SEMMERING,AUSTRIA,28.DEC.16 – ALPINE SKIING – FIS World Cup, giant slalom, ladies. Image shows fans. Photo: GEPA pictures/ Christopher Kelemen
GEPA pictures/ Ch. Kelemen
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Sport

Wie der Semmering zur Skihochburg wurde

Der Wintersportverein (WSV) Semmering hat Weltmeisterinnen und Weltmeister hervorgebracht, den Skiweltcup nach Niederösterreich gelockt und dafür gesorgt, dass die Bilder einer 600-Einwohner-Gemeinde um die Welt gingen. Heuer feiert der WSV seinen 75. Geburtstag.

Die Zeitrechnung des WSV Semmering beginnt am 16. November 1946. Im Waldhofsaal des Südbahnhotels wurde der Wintersportverein damals gegründet. Was folgte, war eine bis heute 75-jährige Erfolgsgeschichte. Von Toni Sailer bis Mikaela Shiffrin waren die größten Skistars der Welt auf dem „Zauberberg“ zu Gast. Außerdem wurden Weltmeister im Ski- und Rodelsport auf dem Semmering ausgebildet.

Nur fünf Jahre nach der Vereinsgründung fanden auf dem Semmering bereits erstmals Akademische Skiweltmeisterschaften statt. Zwei Jahre später wurden 1952 die Österreichischen Meisterschaften ausgetragen. Auf dem Programm standen dabei nicht nur alpine Veranstaltungen, sondern auch Skisprung-Bewerbe auf der Liechtensteinschanze und diverse Langlaufrennen.

Zuschauer Skispringen am Semmering 1961
WSV Semmering
Tausende Zuschauer pilgerten in den Fünfzigern und Sechzigern zu den legendären Springen auf dem Semmering

Bei den Sprung-Bewerben war der Zuschauerandrang so groß, dass Hunderte Sportbegeisterte das Springen auf der Liechtensteinschanze nur mehr von der gegenüberliegenden Panhanswiese mitverfolgen konnten. Alfred Puschlmayer kann sich an die unglaubliche Atmosphäre vor bis zu 60.000 Zuschauern noch bestens erinnern. Der gebürtige Semmeringer ist seit mehr als 60 Jahren Vereinsmitglied.

Sportlegenden siegen auf dem Semmering

„Die Zeiten waren ganz anders. Der Krieg war vorbei, und alles hatte einen gewissen Aufschwung“, erzählt Puschlmayer im Gespräch mit noe.ORF.at. „Einer davon war sicher, dass der Sportverein gegründet worden ist. Alles, was auch nur ein bisschen Ski fahren konnte, meldete sich an und nahm an den Rennen teil.“

Die Stimmung bei den Springen auf der Liechtensteinschanze sei atemberaubend gewesen, so Puschlmayer. „60.000 Menschen am Semmering, das kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen. Es waren Massen. Vom Bahnhof sind die Leute hinaufgepilgert. Es war unbeschreiblich.“ Zu den Siegern auf der Liechtensteinschanze zählt auch eine echte Legende. Josef „Bubi“ Bradl gewann 1952.

Toni Sailer Semmering 1957
ORF
Toni Sailer war als eine von vielen Skilegenden auf dem Semmering zu Gast und gewann 1957 den Riesentorlauf

Aber auch zahlreiche Skihelden trugen sich auf dem Semmering in die Siegerlisten ein. Andreas „Anderl“ Molterer wurde 1952 Abfahrtsmeister und gewann in den folgenden Jahren noch weitere Male im Slalom, im Riesentorlauf und in der Kombination. Toni Sailer triumphierte 1957 als dreifacher Olympiasieger von Cortina d’Ampezzo ebenfalls im Riesentorlauf.

Klecker und Krausner holen WM-Gold

Unvergessen sind auch die beiden Weltmeister, die auf dem Semmering geboren wurden. Trude Klecker trug mit ihren Erfolgen maßgeblich zur Bekanntheit ihres Heimatvereins bei. 1951 wurde sie Akademische Weltmeisterin, 1952 und 1956 erreichte sie Spitzenplätze bei den Olympischen Spielen. Den Höhepunkt ihrer Karriere feierte Klecker 1954 mit WM-Gold im Slalom.

Trude Klecker Semmering
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Trude Klecker wurde 1954 Slalom-Weltmeisterin und machte den Semmering damit international bekannt

Ein Jahr später durfte sich der WSV über einen weiteren Weltmeistertitel freuen. Hans Krausner jubelte über Gold im Rennrodeln. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten veranstaltete der WSV zahlreiche weitere nationale und internationale Wintersportbewerbe.

Weltcupshow auf dem „Zauberberg“

Mehr als 40 Jahre nach der erstmaligen Austragung von Österreichischen Skimeisterschaften trat der WSV zu seiner Meisterprüfung an. Der große Skiweltcup kam zum ersten Mal auf den kleinen Semmering und bereitete nicht nur dem damals frischgebackenen Präsidenten Franz Steiner viel Arbeit.

„Ich wurde ins kalte Wasser gestoßen“, gibt Steiner zu. „Das war komplettes Neuland für mich. Der Aufwand ist extrem und fängt schon Monate vor den Rennen mit Planungen und Sitzungen an. Gemeinsam schaffen wir es aber alle zwei Jahre wieder, den Weltcup auf die Beine zu stellen. Die Mitarbeiter sind motiviert und helfen, wo es gebraucht wird – die einen im Büro, die anderen auf der Piste.“

SEMMERING,AUSTRIA,29.DEC.18 – ALPINE SKIING – FIS World Cup, slalom, ladies. Image shows the rejoicing of Petra Vlhova (SVK), Mikaela Shiffrin (USA) and Wendy Holdener (SUI). Photo: GEPA pictures/ Wolfgang Grebien
GEPA pictures/ Wolfgang Grebien
Die schnellsten Skidamen der Welt jubeln auf dem Semmering: 2018 gewann Mikaela Shiffrin (USA) den Slalom vor Petra Vlhova (SVK) und Wendy Holdener (SUI)

Und sie machen es so gut, dass die schnellsten Skidamen bis heute zu Gast sind – und mit ihnen mehr als 20.000 Fans. Der Nachtslalom hat Kultstatus bei den Läuferinnen und ist nicht umsonst als „Kitzbühel der Damen“ bekannt. Zu den Siegerinnen zählen neben Stars von heute wie Shiffrin und Petra Vlhova auch österreichische Läuferinnen wie Elfi Eder, Kathrin Zettel, Marlies Raich und Anna Veith.

Zusammenhalt als Erfolgsgeheimnis

Über zahlreiche Erfolge darf sich der WSV Semmering aktuell dank Veronika Aigner freuen. Die sehbehinderte Para-Skirennläuferin aus Gloggnitz (Bezirk Neunkirchen) ist mehrfache Weltcup-Siegerin und wurde 2020 zu Österreichs Parasportlerin des Jahres gewählt. Derzeit arbeitet sie nach einer schweren Verletzung an ihrem Comeback.

So viel sich in 75 Jahren Vereinsleben verändert hat – eines blieb: Man hält zusammen. „Wenn der Franz zu mir kommt und sagt: ‚Du, ich brauch deine Hilfe‘, dann sag ich: ‚Franz, ist erledigt. Machen wir‘“, so Puschlmayer. Vereinsarbeit als Herzensangelegenheit – das lebt man beim WSV Semmering seit 1946. So kann aus einer glorreichen Vergangenheit eine ebenso erfolgreiche Zukunft werden.