Katrin Praprotnik
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Politik

MFG-Abschneiden überrascht auch Expertin

Die MFG hat bei der Gemeinderatswahl in Waidhofen/Ybbs am Sonntag einen Wahlerfolg eingefahren, der auch die Politologin Katrin Praprotnik überrascht hat. Die CoV-Maßnahmen-kritische Partei hat 17 Prozent und sieben Sitze im Gemeinderat erreicht.

Laut der Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik von der Donau-Universität Krems lässt sich erkennen, dass bei der Gemeinderatswahl am Sonntag in Waidhofen an der Ybbs bundespolitische Themen deutlich stärker eingeflossen sind als das üblicherweise bei Regionalwahlen der Fall ist. Die pandemische Situation habe einen großen Einfluss auf das Wahlergebnis, es bewege Bürgerinnen und Bürger dazu, einer anderen Partei ihre Stimme zu geben als bei anderen Wahlen, so die Expertin.

noe.ORF.at: Wie ist das Ergebnis der Gemeinderatswahl in Waidhofen an der Ybbs einzuordnen? Ist das Ergebnis überraschend?

Katrin Praprotnik: Das Ausmaß der Wahl ist sicherlich überraschend. Wir haben eine neue Partei, die MFG, die auf Anhieb nicht nur eingezogen ist, sondern auch drittstärkste Kraft geworden ist. Das hat dann doch sehr überrascht. Natürlich hat man gewusst, dass diese Gemengelage mit Impfmüdigkeit und Corona-Skepsis der MFG in die Hände spielt, aber dieses Ausmaß des Wahlerfolges kam für mich dann schon überraschend.

noe.ORF.at: Der Waidhofener Bürgermeister meinte, die Verluste für die ÖVP seien diesem Coronavirus-Thema und der MFG geschuldet. Kann man das so sagen?

Praprotnik: Wir sehen an dem Ergebnis in Waidhofen, dass sich zwei große Trends zeigen. Wir sehen, dass Bundesthemen sehr wohl auch auf die Ebenen darunter hineinschwappen, Stichwort Corona. Und wir beobachten eine elektorale Volatilität, also dass die Menschen bereit sind, bei unterschiedlichen Wahlen auch unterschiedliche Parteien zu wählen.

noe.ORF.at: Wir hatten ja eine Gemeinderatswahl und diese Coronavirus-Themen werden ja nicht auf Gemeindeebene entschieden. Was sagt uns dieses Ergebnis für größere Wahlen – also landesweite oder bundesweite Wahlen?

Praprotnik: Wir haben in Waidhofen Trends, die wir auch auf Bundesebene sehen. Eine ÖVP, die in den Umfragen zurückgeht, eine SPÖ, die leicht gewonnen hat und die Grünen, die sich trotz „Juniorpartner“-Status relativ stabil halten. Natürlich gibt es aber auch regionale Eigenheiten, etwa bei der FPÖ, wo es ja den „Mein Kampf“-Sager gab.

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Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik (r.) im Gespräch mit ORF-Niederösterreich-Reporterin Claudia Schubert

noe.ORF.at: Die MFG hat 17 Prozent erreicht. Ist das die Größenordnung an Protest, die es in der Bevölkerung gibt?

Praprotnik: Die MFG hat hier bei dieser Gemeinderatswahl, aber auch zuvor bei der Landtagswahl in Oberösterreich sicherlich einen Nerv getroffen. Die MFG tritt ja nach dem Motto „Wir sind keine klassischen Politikerinnen und Politiker, sondern wir kommen aus der Mitte der Bevölkerung“ auf. Das hat diesen Wahlerfolg sicherlich auch mitgetragen. Da ist die Frage, was das mit dem Blick nach vorne für andere Wahlen bedeutet. Und da sehe ich schon Potenzial mit Blick auf den Wahlkalender, denn 2023 werden ja vier Landtage in Österreich neu gewählt, darunter auch der Landtag in Niederösterreich.

noe.ORF.at: Was heißt denn dieser Erfolg der MFG für die etablierten Parteien?

Praprotnik: Man muss auf die Stimmungslage im Land Rücksicht nehmen. Es gibt die Unzufriedenen, es gibt die Verunsicherten. Es gibt Menschen, die sich mit der Impfpflicht sehr vor den Kopf gestoßen fühlen. Es sind ja sehr viele geimpft in Österreich, aber die Impfpflicht spaltet wirklich die Gesellschaft. Rund 38 Prozent der Bevölkerung sind gegen diese Impfpflicht, und mit diesem Wissen muss man natürlich jetzt nach vorne schreiten, wenn man sich Kampagnen überlegt, etwa für die Landtagswahl in Niederösterreich. Das wird aber auch sehr davon abhängen, in welcher Pandemiesituation wir uns da befinden. Jetzt polarisiert das Thema Impfen sehr stark und nützt der MFG, aber sobald die Pandemie in den Hintergrund gedrängt ist, sind es vielleicht andere Themen, die die Menschen eher wahrnehmen.

noe.ORF.at: Ist es überraschend, dass die FPÖ nicht mehr holen konnte und viele zur MFG gegangen sind?

Praprotnik: Bei der FPÖ waren es die Fehler im Wahlkampf. Das war vermutlich auch die Abspaltung eines Mandatars, der die Liste gewechselt hat. Das ist natürlich für eine Partei im Wahlkampf sehr schädlich. Dann konnten sie im Endeffekt von dieser Gemengelage gar nicht so sehr profitieren, noch dazu, wo es mit der MFG eben eine zweite Impfpflicht- und Corona-Maßnahmen-kritische Partei gegeben hat.

Endgültiges Ergebnis der Gemeinderatswahl

Nach der Gemeinderatswahl in Waidhofen an der Ybbs vom Sonntag ist am Montagnachmittag das endgültige Ergebnis vorgelegen. Es brachte im Vergleich zum vorläufigen Resultat minimale Änderungen bei den Prozentanteilen, aber keine Mandatsverschiebungen. Die ÖVP kam demnach auf 41,29 Prozent (2017: 60,2 Prozent), die SPÖ auf 21,69 Prozent (2017: 15,5 Prozent) und die MFG (Menschen-Freiheit-Grundrechte) beim ersten Antreten in Niederösterreich auf 17,10 Prozent.

Farblose Unabhängige Formierte Uniformierte (FUFU) legten von 10,2 auf 11,25 Prozent zu. Die FPÖ verschlechterte sich von 5,3 auf 4,03 Prozent. Rund einen Prozentpunkt verloren die Grünen, für die schlussendlich 3,06 Prozent zu Buche standen. Die Unabhängige Wahlgemeinschaft-Bürgerliste-Waidhofen/Ybbs (UWG) landete bei 1,60 Prozent (2017: 4,5 Prozent) und rutschte damit aus dem Gemeinderat.

Der neue Mandatsstand in der Statutarstadt lautet: ÖVP 18 (2017: 26), SPÖ 9 (2017: 6), MFG 7, FUFU 4 (2017: 4), FPÖ 1 (2017: 2), Grüne 1 (2017: 1). Im Stadtsenat hält die ÖVP nun fünf von zehn Sitzen. Je zwei gingen an SPÖ und MFG, einer an FUFU.