Bushaltestelle, Universitätsklinikum Tulln, Demenz
Universitätsklinikum Tulln
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GESUNDHEIT

Neue Haltestelle für Bus, der niemals kommt

Seit etwa drei Wochen gibt es im Gebäude des Universitätsklinikums Tulln eine nachgebaute Bushaltestelle. Ein Bus wird dort aber nie halten, sie soll als Rückzugsort für Demenzkranke und an Depression oder Angststörungen leidende Menschen dienen.

Es duftet nach einem Zirbenwald, in dem es kurz zuvor geregnet hat. Vogelgezwitscher erfüllt die Luft, und eine Hintergrundfolie in Waldoptik ergänzt die beruhigende Atmosphäre. Eine Parkbank, ein Haltestellenschild und ein Fahrplan runden das Gesamtbild ab. Die Bushaltestelle im Gebäude des Universitätsklinikums Tulln sieht täuschend echt aus. Ein Bus wird hier aber niemals halten, vielmehr geht es um ein Gefühl von Normalität.

„Ich sehe immer wieder Patientinnen und Patienten mit meinem Fachkräftepersonal auf der Parkbank sitzen und über ganz alltägliche Themen plaudern. Auch Personen, die an Depressionen oder Angststörungen leiden, benutzen diesen Ort gerne als Rückzugsort“, erklärt Angelika Friedel, die Leiterin der Station Erwachsenenpsychiatrie.

Bushaltestelle, Universitätsklinikum Tulln, Demenz
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Die Bushaltestelle im Universitätsklinikum Tulln wird von den Patientinnen und Patienten gerne als Rückzugsort genutzt

Illusion soll in Stresssituationen beruhigen

Für Personen mit Demenzerkrankung sind Ortswechsel, etwa ein Aufenthalt im Klinikum, sehr belastend und bei ihnen treten häufig Fluchttendenzen auf. Sie wandern teilweise stundenlang auf der Station umher, oft mit der Absicht, etwas dringend erledigen zu wollen.

„Dabei geht es um Handlungen, die schon längst nicht mehr Teil ihres Alltags sind, etwa einen Verwandten besuchen, der schon vor langer Zeit gestorben ist. Die Pflegerinnen und Pfleger geraten dann häufig in die Situation, etwas Belastendes erklären zu müssen“, so Friedel. „Die Bushaltestelle wird dann zu einem Ort, an den man gemeinsam hingehen kann, miteinander wartet und ins Gespräch kommt. Dass es sich dabei um eine Illusion handelt, ist nicht entscheidend, sondern der Umstand, dass sich Patientinnen und Patienten dabei beruhigen.“

Künstliche Räume erfahren auch Kritik

An diesen künstlich geschaffenen Räumen wird in Fachkreisen allerdings auch Kritik geübt – etwa daran, dass das Warten auf einen Bus, der nie kommt, die Patientinnen und Patienten noch mehr unter Stress setzen könne. „Wir stehen Kritik sehr offen gegenüber. Seit drei Wochen haben wir diese Bushaltestelle, und die ersten Erfahrungen sind durchwegs positiv“, entgegnet Friedel.

Solche Bushaltestellen werden meist auf Langzeitstationen eingesetzt, seit Kurzem auch in Tulln – für Patientinnen und Patienten, die meist nur wenige Wochen auf der Station bleiben. Sie soll ihnen die Möglichkeit bieten zu handeln, am Leben teilzuhaben und sich in Stresssituationen zu beruhigen – und sei es in Form einer Illusion.