Februarkämpfe 1934 St. Pölten
Stadtarchiv St. Pölten
Stadtarchiv St. Pölten
Politik

SPÖ gedachte der Februarunruhen 1934

Mit einer Podiumsdiskussion gedachte die SPÖ Niederösterreich der blutigen Februarunruhen des Jahres 1934, bei denen mehrere hundert Menschen getötet wurden. Es brauche heute mehr Respekt im Umgang miteinander, laute eine der Lehren aus dieser Zeit.

Am späten Vormittag des 12. Februar 1934 blieben in Wien die Straßenbahnen stehen. Es war dies eines der äußeren Zeichen zum Beginn des Aufstands des Republikanischen Schutzbunds, des militärischen Arms der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, gegen ein autoritäres Regime unter der Führung des christlichsozialen Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß.

In der Nacht davor gab es bereits Schusswechsel in Linz. Ein Generalstreik wurde ausgerufen, der nur wenige Stunden hielt. Bis zum 15. Februar dauerten die Kämpfe in mehreren österreichischen Industriestädten an, hunderte Menschen wurden getötet. Es war jene Phase, in der Dollfuß, der bereits im Jahr davor das Parlament ausgeschaltet hatte, die marxistisch orientierten Gegenkräfte seiner Politik entwaffnen ließ, um seine Macht zu festigen.

Diskussion um die Benennung der Dollfuß-Ära

Kaum eine Zeit der österreichischen Geschichte ist so umstritten zwischen den beiden Parteien ÖVP und SPÖ wie die Regierungszeit Dollfuß’. Allein die verschiedenen Bezeichnungen wie „Kanzlerdiktatur“, „Ständestaat“ oder „Austrofaschismus“ verdeutlichen die spannungsgeladenen Deutungsmuster. Für den Politikwissenschaftler Emmerich Talos ist die Sache klar: „Austrofaschismus“.

„Mit dem Begriff Kanzlerdiktatur wird nur ein bestimmter Moment des Herrschaftssystems definiert, aber mit meinem favorisierten Begriff wird versucht, das System insgesamt zu erfassen: Austrofaschismus. Zum Terminus Ständestaat: Es war nie ein Ständestaat, und dennoch hat der Begriff dazu gedient, um alles, das dahinter steckt, irgendwie unter den Tisch zu kehren“, führte Talos weiter aus.

Lucile Dreidemy Emmerich Talos und Franz Schnabl bei einer Diskussion der SPÖ über Dollfuß
ORF/Hannes Steindl
Die Historikerin Lucile Dreidemy, der Politologe Emmerich Talos und SPÖ-Vorsitzender Franz Schnabl (v.l.) diskutierten im Landhaus in St. Pölten über Engelbert Dollfuß

Für das Heute mehr Respekt gefordert

In der langen und vielschichtigen Diskussion, die vor Kurzem im Milleniumssaal des Niederösterreichischen Landhauses in St. Pölten stattfand, wurde auch versucht, den Konnex zum Heute herzustellen, was man aus dem politischen und wirtschaftlichen Agieren und den Fehlern von damals lernen könne. Die Lehre, so waren sich alle einig, heißt Reflektieren der eigenen Meinung und Respekt vor der Gesinnung und der Lebensweise des anderen, auch wenn sie einem nicht gefällt.

Es gehöre, wie die Entwicklungen der letzten Jahre gezeigt habe, eine neue respektvolle Streitkultur in der politischen Auseinandersetzung entwickelt. Aber auch eine Kultur des respektvollen Zusammenlebens in der Gesellschaft sei gefragt, hin zu einer offenen Gesellschaft, in der die unterschiedlichsten Sicht- und Lebensweisen Platz haben. Es wurde aber auch unterstrichen, dass die demokratischen Institutionen früh, klar und entschieden verteidigt werden müssen.

Mythos Dollfuß beginnt früh

Die weitere Diskussionsteilnehmerin am Podium war die Historikerin Lucile Dreidemy, die vor Jahren mit einer Dollfuß-Biografie auf sich aufmerksam machte. Sie wies darauf hin, dass Dollfuß bereits in Karikaturen seiner Zeit als Marionette der großen Diktatoren – Benito Mussolini im Süden und Adolf Hitler im Norden – hingestellt wurde. Er hätte aber sehr wohl Handlungsspielraum gehabt und habe diesen eben in Richtung eigener Herrschaft gelenkt.

„Ab 1932 wäre eine Möglichkeit gewesen, mit den Sozialdemokraten Koalitionsverhandlungen zu führen. Das wäre gewiss nicht einfach gewesen, weil es sehr starke sozialpolitische Zugeständnisse gebraucht hätte. Er hätte den Schritt aber versuchen können, doch er hat sich für eine Zusammenarbeit mit der Heimwehr ausgesprochen. Solche Beispiele gibt es viele.“

SPÖ: Aus Dollfuß-Museum könnte Gedenkstätte werden

Vor diesem Hintergrund müsse man über das umstrittene und derzeit geschlossene Dollfuß-Museum in Texingtal (Bezirk Melk) anders herangehen, sagte SPÖ-Landesparteivorsitzender Franz Schnabl. Er halte alleine die Bezeichnung Museum für problematisch.

Der austrofaschistische Weg müsse zu einer anderen Art des Erinnerns im Dollfuß-Geburtshaus führen, so Schnabl weiter: „Der Weg, der entstanden ist, sollte uns eigentlich anleiten, hier mahnend zu wirken und statt mit einem Museum mit einer umfassenden Gedenkstätte mit einem Mahnmal und einer Mahneinrichtung zu agieren. Im Sinn von ‚Nie mehr wieder‘“, so Schnabl.