Paul Flora
Othmar Kopp/Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg
Othmar Kopp/Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg
Kultur

„100 Jahre Paul Flora“ im Karikaturmuseum

Im Karikaturmuseum Krems wird ab Sonntag die Ausstellung „100 Jahre Paul Flora. Von bitterbös bis augenzwinkernd“ gezeigt. In der Schau zum 100. Geburtstag des 2009 verstorbenen Zeichners sind bekannte Motive ebenso zu sehen wie frühe Arbeiten ab 1935.

Anlässlich der 100. Wiederkehr des Geburtstags von Paul Flora (1922 – 2009) widmen das Karikaturmuseum Krems und die Paul Flora Nachlassvertretung dem Zeichner, Karikaturisten und Illustrator eine Retrospektive, die bis 29. Jänner 2023 zu sehen ist. Zeichnungen, Karikaturen und Bildfolgen des satirischen Geschichtenerzählers bestimmen die Auswahl der Werke.

Flora über Flora

„Ich bin kein Karikaturist, sondern ein Zeichner! Es könnte allerdings sein, dass meine Zeichnungen oft wie Karikaturen wirken.“

Mit Tusche und Feder erschuf Paul Flora in seinen Zeichnungen „ein eigenes Universum, bevölkert von Geistern und Harlekins, Poeten und Sphinxen, Geheimagenten, Marionetten, verwurzelten Tirolern und venezianischen Pestdoktoren. Der gebürtige Südtiroler konstruierte wundersame Landschaften mit eigenwilligen Architekturen, Kugeln, Penthäusern, Lokomotiven und Fluggeräten“, heißt es auf der Website des Karikaturmuseums. Floras Zeichnungen werden als Erzählungen voller Poesie und Ironie bezeichnet, wobei Vergangenheit und Gegenwart in ein spezifisches Verhältnis zueinander treten. Immer wieder brachte der Künstler die Lagunenstadt Venedig aufs Papier. Bekannt sind auch seine Darstellungen von Raben, die menschliches Verhalten versinnbildlichen.

Paul Flora, der „Bilderschriftsteller“

„In der Retrospektive sind rund 170 Originale von Paul Flora präsentiert. Damit erhalten Besucherinnen und Besucher einen vielschichtigen Einblick in die über 70-jährige Schaffenszeit des österreichischen Künstlers“, so Gottfried Gusenbauer, künstlerischer Direktor des Karikaturmuseum Krems, der mit Thomas Seywald von der Paul Flora Nachlassvertretung diese Ausstellung kuratierte. Die ausgestellten Originale stammen aus der Sammlung der Nachlassvertretung in Salzburg, der Galerie Thomas Flora in Innsbruck, der Galerie Seywald in Salzburg, aus Privatbesitz und aus den Landessammlungen Niederösterreich.

Paul Flora
APA/Herbert Pfarrhofer
Paul Flora (1922 – 2009)

Ein Rundgang durch die Ausstellung führt von Schülerzeichnungen und satirischen Geschichten aus den frühen Schaffensjahren bis zu seinen bekannten und beliebten Motiven. Eine Auswahl von gesellschaftspolitischen Zeichnungen für die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“ in den Jahren von 1957 bis 1971 und Fotos seiner „Karikaturen-Verbrennungen“ loten die besondere Beziehung von Flora zur Karikatur aus. Der deutsche Schriftsteller Erich Kästner sah in Flora einen „Bilderschriftsteller“. Paul Flora wird zu den herausragenden europäischen Zeichnern des vergangenen Jahrhunderts gezählt.

Zaubern mit dem Strich

„Er kann, Strich an Strich setzend, sogar Schnee aufs Blatt bringen und mit schwarzer Tusche den Eindruck von blendendem Weiß erzeugen.“
Karl-Markus Gauß

Ein Querdenker und ein Unbequemer

„Paul Flora war eine außergewöhnliche Persönlichkeit von großer Popularität. Er war ein Querdenker und ein Unbequemer, der Stellung bezog, mitredete und mitgestaltete“, so Kurator Gottfried Gusenbauer. „Er hatte von Anfang an einen genialen Strich“, sagt Schwiegersohn und Nachlassverwalter Thomas Seywald. „Man braucht Talent, Hirn und handwerkliches Können. Paul Flora hatte das alles – da war er mit Picasso durchaus auf Augenhöhe.“

Flora wurde am 29. Juni 1922 in Glurns im Vinschgau, Südtirol geboren. Von 1942 bis 1944 war er in den Zeichenklassen von Adolf Schinnerer und Olaf Gulbransson an der Akademie der Bildenden Künste München eingeschrieben.

1945 hatte er seine erste Einzelausstellung in Bern, zwei Jahre später erschien Floras erstes Buch „Der Mensch denkt“. Die Zusammenarbeit mit Diogenes folgte 1953, an die 30 Bücher brachte Flora beim Schweizer Verlag heraus, viele weitere von anderen Autorinnen und Autoren illustrierte er. War sein zeichnerisches Frühwerk stark von Alfred Kubin beeinflusst, entwickelte der Künstler ab 1950 konsequent seinen unverkennbaren Stil, geprägt von Vielfalt und Ausdrucksreichtum.

Fotostrecke mit 6 Bildern

Paul Flora, Das Gespräch des Raben mit dem Hahn II, 1987
Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg & Diogenes Verlag AG, Zürich
Paul Flora, Das Gespräch des Raben mit dem Hahn II, 1987
Paul Flora, Das Gespräch der Raben, 2009
Galerie Seywald, Salzburg
Paul Flora, Das Gespräch der Raben, 2009
Paul Flora, Die schwarze Kugel, 1985
Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg & Diogenes Verlag AG, Zürich
Paul Flora, Die schwarze Kugel, 1985
Paul Flora, Ein lieber Freund, 1967
Galerie Seywald, Salzburg
Paul Flora, Ein lieber Freund, 1967
Paul Flora, Großer Gipfelsturm II, 1979
Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg & Diogenes Verlag AG, Zürich
Paul Flora, Großer Gipfelsturm II, 1979
Paul Flora, Duell, 1949
Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg
Paul Flora, Duell, 1949

Auch während seiner international erfolgreichen Tätigkeit als politischer Karikaturist für „Die Zeit“ verstand sich Flora stets als Zeichner. Zeitlebens arbeitete er von seinem Wohnhaus in der Hungerburg, einem Stadtteil Innsbrucks, aus. Flora galt als wichtiger Förderer der österreichischen Kunstszene. Er initiierte den Österreichischen Grafikwettbewerb und war Mitbegründer der Galerie im Taxispalais in Innsbruck, für die er von 1964 bis 1992 zahlreiche Ausstellungen kuratierte. Paul Flora, der zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhielt, starb am 15. Mai 2009.

„Raben umgibt eine Aura des Unglücks und der Weisheit“

„Intellektuelle Reflexion, technische Meisterschaft und die Vorliebe für das originelle, etwas abseitige Sujet zeichnen Floras Gesamtwerk aus. Skurrile Menschendarstellungen und detaillierte Architekturen bis hin zu riesigen Kugeln durchziehen seine Arbeiten“, sagt Kurator Gottfried Gusenbauer. Populär sind Floras Raben mit ihren spitzen Schnäbeln. Er zeichnete sie oft und in unverwechselbarer Manier.

Den Impuls, die Singvögel abzubilden, gab ein ausgestopfter Rabe, den der Künstler geschenkt bekommen hatte und der auf seinem Schreibtisch stand. Dass der Rabe sein Wappentier sei, widerlegte Flora auf seine Art humorvoll und lapidar: „Apropos Raben: Mit denen hat es weiters nichts Geheimnisvolles auf sich. Käufer meiner Zeichnungen wollen mitunter Raben und so zeichne ich mitunter eben solche.“ Und: „Raben sind tief, düster, und es umgibt sie eine Aura des Unglücks und der Weisheit, und sie dienen den Balladendichtern und den sonstigen Poeten zur vielfachen Anregung.“

„Diese Lagunen … wahre Orte der Melancholie“

Auf ähnlich großes Interesse stießen die Venedig-Motive. Anstatt die Lagunenstadt als Sehnsuchtsort zu zeigen, hüllte der Künstler sie in einen düsteren Schleier. Allgemein sind Floras Werke von einem melancholischen Grundtenor durchzogen. Begriffe wie Verzweiflung und Traurigkeit würden die subtile Stimmung seiner gezeichneten Züge fälschlicherweise vereinfachen. Gottfried Gusenbauer: „Schon im nächsten Moment lugen die Gespenster der Nacht um die Ecke. Es sind Vampire, Wiedergänger und Marionetten, die von ihren Fesseln befreit heraneilen, um nächtlichen Karneval zu feiern. Denn auch der feine Humor hat in Floras Werken seinen Platz.“

Fotostrecke mit 5 Bildern

Paul Flora, Venezianische Maskerade II, 2000
Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg & Diogenes Verlag AG, Zürich
Paul Flora, Venezianische Maskerade II, 2000
Paul Flora, Rabenmutter, undatiert
Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg
Paul Flora, Rabenmutter, undatiert
Paul Flora, Lustige Witwe, 1972
Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg & Diogenes Verlag AG, Zürich
Paul Flora, Lustige Witwe, 1972
Paul Flora, Mord, 1965
Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg & Diogenes Verlag AG, Zürich
Paul Flora, Mord, 1965
Paul Flora, Nostalgische Anlage / Penthouses, 1974
Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg & Diogenes Verlag AG, Zürich
Paul Flora, Nostalgische Anlage / Penthouses, 1974

„Diese Lagunen, nicht Land, nicht Meer, verschlammte See durchsetzt von Inseln, meist verlassen, mit Mauerresten aufgegebener Klöster und Landwirtschaften, auch Irrenhäusern, sind wahre Orte der Melancholie“, schrieb Paul Flora über Venedig.

„Mit dem Zeitgeist hat er nichts am Hut gehabt“, erinnert sich seine Witwe Ursula Ganahl-Flora. Immer habe er gesagt: „Die, die sich dem anpassen, was gerade Mode ist, sehen ein Jahr später die Leichen ihrer Zeitgeister vorbeischwimmen.“

14 Jahre und 3.000 Karikaturen für „Die Zeit“

1957 gewann Marion Gräfin Dönhoff, Chefredakteurin und Mitherausgeberin der „Zeit“, Paul Flora als Karikaturisten für das Hamburger Blatt. Bis 1971 schickte der Künstler regelmäßig Karikaturen von Innsbruck nach Hamburg. Innerhalb von 14 Jahren gestaltete Flora – der laut Dönhoff „augenzwinkernd und ein wenig amüsiert außerhalb stand“ – mehr als 3.000 eigenständige Blätter für die deutsche Wochenzeitung.

Ausstellungshinweis

„100 Jahre Paul Flora. Von bitterbös bis augenzwinkernd“, von 20.2.2022 bis 29.1.2023, Karikaturmuseum Krems, täglich 10.00 bis 18.00 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Katalog (120 Seiten, 30 Euro) erschienen.

Etliche von ihnen wurden von internationalen Blättern wie „The Times“ oder „The Observer“ übernommen. Inspiration für seine Inhalte erhielt Flora bei der Morgenlektüre von Zeitungen. Zu seinen politischen Lieblingszielen zählten Politiker wie etwa Franz Josef Strauß, Gamat Abdel Nasser, Ludwig Erhard und Charles de Gaulle. Mit seinen politischen Zeichnungen prägte der Künstler nicht nur das Gesicht der „Zeit“ mit, sondern maßgeblich auch die deutsche Karikaturenlandschaft.

Trotz des damit verbundenen internationalen Renommees sah Flora diese Tätigkeit nie als etwas Besonderes an. Er urteilte darüber: „Ich habe mich als Karikaturist betätigt, da ich die Fähigkeit dazu hatte. Aber ich habe mich immer als Zeichner verstanden und fand es gleichgültig, was ich zeichnete, sofern es Qualität hatte."