Labor
Michael Hufnagl
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Coronavirus

PCR-Gurgeltestlabor: Arbeiten am Limit

Im Labor Novogenia in Eugendorf (Salzburg) werten etwa tausend Mitarbeiter die PCR-Gurgeltests von Nieder- und Oberösterreich sowie Salzburg aus. Eine Mammutaufgabe, die bald nicht mehr zu stemmen sein könnte – noe.ORF.at mit einem Blick hinter die Kulissen.

Von außen sieht man der magentafarbenen Halle im Industriegebiet von Eugendorf nicht an, dass hier pro Tag 145.000 PCR-Gurgeltests aus drei Bundesländern ausgewertet werden. Zweimal täglich werden die Proben bei den Abgabeboxen in Sparmärkten und McDonalds-Restaurants in Niederösterreich abgeholt. Dann beginnt die Reise nach Salzburg.

Die Teströhrchen kommen zuerst in das sogenannte Poolingzentrum. Hier werden die Tests in Handarbeit vorsortiert. 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind damit in der 360 Quadratmeter großen Halle beschäftigt. Anschließend wird jeweils eine kleine Menge der Flüssigkeit aus den Gurgelproben entnommen und mit insgesamt fünf anderen gemischt.

Daniel Wallerstorfer, Geschäftsführer Novogenia
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Der Biotechniker Daniel Wallerstorfer ist Gründer der Firma Novogenia

Durch das sogenannte „Pooling“ können fünf Proben auf einmal ausgewertet werden – das spart unter Zeit und Ressourcen. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist das Risiko dabei gering: Noch bevor eine einzige Probe geöffnet wird, werden die Röhrchen so stark erhitzt, dass Coronaviren absterben.

Novogenia:

Das Unternehmen Novogenia wurde 2009 gegründet. Seit Beginn der Pandemie verdreifachte es seinen Jahresumsatz, von 76 Millionen Euro im Jahr 2019 auf 220 Millionen Euro im Jahr 2021. Seit Dezember ist Novogenia auch an der Börse notiert. 30 Millionen PCR-Tests wertete die Firma mittlerweile aus, rund die Hälfte davon in den letzten eineinhalb Jahren.

Bis vor kurzem stellten die Labormitarbeiterinnen und -mitarbeiter noch Gentests für individualisierte Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetik her. „Für Gentests braucht man auch PCR-Tests“, erklärt Unternehmenssprecher Marco Herten. „Das heißt die Expertise war bei uns schon vor der Pandemie da.“ Im Frühjahr 2020 hätten die Labormitarbeiter schließlich innerhalb von zehn Tagen die technischen Voraussetzungen für Covid-19-Tests geschaffen. Die damalige Kapazität: 5.000 PCR-Tests pro Tag.

Kapazität hängt von Positivrate ab

Heute denken Wallerstorfer und sein Team in völlig anderen Dimensionen: Der Rekord liegt bei 275.000 PCR-Tests pro Tag. Derzeit rangiert man zwischen täglich 100.000 und 150.000 Tests, davon 20.000 bis 30.000 aus Niederösterreich. Die Kapazität des Labors ist allerdings kein Fixpunkt, wird betont. Sie steigt und fällt mit der Positivrate, das heißt mit der Zahl an positiven Proben pro Auswertung.

Warum? Nachdem die Pools mit entsprechenden Chemikalien für die Auswertung vorbereitet wurden, kommen sie in das eigentliche Herzstück des Labors: die PCR-Analysekammer. Bei der Firma Novogenia gibt es dafür 15 etwa ein Kubikmeter große Geräte. Sie finden übereinander gestapelt an einer Wand Platz. In jedem dieser Geräte befindet sich je ein winzig kleiner Tropfen aus einem Pool. In Einzelproben gerechnet können in den 15 Geräten gleichzeitig 27.600 Proben analysiert werden. Ein Analysezyklus dauert sechs Stunden.

Fotostrecke mit 5 Bildern

Wallerstorfer im PCR Raum
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Hinter dieser Glasscheibe verbirgt sich das Herzstück des Labors: Die PCR-Analysekammer…
PCR Maschine
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…die 15 Analysegeräte können gleichzeitig 27.600 Proben auf Coronaviren untersuchen.
Ergebnis
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Das Ergebnis kommt digital: Wenn die Kurve ausschlägt, wurden in dem Pool Coronaviren nachgewiesen.
Labor
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Knapp tausend Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind für Novogenia tätig. Vor der Pandemie hatte das Unternehmen nur 70 Beschäftigte.
Novogenia Gebäude
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30 Millionen PCR-Tests hat Novogenia seit seiner Gründung 2009 durchgeführt, 15 Millionen davon in den letzten eineinhalb Jahren.

„Das Ergebnis sehen wir dann hier auf dem Bildschirm“, erklärt Wallerstorfer und zeigt auf viele Graphen mit ebenso vielen bunten Linien. „Wenn die Kurve nach oben geht, dann ist ein Virus detektiert worden. Wenn die Kurve gerade bleibt, dann ist alles negativ.“

Wenn ein Pool positiv ausschlägt, dann müssen die Einzelproben vom Poolingcenter ins Labor geliefert werden. Jeder der fünf Tests muss dann einzeln nachgetestet werden, um herauszufinden, welche der Proben für den positiven Ausschlag verantwortlich war. Das ist zeit- und ressourcenaufwändig, rechne sich aber, wenn nur wenige Pools aufgeschlüsselt werden müssen, so Wallerstorfer.

PCR-Tests für alle könnten wegen Omikron wackeln

„Pooling ist eigentlich für eine große Bevölkerung mit einer niedrigen Positivrate gedacht“, erklärt der Novogenia-Chef. Also genau die Bedingungen, die in ganz Österreich seit Beginn der Omikronwelle nicht mehr herrschen. Immer mehr Pools müssen derzeit aufwändig nachgetestet werden, das verzögert die Auswertung.

Schon jetzt kommt jeder fünfte Test nicht mehr innerhalb von 24 Stunden. Deshalb wird es auch für Wallerstorfer und sein Team immer schwieriger die Testmöglichkeit am Laufen zu halten. Von den Tests aus Niederösterreich sind derzeit durchschnittlich zwei Prozent positiv, bei den Salzburger Tests sind es fünf Prozent, heißt es.

Fünf Prozent – das sei so etwas wie die magische Grenze. „Bei einer Positivrate von fünf Prozent müsste man eigentlich schon auf Dreierpools umsteigen – und dann wird sich alles verzögern“, sagt Wallerstorfer. Hier erreicht man also die Grenzen der Pooling-Methode. Weil die Alternative aber Einzeltestungen wären, die noch länger oder genauso lang dauern würden, sind den Laboren gewissermaßen die Hände gebunden.

PCR Test
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Wallerstorfer spricht sich bei Engpässen für eine Priorisierung mancher Gruppen bei den PCR-Tests aus, etwa Schülerinnen und Schüler sowie medizinisches Personal

Schulen und medizinisches Personal priorisieren

Darum spricht sich auch Wallerstorfer gegen PCR-Tests für alle aus, sobald die Ergebnisse nicht mehr einigermaßen pünktlich kommen. „Wenn Engpässe auftreten, wie es in vielen Bundesländern aufgrund der hohen Positivrate jetzt langsam der Fall ist, ist es sicherlich wichtig, sich auf bestimmte Gruppen zu spezialisieren.“

Besonders wichtig sei es, die Schultestungen zu priorisieren. „Die geben einen sehr guten Flächenüberblick über die Bevölkerung“, erklärt Wallerstorfer. Ebenso wichtig sei es, dass die Testergebnisse für medizinisches und Pflegepersonal rechtzeitig kämen. „Das sind sicherlich die Gruppen, die man priorisieren muss, wenn die Kapazitäten nicht mehr ausreichen,“ so der Laborchef.

„Österreichweites Labornetzwerk wäre sinnvoll“

Auch die logistischen Aufgaben fordern das Unternehmen. Schließlich müssen Tests aus dem östlichen Niederösterreich erst einmal mehrere Autostunden lang nach Eugendorf gefahren werden bevor die technische Auswertung beginnen kann. Zwar verspricht Wallerstorfer, dass Testergebnisse aus Mistelbach oder Gänserndorf nicht länger brauchen als jene aus Amstetten oder Melk, doch die geografischen Unterschiede bereiten zusätzliche logistische Hürden.

„Ich fände ein österreichweites Labornetzwerk, in dem alle in einem System teilnehmen, eine sinnvolle Sache. Da könnte man Logistikstrecken besser managen,“ schlägt Wallerstorfer vor. Das österreichische Vergaberecht erlaube das aber nicht. Hier gelte: „Der Bestbieter, das heißt, der, der den günstigsten Preis für die Leistung liefern kann, wird den Auftrag erhalten“, erklärt Wallerstorfer. Er würde sich wünschen, dass die Labors mehr zusammenarbeiten könnten.