Berufsverhandlung gegen den Mörder von Gerasdorf im OLG Wien
APA/Stefan Somweber
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Chronik

Mord in Gerasdorf: Lebenslange Haft bestätigt

Es bleibt bei lebenslanger Haft für einen 48-jährigen Tschetschenen, der im Juli 2020 in Gerasdorf (Bezirk Korneuburg) einen 43 Jahre alten Landsmann erschossen hat. Das Wiener Oberlandesgericht hat am Donnerstag die Strafberufung des Mannes verworfen.

Der Mann habe „sechs Schüsse aus nächster Nähe abgegeben, das Opfer hatte keine Chance“, führte die Vorsitzende des dreiköpfigen Berufungssenats im Justizpalast aus. Die Bluttat sei auf eine Art und Weise begangen worden, „die einer Hinrichtung gleichkommt“. Das Opfer habe „hochrangige Politiker“ in Tschetschenien beleidigt, weshalb „ein Kopfgeld in beträchtlicher Höhe“ auf ihn ausgesetzt gewesen sei.

Aus Sicht des Senats des Wiener Oberlandesgerichts war dies das Motiv für den 48-Jährigen. Ein „materieller Grund für die Ermordung“ sei „besonders verwerflich“, führte die vorsitzende Richterin ins Treffen. Sie bescheinigte dem Schützen „eine so hohe kriminelle Energie“ und „ein so hohes Charakterdefizit“, dass man dagegen „mit der vollen Härte des Gesetzes“ vorgehen müsse. Bereits Mitte Dezember hatte der Oberste Gerichtshof den Schuldspruch wegen Mordes bestätigt.

48-Jähriger beteuerte: „Die Schuldigen sind im Ausland“

Die Berufungsverhandlung fand unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt (im Bild oben). Der 48-Jährige wurde von Spezialkräften in den Gerichtssaal gebracht, im Saal selbst waren mehrere schwerbewaffnete und vermummte Beamte postiert. Der Tschetschene betonte vor dem Senat seine Schuldlosigkeit: „Es gibt keinen Zeugen, dass ich das gemacht habe. Es gibt keine Tatwaffe, die gefunden wurde. Es gibt keinen Beweis, dass ich diese Straftat begangen habe. Es beruht auf Vermutungen.“ Er sei vom Landesgericht Korneuburg, wo er im August 2021 schuldig erkannt worden war, zu Unrecht verurteilt worden: „Es war eine ungerechte Strafe, die ich bekommen habe.“ Abschließend betonte der 48-Jährige: „Die Schuldigen sind im Ausland.“

Der erschossene Martin B. hatte unter dem Namen „Ansor aus Wien“ zahlreiche Youtube-Videos veröffentlicht, in denen er insbesondere den Regionalpräsidenten der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, beschimpfte. Aufgrund dessen bestanden seit längerem Morddrohungen gegen den 43-Jährigen. Martin B. war über Jahre hinweg Informant des Wiener Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung.

Der Todesschütze war laut Staatsanwaltschaft in der tschetschenischen Community als Waffenhändler bekannt. Dem nunmehr vollumfänglich rechtskräftigen Urteil zufolge hatte er Martin B. unter dem Vorwand, ein Auto gegen eine Glock tauschen zu wollen, auf ein Firmengelände am Stadtrand von Wien gelockt. Als Martin B. eintraf, zog er eine Pistole und feuerte auf den noch in seinem Auto sitzenden Mann. Das Opfer fiel beim Versuch zu flüchten aus dem Pkw und blieb liegen, worauf der 48-Jährige einen sechsten und letzten Schuss auf den Kopf des Mannes abgab. Wie ein später eingeholtes Gutachten zeigte, war jeder einzelne Schuss für sich genommen tödlich. Der Schütze war wenige Stunden nach der Tat nach einer Großfahndung in Oberösterreich festgenommen worden.