Frau steht vor einem Fenster
Getty Images/EyeEm/John Encarnado
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Gesundheit

Suizidversuche bei Jugendlichen verdoppelt

Viele Jugendliche kämpfen aufgrund der Pandemie mit psychischen Problemen. In Kinder- und Jugendpsychiatrien werden deshalb deutlich mehr junge Menschen behandelt als vor der Pandemie. Besonders akute Fälle wie Suizidversuche haben sich verdoppelt.

Anlaufstellen in der Krise

Hier finden Sie Tipps, wie man mit den Herausforderungen in der Pandemie besser umgehen kann sowie eine Übersicht über verschiedene Hilfsangebote. Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums.

„Das Problem ist diese Isolation – dass man immer nur zu Hause ist, dass man in der Früh nicht aufstehen muss. Das nährt das so richtig, wenn es einem nicht gut geht. Das knabbert selbst an denen, die mental völlig gesund sind, ein bisschen“, sagt eine Jugendliche mit psychischen Problemen, die anonym bleiben möchte, gegenüber noe.ORF.at.

So wie diesem Mädchen geht es seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie vielen Jugendlichen. Monatelanges Distance Learning, keine Treffen mit Freunden – all das belastet junge Menschen so sehr, dass es immer wieder zu Depressionen, Essstörungen und Suizidgedanken kommt.

„Viele Jugendliche sind verzweifelt und depressiv“

Judith Noske, die Leiterin der Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Hinterbrühl (Bezirk Mödling), schildert die Dimensionen: „Das schaut so aus, dass sich praktisch alle Anfragen verdoppelt haben – sei es im ambulanten oder im akuten Bereich. Die Kinder und Jugendlichen, die zu uns kommen, sind verzweifelt, depressiv, und haben wenig Vertrauen in die Zukunft.“

Die jugendliche Patientin beschreibt ihren Gefühlszustand während der Pandemie und der Lockdowns im Gespräch mit noe.ORF.at so: „Ich habe mich in das nicht mehr Hinausgehen hineingesteigert. Irgendwann bin ich nicht mehr aus meinem Zimmer hinausgegangen und habe nicht mehr mit Menschen gesprochen. Manchmal habe ich mit meiner Mutter zwei Sätze pro Tag gesprochen, und das war schon ein guter Tag.“

Triage bei akuten Fällen

Wenn der psychische Zustand der jungen Patientinnen und Patienten lebensgefährlich wird, sollten sie stationär behandelt werden. Einen Platz in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Hinterbrühl kann man aber nur für die ganz akuten Fälle sicherstellen. Die Kapazitäten sind knapp, sagt die Leiterin: „Wir mussten mit einer zweiten Akutgruppe aufstocken – auf Kosten von anderen Stationen. Bei diesen akuten Fällen müssen wir triagieren, also wir müssen bei suizidalen Patienten genau schauen, wen wir aufnehmen können und bei wem das familiäre Umfeld ausreicht, um ambulant zu behandeln.“

Im Sommer 2021 spitzte sich der Zustand der Jugendlichen, die anonym bleiben möchte, derart zu, dass sie stationär in der Jugendpsychiatrie aufgenommen werden musste. „Da die große Sorge war, dass es während der Sommerferien, wo es ja wieder keine Struktur gibt, schlimmer werden könnte, bin ich dann den Sommer über geblieben. Am Anfang war ich nicht so begeistert, aber schlussendlich hat es mir geholfen, dass ich die Sommerferien gut überstanden habe“, so das Mädchen.

Folgen der Pandemie wohl noch jahrelang spürbar

Für einen regulären Therapieplatz im ambulanten Bereich heißt es oft monatelang „bitte warten". Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht. Noske rechnet jedenfalls damit, dass die Folgen der CoV-Pandemie die Ärzte und Therapeuten im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie noch jahrelang beschäftigen werden. So weit in die Zukunft will die Jugendliche, die mit noe.ORF.at über ihre Probleme sprach, gar nicht erst blicken, „denn sonst könnten wieder Ängste auftauchen und die Frage ‚was wäre wenn?‘ Das ist sehr gefährlich, denn da kann man sich dann wieder hineinsteigern, deshalb versuche ich, mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.“