Sechzehn Darstellerinnen und Darsteller fegen über die Bühne wie ein farbenfroher Wirbelwind. Sechzehn Gloria(s), die ihre eigenen Erinnerungen bezwingen und sich in einem vielstimmigen Tanz vereinen. Jose Montalvo sagt über den Produktionsprozess: „Alle Kreationen entfalten sich in einer Art Hin und Her zwischen dem, was geplant war, und dem Unvorhergesehenen. Mit COVID-19 nahm das Unvorhergesehene überhand, fegte alles andere hinweg und stellte alles auf den Kopf. Nichts, was zu Beginn geplant war, konnte umgesetzt werden. Shootings wurden abgesagt, verschoben, Proben zerstreuten sich wie ein Puzzle, alle sechs Monate fünfzehn Probentage. Dieses ständige ‚Stop and Go‘ gab uns schließlich einen unerwarteten Rhythmus, der das Stück heute strukturiert.“
„Gloria“ sollte Party und Karneval sein
Montalvanos ursprüngliches Vorhaben vor zwei Jahren war eine choreografische Arbeit, eine zeitgenössisch getanzte Fabel, ein intimes Porträt einer Frau mit universeller Relevanz zu schreiben. „Ich stellte mir das Stück als eine Party vor, einen Karneval, getragen von der rhythmischen Impulsivität, der nervösen Eile, der brillanten und klangvollen Sinnlichkeit starker dramatischer Kontraste, vom musikalischen Œuvre Vivaldis.“
Es sollte eine Kreuzung sein, ein freudiges Treiben, eine freie Reise durch unzählige Stücke wie Opern, Sonaten, Konzerte, Symphonien, Serenaden, dramatische Kantaten und Kammermusik. „Das Porträt einer Sonnenkünstlerin, einer Kosmopolitin, einer Exzentrikerin, einer Dadaistin von heute, die angesichts des drohenden ökologischen Chaos, der Gewalt, des Terrors, der Gier, des Individualismus und der totalen Kommerzialisierung bestrebt ist, ein Land der Wunder zu erfinden und das Leben zu feiern“, so der Choreograf.
Doch die Pandemie veränderte auch Montalvos Zugang. „Das Stück entwickelte sich zu einer Ehrung der Einzigartigkeit und Besonderheit meiner Tänzerinnen und Tänzer, ihrer Leidenschaft und ihres Commitments dem Tanz gegenüber – allen gewöhnlichen, kleinen Kränkungen zum Trotz, die sie in diesem schonungslosen Beruf erleiden – einem Beruf, der allzu oft Anordnungen und Vorurteilen unterworfen ist.“
Gloria ist Choreografin, Hexe, Fee, barocke wie skurrile Künstlerin, die ohne Tanz nicht leben kann. „Ich liebe Gloria für ihre Fröhlichkeit, ihren Sinn für Feste, ihren Geschmack für das Leben, den sie durch ihre Lieder und Tänze ausdrückt“, beschreibt Jose Montalvo die leidenschaftliche Protagonistin seiner neuesten Produktion, die im September 2021 in Creteil uraufgeführt wurde.
Tanz als „Insel der Zuflucht und des Widerstands“
Zuletzt 2018 mit seiner umjubelten „Carmen(s)“ zu Gast, zeigt der international renommierte Choreograf im Festspielhaus St. Pölten nun den zweiten Teil seines Diptychons. Bekannt für seine innovative Fusion verschiedener Kunstformen und Tanzstile von Hip Hop bis Flamenco, lockt Montalvo das Publikum „in ein fantastisches Universum des Tanzes, das in schwierigen Zeiten zum Träumen einlädt. Denn wo ökologisches Chaos, Gewalt und Gier herrschen, bietet Tanz eine kleine Insel der Zuflucht und des Widerstands, einen Ort der Erfindungen und der Liebe, einen irdischen Garten Eden“, heißt es auf der Website des Festspielhauses.