Das fängt ja schon mal „toll“ an dieses Musical – das denkt man sich, wenn alle in der ersten Nummer auf die Bühne kommen und singen: „Mein Leben ist shit“. Jede Figur findet ihr Leben, gelinde gesagt, bescheiden. Genau das ist aber das Konzept dieses Erfolgsstückes, das keine Prinzen- und Prinzessinnen-Probleme auf die Bühne bringt, sondern mehr oder weniger das Leben von mir und dir beschreibt.
Der kinderprogrammartige Zugang, mit Handpuppen a la Sesamstraße, ermöglicht es, vieles ungezwungener anzusprechen, erklärt Regisseur Marcus Ganser gegenüber noe.ORF.at: „Das ist schon etwas Außergewöhnliches und auch sehr Mutiges, weil man ja nicht vermutet, dass so kuschelweiche Flauschi-Figuren eben plötzlich über Alltagsrassismus reden, aber dadurch ist es für das Publikum sehr leicht verdaulich, weil man eben auch sehr darüber lachen muss und sich gleichzeitig ertappt fühlen kann.“ Homosexualität, Obdachlosigkeit, Angst vor der Zukunft – dieses Musical lässt kaum ein brennendes Thema aus.
Tausendsassa Marcus Ganser, der bei dieser Produktion Regie führte und auch das Bühnenbild gestaltete, musste kurzfristig die Rolle des Brian übernehmen, der mit seiner chinesischen Gefährtin namens „Christmas Eve“, von Katrin Fuchs in konsequenter r-Vermeidung ‚velkölpelt‘, in einer fiktiven Armutsgegend von New York lebt. Dorthin hat sich auch Basti (Bettina Soriat) zurückgezogen, ehemals Spitzenpolitiker, nun Vermieter eines heruntergekommenen Apartments.
Puppenspiel für Erwachsene
Alle anderen Bewohnerinnen und Bewohner sind Puppen: Der Lebenssinn-Sucher Princeton, die „Monsterssorian“-Schulgründerin Kate, das Coming-out-Pärchen Nicky und Rod, der pornobesessene Trekkie, die Schlampe Lucy, Fräulein Trockenpflaume, zwei Schnapsidee-Bären: Es ist schon ein buntes Völkchen, das hier fröhliches Chaos veranstaltet.
Dazwischen wird es auch ordentlich kitschig, wie es sich für ein Broadway-Musical gehört. Wobei man sich fragen muss, bei allen drastischen Themen, ob die Autoren Robert Lopez, Jeff Marx und Jeff Whitty nicht das ganze Genre mit auf den Arm nehmen.
Ein Erfolgsmusical zum Entdecken
Immerhin gewann „Avenue Q“ 2003 drei Tony Awards, die Aufführungsserie am Broadway erreichte mehr als 2.500 Vorstellungen und geht am Off-Broadway bis heute weiter. Daher ist es ein wenig ungewöhnlich, dass dieses Erfolgsstück erst 2022 seine Österreich-Premiere erfuhr. Die von pandemiebedingten Absagen derzeit sehr betroffene Gruppe „Theater zum Fürchten“ brachte am Samstagabend im Stadttheater Mödling – mit einwöchiger Verspätung – die österreichische Erstaufführung des Musicals über die Bühne.
Bruno Max, der Intendant des Theatervereins SCALA, hatte mit Quarantäne-Ausfällen zu kämpfen: „Im Moment müssen wir sehr ‚situationselastisch‘ reagieren. Jede gespielte Vorstellung ist ein Sieg, jede Premiere ein Triumph.“ Das Publikum nahm diesen Triumph dankbar und mit viel Applaus an. Dieses ungewöhnliche Musical über die gewöhnlichen Probleme unseres Alltag verdient es, gespielt zu werden – wie in Mödling. Die Energie und Verve der Mödlinger Darstellerinnen und Darsteller ist überzeugend und mitreißend.