Ob eine große Nase, ein schmaler Mund, kleine Augen oder lange Haare – Andreas Fussel hat alle Gesichtsmerkmale auf seinem Laptop parat, um jedes Aussehen zu rekonstruieren. Seine Porträts helfen den Polizeiermittlerinnen und -ermittlern bei der Suche nach mutmaßlichen Tätern. Im Juni 2006 kam Fussel aus dem Ermittlungsbereich „Menschenhandel und Schlepperei“ in die Abteilung „Fahndung“ – und somit auch zum Phantombild-Zeichnen.
Künstlerisch begabt müsse man laut Fussel für diesen Job nicht sein: „Man beginnt damit, dass man zuerst mit erfahrenen Phantombild-Zeichnern mitfährt und sich Tricks und Tipps abschaut. Dann fängt man an, Fotos abzuzeichnen, auch Freunde und Kollegen und Kolleginnen zu zeichnen und schlussendlich wird man ins kalte Wasser gestoßen und fertigt sein erstes Phantombild an.“
Mit raffinierter Technologie zum Phantombild
Vor drei Tagen entstand etwa das aktuelle Phantombild eines momentan gesuchten Polizei-Trickbetrügers – mehr dazu in Betrüger erbeuten 100.000 Euro und Gold (noe.ORF.at; 19.1.2022) – der in Wiener Neustadt eine 84-Jährige betrogen hatte. Das Opfer konnte den Täter beschreiben, auch wenn sie ihn nur kurz gesehen hatte.
„Typischerweise werden da Personen geschickt, die keine markanten Merkmale im Gesicht haben, mit Hauben und Kapuzen bekleidet. Wir wundern uns auch immer wieder, wie manche Opfer so gute Beschreibungen abliefern können“, sagt Fussel.

Früher wurden Phantombilder noch händisch skizziert. Heute steckt eine raffinierte Technologie dahinter: Durch ein Computerprogramm lassen sich Gesicht, Augen, Mund, Nase und Haare genauso wie Kopfbedeckungen beliebig verändern. Besonders entscheidend können markante Merkmale wie Narben oder Muttermale sein.
Der Prozess einer Phantombild-Anfertigung startet mit der Einvernahme des Opfers: „Da entstehen zuerst zahlreiche ‚Startbilder‘, wo am Anfang das Geschlecht und die mutmaßliche Herkunft angegeben wird. Auf den ‚Startbildern‘ sucht sich der Zeuge dann aus, welches Gesichtsmerkmal dem Täter ähnlich sieht und das wird fixiert. So wird dann weitergemacht, bis zum finalen Phantombild.“
Der Mann hinter Phantombildern
Fahnder und Phantombildzeichner Andreas Fussel gibt mutmaßlichen Tätern ein Gesicht. Ein Porträt eines seltenen Berufes.
Sexualstraftäter bereits nach einem Tag gefasst
25 bis 30 Phantombilder entstehen pro Jahr im Landeskriminalamt St. Pölten. Ein Drittel der Bilder führt die Ermittler erfolgreich zu den gesuchten Tätern. Ein aufsehenerregender und erfolgreich verlaufener Fall ereignete sich kurz vor Weihnachten letzten Jahres.
„Wir wurden nach einer versuchten Vergewaltigung im Bezirk Gmünd angefordert. Das Phantombild, dass ich angefertigt habe, wurde in den Medien veröffentlicht. Schon am nächsten Tag konnte der Täter anhand von Hinweisen aus seinem engeren Personenkreis ausgeforscht und festgenommen werden“, erzählt Fussel.
So gilt Fussel wohl als erfolgreicher Künstler, aber anders als von „normalen“ Künstlern oder Künstlerinnen, möchte von Andreas Fussel wohl niemand gerne porträtiert werden.