Bunte Weihnachtspackerl in einer Kiste
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Chronik

Ein Packerl für die Vergessenen im Gefängnis

Um auch den Häftlingen der Justizanstalt Stein zu Weihnachten eine kleine Freude zu bereiten, packen die Frauen der Katholischen Frauenbewegung jedes Jahr Geschenke. Bei der Verteilung kommt es mitunter zu berührenden Begegnungen in den Zellen.

„Wenn die Häftlinge weinen, ist das etwas Besonderes. Das geht tief ins Herz. Viele fragen: Ist das wirklich für mich? Viele glauben gar nicht, dass ich ihnen Geschenke überreiche.“ Pater Leszek Urbanowicz ist selbst offensichtlich bewegt, während er erzählt. Seit über 25 Jahren ist er Anstaltsseelsorger in der Justizanstalt Krems-Stein, wo ausschließlich männliche Häftlinge eine oft lebenslange Haftstrafe abbüßen. „Das sind schon schwere Burschen“, sagt Urbanowicz, „Viele wurden nie beschenkt. Es ist schön für sie, sie freuen sich und sind oft sprachlos.“

Kurz vor Weihnachten holt Pater Urbanowicz die Packerl im Büro der Katholischen Frauenbewegung der Diözese St. Pölten ab. Er leiht sich dafür einen roten Lieferwagen der Justizanstalt aus, der nach wenigen Minuten bis oben hin randvoll mit bunten Packerln ist. Für die Auslieferung nimmt er sich sehr viel Zeit.

Pater Leszek Urbanowicz ist Anstaltsseelsorger in der Justizanstalt Krems-Stein
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Pater Leszek Urbanowicz sagt, er hatte noch nie Angst, alleine in eine Gefängniszelle zu gehen. Er spricht lange mit den Häftlingen und die meisten sind dankbar, dass sie ein Geschenk bekommen.

„Sie sind unglaublich dankbar“

Jede einzelne Zelle betritt er persönlich. Hinter ihm werden die Türen verschlossen. „Sie umarmen mich, manche halten mich ganz fest, viele schauen ohne Worte ihre Packerl an, manche laden mich auf einen Kaffee ein. Einige erzählen mir von den Weihnachtsfesten, die sie früher mit ihren Familien erlebt haben. Sie sind dankbar, unglaublich dankbar“, so der Anstaltsseelsorger. Angst hatte er noch nie, sagt er.

Egal welche Konfession – jeder Häftling bekommt ein Packerl und ein Gespräch mit dem Seelsorger. Im Geschenk müssen immer dieselben Dinge sein, erzählt die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung der Diözese St. Pölten, Anna Rosenberger: „Das wird in den Justizanstalten auch stichprobenartig kontrolliert. Und zwar eine Tafel Schokolade, Kekse oder Waffeln, fünf Packungen Löskaffee – die sind ganz wichtig, weil sie auch als Tauschmittel in der Justizanstalt gern gesehen sind – und eine kleine Grußkarte mit ein paar Worten, aber nur mit dem Vornamen versehen.“

Frauen der Katholischen Frauenbewegung packen Geschenke ein
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Die Frauen der Katholischen Frauenbewegung der Diözese St. Pölten packen liebevoll unzählige Geschenke ein

„Ich wünsche dir, dass du ein guter Mensch wirst“

Auf diesen Grußkarten steht nicht nur „Frohe Weihnachten“. Die Frauen schreiben auch persönliche Grüße darauf: Wünsche, kleine Belehrungen. Das sind vermeintlich kleine Worte, die für viele Häftlinge eine sehr große Bedeutung haben, so Pater Urbanowicz: „Es steht zum Beispiel drauf: ‚Ich wünsche dir, dass du ein guter Mensch wirst.‘ Das kommt sehr gut an bei den Häftlingen, es ist sehr liebevoll.“ Der Anstaltsseelsorger erzählt von einem Insassen, der seit über 20 Jahren seine Strafe in Krems-Stein absitzt und alle 20 Grußbotschaften der vergangenen Jahre in Herzform an seine Wand geklebt hat.

Auch die Frauen sind sichtlich bewegt, wenn sie daran denken, für wen sie die Packerl herrichten, erzählt Anna Rosenberger: „Man fragt sich schon: Was ist in deren Leben passiert und wie kann etwas wieder heil werden? Und wenn das kleine Päckchen dazu beitragen kann, dann ist das etwas ganz Großes.“

Innenansicht der Justizanstalt Stein
APA/HANS KLAUS TECHT
Wegen der Pandemie dürfen die Häftlinge noch weniger Besuch als üblich empfangen. Obwohl sie schwere Verbrechen begangen haben, sollen sie nicht vergessen werden, so der Anspruch der Katholischen Frauenbewegung.

Packerl für Menschen am Rande der Gesellschaft

Auf die Frage, ob es nicht ein zwiespältiges Gefühl hervorruft, Schwerverbrecher zu beschenken, sagt Pater Urbanowicz: „Ich bin Seelsorger und wir versuchen das zu leben, was Jesus gesagt hat. Man muss verzeihen können. Ich kenne die Lebensgeschichten dieser Häftlinge und fast alle waren Opfer von Gewalt in ihren Familien“, so der gebürtige Pole. Laut seinen Angaben finden viele Menschen im Gefängnis zum Glauben: „Während der Haft beginnen viele, die Bibel zu lesen. Viele Schwerverbrecher haben keinen Zweifel, dass sie bei Jesus ankommen. Wir lieben das Evangelium, wo Jesus am Kreuz hängt, links und rechts zwei Gauner und zu einem sagt Jesus: ‚Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein.‘ Das ist unser Lieblingstext.“

Seit über 40 Jahren gibt es die Aktion – heuer kamen sage und schreibe 3.700 Packerl zusammen. Und weil es inzwischen so viele sind, werden sie auch in der Emmaus Wohngemeinschaft, einer Notschlafstelle, in psychiatrischen Kliniken und in Frauenhäusern verteilt. Eine kleine Freude für jene Menschen, die wohl in diesen Tagen besonders einsam sind.