Erstaufnahmestelle Ost in Traiskirchen
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Politik

Menschenrechtskommissarin: Kritik an Asyl

Die europäische Menschenrechtskommissarin Dunja Mijatovic hat nach einem Besuch im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen die Asylsituation in Österreich kritisiert. Besonders bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sieht sie Aufholbedarf.

Mit deutlichen Worten kritisierte Menschenrechtskommissarin Mijatovic die Bedingungen im Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen (Bezirk Baden). „Das Zentrum stößt an seine Grenzen“, so Mijatovic in einer Aussendung.

Viele, die für eine Verlegung in andere Aufnahmeeinrichtungen infrage kommen, blieben zu lange in Traiskirchen. Das Erstaufnahmezentrum sei nur für Kurzaufenthalte konzipiert, es verfüge über keine ausreichenden oder angemessenen Bildungs- und Freizeitaktivitäten, so die Menschenrechtskommissarin.

„Zu lange“ Asylverfahren

Besonders problematisch sei das für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Unter 14-Jährige werden in Traiskirchen während der Dauer ihres Zulassungsverfahrens betreut. Dabei wird unter anderem das Alter festgestellt.

Vorgesehen ist, dass die Kinder nach wenigen Wochen in Betreuungsanstalten der Länder übersiedeln. „Faktisch dauern die Verfahren aber häufig bis zu mehreren Monaten“, sagt Lisa Wolfsegger von der NGO Asylkoordination Österreich. Derzeit sind laut Angaben der Asylkoordination etwa 400 unbegleitete Minderjährige in Traiskirchen untergebracht.

Dunja Mijatovic
©Council of Europe

Fehlende Vormundschaft

Die Menschenrechtskommissarin kritisierte, dass die unter 14-Jährigen während ihrer Zeit in Traiskirchen keine ausreichende Obsorge erhielten. Derzeit würden sie von bezahlten, selbst asylsuchenden Müttern betreut, die ebenfalls im Zentrum wohnen und manchmal nicht einmal dieselbe Sprache sprächen, berichtete Mijatovic: „Ich fordere die Behörden auf, für diese jungen Kinder von Beginn des Asylverfahrens an vollwertige Vormünder zu benennen.“

Das für das Erstaufnahmezentrum zuständige Innenministerium betont, dass die Kinder vom ersten Tag an eine Bezugsperson zur Seite gestellt bekämen. Die Betreuung durch andere Familien, die Remunerateneltern, sei ein „Ausnahmefall“ und diene der bestmöglichen Unterstützung der Kinder im Alltag. Den Vorwurf mangelnder Bildungs- und Freizeitaktivitäten in Traiskirchen weist das Innenministerium zurück. „In Traiskirchen wird ein Bildungsangebot für schulpflichtige Kinder und Jugendliche direkt innerhalb der Einrichtung durch qualifiziertes Fachpersonal angeboten“, betont das Ministerium in einer Aussendung. Eine adäquate Versorgung von minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlingen sei sichergestellt.

Mijatovic nimmt Bundesländer in die Pflicht

Die Menschenrechtskommissarin übte auch Kritik an den Ländern. Sie forderte diese auf, ihren gesetzlich vorgeschriebenen Anteil zur Übernahme von Asylwerbern einzuhalten und so die Erstaufnahmestelle Traiskirchen zu entlasten. Zuletzt hatte Niederösterreichs Integrationslandesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) für Niederösterreich eine Obergrenze von 3.000 Asylwerbern pro Jahr verkündet. Laut Länderschlüssel wäre Niederösterreich gesetzlich verpflichtet, mehr als das Doppelte dieser Zahl aufzunehmen.

Waldhäusl wies die Kritik der Menschenrechtskommissarin zurück und rechtfertigte die Obergrenze als „Damm im Sinne unserer Landsleute“. In Niederösterreich dürften sich die Zustände von 2015 und 2016 mit 15.000 versorgten Asylwerbern nicht wiederholen, so Waldhäusl: „Unser Bundesland verträgt keine noch höheren Belastungen.“

Mijatovic: „Gute sanitäre Bedingungen“

Die Menschenrechtskommissarin führte in Traiskirchen Gespräche mit Bewohnerinnen und Bewohnern, mit Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) sowie mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesagentur für Betreuung- und Unterstützungsleistungen (BBU). „Ich begrüße die von der Agentur geleistete Arbeit, um alle Ankommenden unter guten sanitären Bedingungen unterzubringen“, lobte Mijatovic die BBU.

Mijatovic besuchte Österreich von 13. bis 17. Dezember. Neben Bundespräsident Alexander Van der Bellen führte sie Gespräche mit österreichischen Ministerinnen und Ministern, NGOs und Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft.