir nicht einfach nur die Biologie kopieren, sondern systematisch Parameter verändern und Faktoren entflechten. So können wir die Berechnungen im Gehirn verstehen und wie biologische Faktoren die Berechnungen unterstützen oder einschränken.“

IST Austria Institute of Science and Technology Klosterneuburg Maria Gugging
ORF/Puchinger
Am IST Austria widmen sich Teams unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen der Grundlagenforschung

Eine Idee zum Ablauf der Mustererkennung ist, dass ein bestimmtes Muster, wie die schwarze Hauskatze, von wenigen Neuronen quasi erkannt wird. Diese würden dann wiederum immer mehr Nervenzellen in übergeordneten Verarbeitungseinheiten aktivieren – die Forscher sprechen von Ausdehnung. Dadurch wird das richtig erkannte Muster im Gehirn sozusagen immer größer. Ein solcher Vorgang sei zwar für das Kleinhirn denkbar, im Hippocampus geben die Körnerzellen ihre Signale jedoch nur an eine geringe Anzahl anderer Neuronen in der nächsten Schicht weiter.

„Coole Lösung“ der Evolution

Letztlich entpuppte sich hier jener Mechanismus, bei dem die Zellen ihre direkten Nachbarn hemmten, als wichtig, um sehr ähnliche Muster zu unterdrücken. Um beim Bild mit den für Menschen sehr unterschiedlich gefährlichen Katzen zu bleiben, wird beim Anblick der ungefährlichen schwarzen Hauskatze das entsprechende Muster aktiviert. Gleichzeitig unterdrücken diese spezialisierten Neuronen jene, die darauf trainiert sind, den deutlich größeren und gefährlicheren, vom Erscheinungsbild aber recht ähnlichen Panther zu erkennen. So setzt sich also die kleinere Katze im Gehirn verlässlich gegen den großen Panther durch. Jonas: „Das ist eine coole Lösung, aber nicht sehr intuitiv, und wir konnten das nur mithilfe des Modells herausfinden.“

Das Modell deute darauf hin, „dass die Hemmung – aktive Neurone hindern andere Neurone am Feuern – eine wichtige Rolle spielt.“ Denn als die Forscher den Hemmungs-Mechanismus in ihrer Simulation ausschalteten, konnten die verschiedenen Muster nicht mehr verlässlich unterschieden werden. „Diese Modellierungsdaten ändern die historische Sichtweise von der Ausdehnung hin zu einem Mechanismus, der auf Hemmung beruht.“

Maschinelles Lernen als Anwendungsgebiet

Der Ansatz der Wissenschafter könnte auch auf das aktuell sehr aktive Forschungsfeld des maschinellen Lernens Auswirkungen haben. Immerhin gebe man neue Einblicke darin, wie auf Basis von Synapsen, Neuronen und neuronalen Netzwerken höhere kognitive Prozesse zustande kommen können, schreiben sie in der Arbeit. Das Computersystem sei ein guter Mustertrenner, könnte aber auch andere höhere Aufgaben bewältigen. Jedenfalls zeige sich hier, wie ein kleiner Unterschied im Stimulus zu einem großen Unterschied im Verhalten werden kann.