Was ihn angehe, werde es „Zurufe von außen“ auch weiterhin nicht geben, sagte der Landeshauptmann a.D. im Gespräch mit Ernst Weiss von der Austria Presse Agentur. Mahnende Worte hatte der ehemalige ÖVP-Spitzenpolitiker aber dennoch parat: „Mit dem Frieden spielt man nicht.“
Er glaube, so Pröll, „dass wir in eine Situation hineingeraten bzw. Gefahr laufen hineinzugeraten, die doch zur Sorge Anlass gibt“. In der Beobachtung des derzeitigen innenpolitischen Szenarios sehe er eine „unglaubliche Polarisierungsphase, geprägt durch verhärtete Standpunkte und Unversöhnlichkeit“.
Zukunft brauche „Zu-Taten“, sagte der frühere Landeshauptmann und führte in diesem Zusammenhang „zuhören, aufeinander zugehen und einander zuwenden“ an. Es sei wichtig, dass man sich das eine oder andere Mal überwinde, damit eine „verhärtete, konfliktträchtige, gefährdende Situation“ zu einer versöhnlichen werde. Das sei „die Aufgabe der Politik generell – und in der heutigen Zeit eine besondere Aufgabe“.
Auch weiterhin keine „gescheiten Zurufe von außen“
Er habe sich beim Abschied im Frühjahr 2017 „geschworen“, sich „in die aktive Tagespolitik nicht mehr einzumengen und auch nicht zu Wort zu melden“, sagte Pröll. Er habe das „bis zum heutigen Tag so praktiziert und werde das weiter praktizieren“.
Als politischer Mensch verfolge er selbstverständlich die Bundes- wie die Landespolitik, mache sich seine Gedanken, das eine oder andere Mal auch Sorgen oder schüttle den Kopf. Aber es gehöre dazu, dass man „nicht mehr den Gescheiten aus der zweiten Reihe abgibt, der meint alles besser zu wissen“. Diejenigen, die Verantwortung tragen, hätten Herausforderung genug und bräuchten nicht auch noch „gescheite Zurufe von außen“.

Die Qualitäten des neuen Bundeskanzlers Karl Nehammer wisse er ebenso einzuschätzen wie jene von Neo-Innenminister Gerhard Karner, weil beide in der ÖVP-Landespartei gearbeitet hätten, erinnerte Pröll. Es stimme ihn optimistisch, weil sie Politik- und Lebenserfahrung angesammelt hätten. „Das gehört zum politischen Talent dazu, um tatsächlich ein gemeinsames Ganzes für einen zukunftsträchtigen Erfolg abgeben zu können“.
Was die Koalition im Bund angeht, sieht Pröll „keinen Grund, so mir nix dir nix diese politische Konstellation über Bord zu werfen“. Er brauche niemandem einen Tipp zu geben, denke aber, dass die Innenpolitik „Stabilität, Kalkulierbarkeit und Ruhe braucht, um tatsächlich das gut bewältigen zu können, was vor der Republik an Aufgaben liegt“.
Politik sei „auch eine Frage des Abwägens“
Ohne auf konkrete Projekte einzugehen, merkte der Alt-Landeshauptmann an, dass Umweltpolitik genau jene Ausgewogenheit aufweisen müsse, „die einen Fortschritt in der Gesellschaft bedeutet, ohne der Umwelt und den Lebensbedingungen am Weg in die Zukunft zu schaden“. Das sei auch eine Frage des Abwägens.
Pröll: „Etwas zu verhindern ist die eine Seite, wenn man aber durch die Behinderung mehr Schaden anrichtet als man gut macht, dann ist es schwierig.“ Und da sei die „Ausgewogenheit und Ausgeglichenheit der entscheidenden Umweltpolitikerinnen und Umweltpolitiker gefragt“. Um Balance zu halten und ausspielen zu können, müsse man sich auch „in der Balance als Mensch“ befinden.
Kulturarbeit fordere „zum Denken“ heraus
Als Aufsichtsratsvorsitzender der Kultur.Region.Niederösterreich betonte Pröll, dass er vor allem die regionale Kulturpolitik für ganz wichtig halte, die „einen wesentlichen Beitrag dazu liefert, die Hemmschwelle gegenüber Kultur und Kulturschaffenden entsprechend abzubauen“. Er sei zudem überzeugt, dass Kulturarbeit zum Denken und innovativen Handeln herausfordere. Und eine Region voller Innovationskraft habe wiederum die Chance, „im internationalen Konzert die Nase vorne zu haben“.

Für die Kultur.Region sieht Pröll zwei wesentliche Aufgaben. Einerseits gelte es mit dem Engagement der Ehrenamtlichen die Kulturarbeit vor Ort voranzutreiben, andererseits auch in Zeiten der Pandemie klarzumachen, dass gerade jetzt mit Blick in die Zukunft aktive Kulturarbeit durch „kulturelles Deficitspending“ notwendig sei.
Im Blick zurück sei er „dankbar dafür, was ich politisch tun konnte“, betonte Pröll. Der intensive Kontakt mit der Bevölkerung habe sich bezahlt gemacht. Die Landsleute hätten „sehr vertrauensvoll mit uns gearbeitet“, wodurch auch das Landesbewusstsein entsprechend gewachsen sei. Die Zeit seit dem Abschied aus der Politik sei „relativ flott“ vergangen. Er habe „schöne fünf Jahre“ sehr intensiv mit seiner Ehefrau verbracht und vieles nachgeholt, was er früher nicht so sehr tun habe können, führte der Jubilar etwa Reisen, Gartenarbeit und Radfahren an. Geblieben sei die Begegnung mit den Menschen.
Mit 33 Landesrat, mit 45 Landeshauptmann
Erwin Pröll wurde am 24. Dezember 1946 in eine Weinbauernfamilie in Radlbrunn (Bezirk Hollabrunn) geboren. Die Katastralgemeinde von Ziersdorf ist bis heute sein Zuhause. Nach der Matura in Tulln und dem Präsenzdienst studierte Pröll an der Universität für Bodenkultur in Wien. Noch vor seiner Promotion als Agrarökonom wurde er 1972 in den Österreichischen Bauernbund geholt und dort bald wirtschaftspolitischer Referent.

Der ehemalige Bauernbunddirektor und ÖVP-Generalsekretär Sixtus Lanner entdeckte Prölls politisches Talent und holte ihn an seine Seite. Mit 33 Jahren wechselte Pröll nach Niederösterreich und wurde in die Landesregierung gewählt. Von März 1980 bis Jänner 1981 war er Landesrat, zuständig für das Agrarressort. Danach wurde er Landeshauptmann-Stellvertreter und übernahm das Finanzressort. Am 4. April 1992 wurde Erwin Pröll zum Landesparteiobmann der Volkspartei Niederösterreich gewählt, am 22. Oktober 1992 trat er die Nachfolge von Landeshauptmann Siegfried Ludwig an.
Dreimal die „Absolute“ bei Landtagswahlen
Bei seinem ersten Antreten als Spitzenkandidat 1993 führte die Kandidatur des kurz zuvor gegründeten Liberalen Forums (LIF) dazu, dass die ÖVP die Absolute verlor. Zehn Jahre später eroberte Pröll diese mit 53,3 Prozent zurück und verteidigte die Absolute danach erfolgreich 2008 (54,4 Prozent) und 2013 (50,8 Prozent).
Diese Wahlerfolge sowie die Errichtung der Donau-Universität in Krems, der Elite-Uni IST Austria in Klosterneuburg (Bezirk Tulln) sowie die Entwicklung des Konzert-Standortes Grafenegg (Bezirk Krems) nannte Pröll neben der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes als Höhepunkte seiner langjährigen Arbeit. „Der Herrgott hat’s ganz schön gut mit mir gemeint“, so der scheidende Landeshauptmann anlässlich seines 70ers.

Pröll galt freilich nicht nur in Niederösterreich als starker Mann. Sein Wort hatte seit Jahren auch in der ÖVP allgemein und somit auch auf dem bundespolitischen Parkett großes Gewicht. Kritik gab es immer wieder am machtpolitischen Wirken Prölls. „Wenn man ein Landesvater sein will, muss man manchmal auch streng sein“, meinte Pröll dazu in einem Interview. Zugleich fragte er sich, je älter er wurde, „ob sich manche Konflikte ausgezahlt haben“.
Pröll, der mit Leopold Figl und Eduard Hartmann zwei seiner Vorgänger als politische Vorbilder nennt und den Ende Oktober 2010 verstorbenen Altlandeshauptmann Andreas Maurer stets als väterlichen Freund bezeichnete, betonte wiederholt, gern „erster Diener“ des Landes gewesen zu sein.
„Ich vermisse in Wahrheit nichts“
Er leide „überhaupt nicht“ an einem Scheinwerfer-Entzugssyndrom, sagte er 2020 bei der Präsentation des Buches „Erwin Pröll. Außer Dienst“ (Amalthea Verlag), verfasst von Barbara Stöckl. Er vermisse „in Wahrheit nichts“, weil er im Laufe von 37 Jahren in der Politik alle Höhen und Tiefen „auskosten durfte“. Selbst in Zeitungen müsse er sich „über kein einziges Wort mehr ärgern“.

Ruhestand gab es für Pröll nie, er ist u.a. Vorsitzender des Aufsichtsrats der Kultur.Region.Niederösterreich und Honorarkonsul der Republik Slowenien. 2018 wurde der Träger unzähliger in- und ausländischer Orden und Ehrenzeichen Ehrenbürger der Landeshauptstadt St. Pölten, nach Prölls Angaben seine 77. Ehrenbürgerschaft im Bundesland Niederösterreich.
Am 17. Jänner 2017 kündigte Erwin Pröll an, sich als Landeshauptmann von Niederösterreich zurückzuziehen, nach mehr als 24 Jahren im Amt. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatte im Frühjahr 2016 nach fünf Jahren als Innenministerin von Wien nach St. Pölten als Landeshauptmann-Stellvertreterin in Niederösterreich gewechselt. Am 19. April 2017 wurde die damals 53-Jährige mit 52 von 56 Stimmen vom Landtag zur ersten Landeshauptfrau Niederösterreichs gewählt.