Johannes Aigner
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„Ganz persönlich“

Aigner: Mit Adrenalinschub nach Peking

Zwei Gold- und zwei Silbermedaillen hat der sehbehinderte Johannes Aigner aus Gloggnitz (Bezirk Neunkirchen) bei der Para-Wintersport-WM geholt. Mit diesem Adrenalinschub geht es jetzt zu den Paralympics nach Peking – seinem „Hauptziel“, wie er sagt.

Im Haus der Familie Aigner in Gloggnitz (Bezirk Neunkirchen) stapeln sich die Medaillen und Pokale der erfolgreichen Para-Skisportgeschwister. Johannes Aigner fährt seit zwölf Jahren Ski. Der 16-Jährige ist Teil des ÖSV-Kaders und gewann zuletzt in Lillehammer bei der Para-Wintersport-Weltmeisterschaft vier Medaillen – zwei Mal Gold und zwei Mal Silber. Aigner wohnt mit seinen vier Geschwistern und seinen Eltern in Gloggnitz und besucht das Trainingszentrum in Waidhofen an der Ybbs.

noe.ORF.at: Deine nächste Station heißt China. Am 4. März beginnen die Paralympics. Hast du dir ein Ziel gesteckt?

Johannes Aigner: Wir wollen eine Medaille machen. Wir haben bei der WM gesehen, dass das funktioniert, aber höhere Ziele haben wir uns nicht gesteckt. Allein das Miterleben eines so großen Events ist für uns das höchste. Die Paralympics sind das Hauptziel, von dem immer alle geredet haben. Man arbeitet die ganze Zeit auf dieses Ziel hin. Ich kann das gar nicht so gut in Worte fassen.

noe.ORF.at: Apropos WM: Du hast vier Medaillen in Lillehammer geholt, davon zwei in Gold. Hast du damit gerechnet?

Aigner: Die Medaille im Superski hat uns überrascht, aber wir haben alles gegeben und es ist gut aufgegangen. Es ist einfach ein sehr schönes Gefühl, wenn man den Einser sieht. Es war unsere erste WM, unser erstes großes Event.

noe.ORF.at: Du fährst mit einem Guide. Das heißt, beim Skifahren fährt jemand vor dir, dem du nachfahren kannst, weil du ja nur sehr wenig siehst. Wie kann man sich das vorstellen?

Aigner: Ich sehe unter zehn Prozent. Mein Guide Matteo hat ein neongelbes Leiberl an, das verfolge ich. Und wenn das Leiberl nicht zu sehen ist, dann fixiere ich mich auf die Hose. Wir sind per Funk verbunden. Er sagt mir Unregelmäßigkeiten auf der Piste an, also lange Schwünge oder eisige Übergänge – im Grunde alles, was er visuell wahrnehmen kann. Das funktioniert sehr gut.

Johannes Aigner und sein Guide Matteo umarmen sich auf der Piste
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Ein starkes Team: Johannes Aigner (re.) und sein Guide Matteo

noe.ORF.at: Hast du keine Angst?

Aigner: Nein. Den Adrenalinschub, den man da hat, ist ein Kick für mich. Den brauche ich.

noe.ORF.at: Ist es schwierigz, den richtigen Guide zu finden? Denn er muss ja schneller fahren können als du.

Aigner: Ja, man muss auch harmonieren. Es bringt ja nichts, wenn man zwar auf der Piste gut ist, aber sonst keinen Kontakt hat. Ich bin mit Matteo auch befreundet, wir machen auch abseits der Piste viel – zum Beispiel schrauben wir an seinem Käfer herum. Er ist sehr auf Oldtimer fixiert, da fällt uns immer etwas ein.

noe.ORF.at: Besteht nicht die Gefahr, dass du ihn einmal überholst und schneller wirst?

Aigner: Derzeit passt das Tempo noch. Der Guide muss genauso weitertrainieren und sich weiterentwickeln wie ich. Aber das passt. Matteo war selbst im Leistungssport, er ist zwei Jahre FIS gefahren.

noe.ORF.at: Woher kommt die Liebe zum Sport? Deine Geschwister sind ja auch erfolgreiche Para-Skisportler.

Aigner: Sicher nicht von Mama und Papa (lacht). Beide haben mit Skifahren nichts zu tun. Es war meine ältere Schwester Lisi – gemeinsam mit Irmi. Sie haben einen Skikurs am Semmering besucht, den wir mitbekommen haben und dann auch immer mitgefahren sind. Man wächst so rein und wenn man, so wie ich, einen Kick braucht, dann ist das relativ geil.

Johannes Aigner und Eva Steinkellner-Klein
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Johannes Aigner und Eva Steinkellner-Klein beim Interview für noe.ORF.at

noe.ORF.at: Wie viele Entbehrungen musste deine Familie schon auf sich nehmen, um das alles auf die Beine zu stellen?

Aigner: Der Aufwand ist riesig. Skifahren ist ein teurer Sport, in den wirklich schon Unsummen geflossen sind. Auch von der Zeit her: Papa hat uns dauernd mit dem Bus irgendwo hinbringen müssen. Jetzt ist es besser, weil wir im Kader sind. Aber ich weiß nicht, ob ich mir das antun würde, wenn meine Kinder Skifahren würden. Das würde ich mir schon zwei Mal überlegen.

noe.ORF.at: Momentan ist bei euch sehr viel los. Es war auch nicht einfach, einen Termin für dieses Interview zu finden. Bleibt eigentlich Freizeit?

Aigner: Wenn Freizeit bleibt, dann mag ich heim und entspannen und ausschlafen, einfach das Zuhausesein genießen. Sonst bastle ich gern an elektronischen Sachen herum, das ist mein Hobby.

noe.ORF.at: Wie geht sich dein Sport eigentlich mit der Schule aus?

Aigner: Ich gehe ins Trainingszentrum in Waidhofen an der Ybbs. Da hat man von Dezember bis Ende März Rennferien und wenn du ein Rennen hat, bekommt man frei. Man müsste das ganze Jahr nicht in der Schule sein, aber man muss am Ende des Jahres die Abschlussprüfung ablegen. Im Frühling, wenn die Saison gelaufen ist, muss man schon schauen, dass man den Stoff, bei dem man monatelang gefehlt hat, wieder einholt. Da muss ich dann durchbeißen, aber das werde ich schon hinkriegen.

noe.ORF.at: Wenn man sich bei euch im Haus so umschaut, stehen überall Medaillen, Auszeichnungen und Pokale. Weißt du, wie viele es sind?

Aigner: Nein, genau weiß ich das nicht. Ich weiß nur, dass die Kästen immer voller werden und dass Papa die ganze Zeit am Werken und Bauen ist, damit wir noch irgendwo etwas abstellen können (lacht).