Anwältin Michaela Krömer, Jänner 2022
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„Ganz Persönlich“

Visionärin im Kampf gegen die Klimakrise

Die St. Pöltner Anwältin Michaela Krömer hat die erste Klimaklage Österreichs eingebracht und ist dafür kürzlich mit dem Menschenrechtspreis ausgezeichnet worden. Die Juristin über Birkenstock, Mut und die Zukunft ihrer Tochter.

Michaela Krömer ist Rechtsanwältin in St. Pölten. Sie studierte in England und an der Harvard Universität in den USA. Zentrale Themen ihrer Arbeit sind die Bekämpfung der Klimakrise und die Themen Asyl und Migration. Krömer ist Mutter einer sieben Monate alten Tochter und wohnt in Wien.

noe.ORF.at: Michaela Krömer, die Liga für Menschenrechte hat Sie kürzlich mit dem Menschenrechtspreis ausgezeichnet. Betont wurde in diesem Zusammenhang vor allem Ihr Mut. Sind Sie mutig?

Michaela Krömer: Ja, manchmal schon. Wenn man politische Verfahren führt, und letztlich ist eine Klimafrage ein politisches Verfahren, dann braucht man Mut, weil man versucht ein System zu ändern.

noe.ORF.at: Hinter der Klimaklage steckt ein konkretes Schicksal. Es geht um einen Mann, der an Multipler Sklerose erkrankt ist und dessen gesundheitlicher Zustand sich verschlechtert je wärmer es ist. Also bei 25 Grad kann er nicht mehr gehen und ist auf den Rollstuhl angewiesen. Die zunehmende Hitze, und damit der Klimawandel, ist ein ernstes Problem für Ihren Mandanten. Jetzt könnte man sagen: Was kann der Staat dafür, wenn man krank ist?

Krömer: Die Tatsache, dass er krank ist, ist nicht Verfahrensinhalt, sondern dass sein Leiden schlimmer wird durch die Klimakrise und das ist der Kausalzusammenhang. Österreich kommt hier seinen Verpflichtungen offenkundig nicht nach. Die Situation wäre eine andere, wenn Österreich alles tut, um die Klimakrise und deren Auswirkungen gering zu halten. Aber im Moment ist es so, dass außer viel Gerede nicht viel passiert. Das hat sich jetzt mit Ministerin Gewessler geändert, aber wir sehen insgesamt zu wenig.

noe.ORF.at: Sie haben Ihre Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingebracht. Wenn Sie gewinnen, was haben die Bürger davon?

Krömer: In der Juristerei ist oft das Spiel „einer für alle“. Ein gutes Beispiel ist Max Schrems, der als Einzelperson Facebook verklagt hat und wir profitieren jetzt alle von den verschärften Datenschutzvorschriften. So ist die Denke unseres Systems. Wenn wir gewinnen, hat das zwei Auswirkungen: Die eine ist, dass dann alle ein Recht darauf haben sich zu beschweren. Nämlich das Recht, ihre Rechte einzufordern. Das ist derzeit nicht der Fall. Aber wenn ich mein Recht nicht einfordern kann, dann ist es nicht mehr wert als ein Stück Papier.

Das zweite ist, dass Österreich verpflichtet ist, Klimaschutzpolitik im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen zu machen. Das sind 1,5 Grad bzw. unter zwei Grad. Und wenn Österreich dann verpflichtet ist, mehr Klimaschutzpolitik zu betreiben, sind auch alle anderen Staaten, die dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte unterliegen, dazu verpflichtet. Und das sind 47 Länder mit über 800 Millionen Menschen.

Anwältin Michaela Krömer (links) und ORF-NÖ-Redakteurin Eva Steinkellner-Klein bei einem Interview in einer Anwaltskanzlei, Jänner 2022
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Michaela Krömer (links) bei der Aufnahme des Interviews mit ORF-NÖ-Redakteurin Eva Steinkellner-Klein

noe.ORF.at: Es ist ja keine Kleinigkeit, einen Staat zu verklagen. Wie mutig mussten Sie sein?

Krömer: Die größte Portion Mut habe ich am Anfang gebraucht. Es hat mich niemand gebeten, eine Klimaklage zu machen. Das Ganze ist entstanden, weil ich mich mit Verfassungsrecht beschäftige und Defizite gesehen habe. Ich habe mich gefragt, wieso niemand etwas macht. Eine Lücke im System zu finden, die man angreifen kann und das dann zu tun – das war der größte Mut. Ich war nervös. Ich weiß noch genau: Es war Mitternacht und alles war vorbereitet und dann zu wissen, ich drücke jetzt diesen Knopf und dann ist es draußen, dann habe ich keine Kontrolle mehr. Da habe ich gezittert und ein bisschen gebraucht, um diesen Knopf zu drücken.

noe.ORF.at: Sind Sie stolz darauf, dass es die erste Klimaklage Österreichs ist?

Krömer: Ich tue mir mit „stolz sein“ ein bisschen schwer. Aber ich freue mich, dass ich es gemacht habe. Ich freue mich, dass ich es meiner Tochter einmal erzählen kann. Ich mache, was ich kann. Das ist für mich der größere Punkt.

„Klimakrise ist die Krise der Menschheit“

noe.ORF.at: Ihre Tochter ist sieben Monate alt. Hat Sie Ihr Kind kämpferischer gemacht?

Krömer: Meine Tochter ist 2021 geboren. Sie wird Ende des Jahrhunderts möglicherweise noch leben. Wenn ich mir die Prognose für die Zukunft anschaue, dann weiß ich, dass es sie voll erwischen wird. Ich glaube, dass diese Zahlen Gesichter bekommen, macht es noch mal härter. Insofern bin ich auch schon wieder am Erarbeiten von neuen Klagen und neuen Konzepten, weil mich das wirklich belastet. Wir sind in den entscheidenden Jahren.

noe.ORF.at: Woher kommt Ihr Interesse am Klimawandel und der Umwelt?

Krömer: Ich bin einfach wahnsinnig gerne draußen. Ich liebe die Natur. Ich bin nicht so ein klassischer Ökomensch. Ich habe lange keine Birkenstock-Schlapfen besessen (lacht). Aber man sieht die Veränderungen, wenn man draußen ist. Und die Klimakrise ist die Krise der Menschheit. Wenn wir das nicht gebacken kriegen, dann brauchen wir uns über andere Themen nicht mehr unterhalten. Alles hängt mit allem zusammen. Wir wissen etwa, dass die Migration zunehmen wird, weil Menschen einfach nicht mehr dort leben können.

noe.ORF.at: Sie kommen aus einer Juristenfamilie. Die Kanzlei gibt es jetzt in der vierten Generation und in ihrer Familie ist soziales Engagement immer großgeschrieben worden. Wie haben Sie das wahrgenommen als Kind?

Krömer: Das war immer so selbstverständlich. Es waren immer Leute da. Wir haben politische Flüchtlinge aus dem ehemaligen Osten aufgenommen. Das prägt. Nicht der moralische Auftrag – „tu dies, tu das“ – sondern, dass das normal ist.

noe.ORF.at: Sie haben in England und in Harvard studiert. Sie hätten eine internationale Karriere mit viel Geld, Macht und Einfluss machen können. Aber Sie haben sich dagegen entschieden. Was treibt Sie an?

Krömer: Ich war schon immer eine Visionärin (lacht). Ich wollte schon als Kind immer was bewegen. Das liegt in meiner DNA. Ich habe einfach die Augen offengehalten für Themen, die brenzlig sind. Ich habe keine Ängste, irgendwo hinzugreifen, wo sonst niemand hingreift. Im Gegenteil: Da bin ich ein bisschen rebellisch, dann interessiert es mich.

„Ich kann nicht einfach zuschauen“

noe.ORF.at: Asyl und Migration sind zwei weitere Bereiche Ihrer Arbeit. Beide Thematiken sind riesige Brocken, in vielerlei Hinsicht ungelöste Brocken. Wie groß ist Ihr Frust?

Krömer: Ich kann diese Arbeit machen, weil ich mit vielen großartigen Menschen zusammenarbeite, die an eine bessere Welt glauben. Es gibt sicher Momente, wo ich mir gedacht habe: Ich gebe auf, ich schaffe das nicht. Es gab Tage, da war ich fix und fertig. Aber wir haben uns motiviert. Ich habe vor wenigen Wochen die Entscheidungen im Zusammenhang mit der Frage, ob Asylwerberinnen und -werber arbeiten dürfen, gewonnen. Dieser rechtwidrige Zustand hat 17 Jahre gedauert. Ich habe drei Jahre gekämpft. Es ist wunderschön zu sehen, dass man gewinnen kann. Das gibt Kraft für weitere Kämpfe.

noe.ORF.at: Sind sie eigentlich Optimistin? Ich frage, wegen ihrer Tochter. Wird sie in einer besseren Welt aufwachsen?

Krömer: Nein, ich bin keine Optimistin. Ich bin sehr realistisch. Ich sehe meine Verantwortung darin, das zu machen, was ich kann. Ich habe die Prise Optimismus, dass ich etwas bewirken kann. Mich treibt dieser Realismus. Ich sehe, was da kommt und ich kann nicht einfach zuschauen. Das kann ich nicht verantworten.