Landtagsgebäude und Gebäude der Landesregierung und -parteien von außen mit Klangturm im Hintergrund
ORF/Novak
ORF/Novak
Politik

Unstimmigkeiten um Wahlrechtsreform

Vor einer Woche präsentierten ÖVP und SPÖ noch gemeinsam die Einigung zur Abschaffung des Zweitwohnsitzerwahlrechts, jetzt aber scheint es doch einen Konflikt zu geben. Grund ist ein zweiter Aspekt der Wahlrechtsreform, der die Mandatsverteilung betrifft.

Für Unstimmigkeiten sorgt derzeit das sogenannte D’Hondt-Verfahren, das in der Praxis schon seit 1945 bei der Mandatsverteilung nach Landtagswahlen angewandt wird. Dabei geht es darum, welche Partei wie viele Sitze in der Landesregierung bekommt. Geht es nach der ÖVP, soll dieses Verfahren im Zuge der Wahlrechtsreform nun auch in der Verfassung verankert werden. „Um einer vermeintlichen Rechtsunsicherheit zu begegnen, gibt es den Vorschlag, die Berechnungsmethode klarzustellen“, heißt es dazu von ÖVP-Klubobmann Klaus Schneeberger.

Diesen Punkt will die SPÖ Niederösterreich allerdings nicht mittragen. Die Landesverfassung sehe vor, die Sitze „nach den Grundsätzen der Verhältniswahl“ zu verteilen, heißt es, womit nicht D’Hondt gemeint sei. Dass in der Vergangenheit trotzdem nach diesem Prinzip verteilt wurde, will man künftig nicht mehr akzeptieren. Dieses Verfahren sei nämlich mehrheitsfreundlich. „Bislang war es so, dass die stimmenstärkste Partei bei jeder Wahl profitiert und durch die Berechnung nach d’Hondt einen Regierungssitz mehr gehabt hat“, heißt es von der SPÖ.

Verfahren sorgte schon auf Gemeindeebene für Knalleffekt

In der aktuellen Diskussion geht es auch um eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2020. In der Waldviertler Gemeinde Groß Gerungs (Bezirk Zwettl) erklärte der VfGH die Wahl der Stadträte für ungültig, weil nach dem D’Hondt-Verfahren vorgegangen worden war, dieses in der Gemeindeordnung allerdings nicht explizit angeführt worden war – mehr dazu in Groß Gerungs: Wahl der Stadträte ungültig (noe.ORF.at; 28. Oktober 2020).

Die Gemeindeordnung wurde später durch den Landtag repariert und das d’Hondt-Verfahren explizit ins Gesetz geschrieben. Auf Landesebene wollen SPÖ und FPÖ diesen Schritt allerdings nicht mitgehen. „Das Ziel des Proporzes ist es, den Wählerwillen in der Landesregierung bestmöglich abzubilden“, heißt es von der SPÖ. „Hätte man gemäß der VfGH-Entscheidung gehandelt, wären beispielsweise auch die Grünen in der Landesregierung vertreten.“ Laut Grünen würde sich das in der derzeitigen Legislaturperiode nicht ausgehen.

SPÖ bringt Antrag nicht gemeinsam mit ÖVP ein

Wegen dieses Punktes habe die SPÖ den Antrag zur Änderung des Wahlrechts deshalb nicht gemeinsam mit der ÖVP und den Grünen eingebracht, heißt es. Medienberichte, wonach die SPÖ auch in Sachen Zweitwohnsitzerwahlrecht einen Rückzieher mache, weist man aber entschieden zurück. Mit der Abschaffung des Zweitwohnsitzwahlrechtes werde eine jahrelange Forderung der SPÖ Niederösterreich erfüllt.

Dennoch muss jetzt wohl weiter verhandelt werden. Um die Abschaffung des Zweitwohnsitzerwahlrechts zu beschließen, braucht es nämlich eine Zweitdrittelmehrheit im Landtag. Möglich wäre auch, dass über die beiden Punkte Ende Februar getrennt abgestimmt wird.

„Ich gehe davon aus, dass es noch weitere Gespräche in dieser Sache geben wird. Dies umso mehr, als die grüne Fraktion sowohl die Wahlrechtsänderung, als auch für die Fixierung des d’Hondtschen Verfahrens mitbeantragt", heißt es von Schneeberger (ÖVP)“, der auch betont, dass in den Verhandlungen mit der SPÖ auch über diese Thematik Einvernehmen hergestellt wurde. Die SPÖ habe die Zusage kurzfristig zurückgezogen.

90.000 Zweitwohnsitzer sollen Wahlrecht verlieren

Die geplante Wahlrechtsreform war vergangene Woche von ÖVP und SPÖ Niederösterreich gemeinsam präsentiert worden. Das Wahlrecht für Zweitwohnsitzer in Niederösterreich soll demnach mit 1. Juni abgeschafft werden. Der Beschluss soll in der Landtagssitzung am 24. Februar erfolgen – mehr dazu in 90.000 Zweitwohnsitzer verlieren Wahlrecht (noe.ORF.at; 27.1.2022).