Gregorianischer Choral
Stift Heiligenkreuz/Elisabeth Fürst
Stift Heiligenkreuz/Elisabeth Fürst
Religion

Heiligenkreuz: Musikalisch weltweit bekannt

Gregorianische Choräle sind hunderte Jahre alt. Österreichweit gibt es keinen Ort, der für diese speziellen Klänge bekannter ist als Heiligenkreuz und es zu weltweiter Bekanntheit geschafft hat. Ein adventliches Interview zu scheinbar zeitloser Kirchenmusik.

Kaum eine Zeit des Jahres ist hektischer als der Advent und kaum eine ist ruhiger – je nachdem, wie man sie auslegt. Und zu kaum einer Zeit singen mehr Menschen als zu Weihnachten. Selbst jene, die sonst kaum dazu zu bewegen sind, lassen sich am Heiligen Abend beim Christbaum zu einem „Stille Nacht, Heilige Nacht“ bewegen und gehen rund um Weihnachten gerne zu Konzerten, die sie zu anderen Zeitpunkten des Jahres kaum besuchen – ob Gospelchöre, Turmbläserensembles oder Gregorianische Choräle.

Ein Ort, der sich weit über die österreichischen Landesgrenzen hinaus mit Gregorianischem Choral einen Namen gemacht hat, ist das Stift Heiligenkreuz (Bezirk Baden) im Wienerwald. Ein Schwerpunkt des Klosters ist die Pflege der Gregorianischen Gesänge in italienischer Sprache.

Ordensbrüder zwischen stillem Gebet und Charterfolgen

Dass diese alte Tradition auch heute noch gefragt ist, bewies spätestens das Jahr 2008, als Musikproduzenten des Plattenkonzerns Universal Music in den Wienerwald reisten, um dort in der Klosterkapelle eine CD aufzunehmen, die kurze Zeit später in die internationalen Charts aufstieg und hunderttausende Male verkauft wurde. Aufmerksam geworden waren sie auf das niederösterreichische Kloster durch einen Besuch des Papstes im Jahr davor.

Spätestens seit der plötzlichen Berühmtheit durch die CD und darauffolgende Auftritte in Fernsehen und Radio wurde das Kloster zu einem Besuchermagneten. Tausende Menschen aus aller Welt wollten den Ursprungsort der Klänge aus der Nähe kennenlernen und das Kloster wusste dieses Interesse durchaus zu nützen.

Einer von jenen, die diese charakteristischen Klänge fördern und weiter bekannt machen, ist der Prior des Stiftes Heiligenkreuz, Pater Johannes Paul Chavanne. Erst in diesem Jahr hat er ein Buch herausgegeben, das sich der Faszination des Gregorianischen Chorals widmet. Im Interview mit noe.ORF.at erzählte er von seinen Erfahrungen mit Besucherströmen, den darauffolgenden pandemiebedingt ruhigen Jahren im Kloster und warum die alten Klänge auch heute noch große Wirkung haben.

Stift Heiligenkreuz
Stift Heiligenkreuz/Elisabeth Fürst

noe.ORF.at: Der Besuch von Papst Benedikt im September 2007 hat Heiligenkreuz weltweit ins Rampenlicht gerückt – und im Speziellen Ihren Gregorianischen Choral. Was ist heute noch davon übrig?

Pater Johannes Paul Chavanne: Seinen Besuch haben 2007 mehrere Tausend Menschen bei uns im Stift Heiligenkreuz miterlebt. Das war schon ein wirklich historisches Ereignis. Heute erinnert eine Inschrift an dem Fenster, von dem aus er zu den Menschen gesprochen hat und sie gesegnet hat, an den Besuch. Die Hochschule Heiligenkreuz trägt den Namen des emeritierten Papstes, unser Abt Maximilian ist Mitglied in seinem Schülerkreis und seine Theologie prägt viele von uns. Der Papst hat uns ermutigt: Wenn Ihr das Chorgebet haltet, dann ist das eine Botschaft an die Welt von heute und er hat die Menschen ermutigt, die Klöster neu zu entdecken. Also das hat schon etwas bewirkt, das bis heute weiterwirkt.

Melodien, die sich in Kirchen „besonders entfalten“

Pater Johannes Paul Chavanne
Stift Heiligenkreuz/Elisabeth Fürst
Pater Johannes Paul Chavanne

noe.ORF.at: Heiligenkreuz lockt – normalerweise- Jahr für Jahr unzählige Besucherinnen und Besucher in die Wienerwaldgemeinde – erst recht seit Ihrem CD-Erfolg. Fehlten Ihnen die Besucherströme seit Ausbruch der Pandemie?

Chavanne: Natürlich! Die Pandemie hat den Tourismus zeitweise zum Erliegen gebracht. Das haben auch wir gespürt wir. Was wir aber merken: Es kamen dann umso mehr Österreicher. Der Wienerwald, unsere historische Klosteranlage, die geistlich-spirituelle Kraft, der Gregorianische Choral und nicht zuletzt der Klostergasthof werden von allen jetzt umso mehr geschätzt.

noe.ORF.at: In Ihrem neuen Buch schreiben Sie, dass jeder Mensch lernen kann, Gregorianischen Choral zu singen. Ist das so?

Chavanne: Ja, es gibt ja Chöre aller Art. Viele singen auch bei Gottesdiensten. Warum nicht auch einmal ein Messordinarium im Gregorianischen Choral einstudieren und in der Pfarrmesse singen? Als ich Kaplan in Würflach (Bezirk Neunkirchen, Anm.) war, gab es einige Termine, an denen eine Männerschola Choral in der Messe gesungen hat. Das waren mitunter die bestbesuchten Gottesdienste im Jahr. Und nachher sind Leute gekommen und haben gesagt: „Das hat mich so stark berührt.“ Diese alten Melodien haben eine besondere Kraft und Ausstrahlung und sie entfalten sich besonders in einem Kirchenraum. Das spürt jeder.

noe.ORF.at: Was beim Lesen überrascht: Sie meinen, dass gregorianischer Choral und Rap gemeinsame Wurzeln haben und dieser Behauptung ein ganzes Kapitel gewidmet? Wie kommen Sie zu dem Schluss?

Chavanne: Das ist ein bisschen mit einem Augenzwinkern gesagt. Fakt ist aber: Die Urform des Chorals war die, dass in den ägyptischen Mönchsgemeinschaften ab dem 3. Jahrhundert nach Christus die Bibeltexte in einer Art Sprechgesang rezitiert wurden und dann immer mehr mit Melodien angereichert wurden – so ist der Choral entstanden. Und die alten, bärtigen Wüstenmönche haben vielleicht ähnlich ausgeschaut wie manche coole Musikertypen heute.

Das Buch „Wie der Himmel klingt. Eintauchen in die Musik der Stille mit dem Gregorianischen Choral“ ist 2022 im Styria Verlag erschienen.

noe.ORF.at: Gregorianische Choräle wollen christlichen Glauben in die Welt tragen. Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass die Musik aber auch Menschen anspricht, die sich selbst vielleicht nicht unbedingt als gläubig bezeichnen würden?

Chavanne: Der Gregorianische Choral vermittelt Frieden, Harmonie, Ruhe und Ausgeglichenheit. Viele – auch Nichtgläubige – haben mir das schon gesagt: „Nach ein paar Minuten bei eurem Chorgebet werde ich ruhig und fühle mich getröstet.“ Diese Melodien bewirkten etwas Besonders in uns Menschen. Der Inhalt der Lieder ist dabei der Glaube an Gott und das Bekenntnis zu Jesus. Manche sagen: „Diese Musik hat mich für Gott geöffnet."

noe.ORF.at: Kaum ein anderer Ort in Österreich ist so stark mit der Welt des Gregorianischen Chorals verknüpft wie das Stift Heiligenkreuz. Warum ausgerechnet hier? Was ist hier so „stimmig“?

Chavanne: Ich frage mich das auch oft. Heiligenkreuz ist wirklich ein Gnadenort. Manchmal kommen Menschen in unseren Hof oder in die Klosterkirche und sagen: „Es ist so friedlich hier“, oder sie staunen und sagen: „Hier ist eine besondere Kraft.“ Ich sage dann: „Was Du spürst, ist die Kraft von 900 Jahren ununterbrochenem Gebet an diesem Ort.“ Das ist das Geheimnis: Wir glauben an Gott und wollen offen sein für seine Liebe in dieser Welt.