Arbeiter in einem Magna-Werk
ORF.at/Sonja Ryzienski
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Wirtschaft

Ukraine: Industrie sieht Versorgung in Gefahr

Die Eskalation der Krise in der Ukraine sorgt auch in Niederösterreich für Unruhe. Kurz- bis mittelfristig ortet die Industriellenvereinigung mögliche Engpässe bei der Gasversorgung. Nicht systemrelevante Betriebe könnten demnach bald vom Netz genommen werden.

Seit etlichen Monaten kämpfen neben Haushalten auch Wirtschaftsbetriebe mit hohen Energiekosten. Die Gasspeicher sind bereits vergleichsweise leer. Der eskalierende Konflikt zwischen Russland und der Ukraine könnte jetzt auch zu einer Eskalation in der heimischen Gaskrise führen, meint Thomas Salzer, Präsident der Industriellenvereinigung Niederösterreich (IVNÖ).

Problematisch sieht Salzer weniger eine nun drohende Stilllegung der neuen Pipeline Nord Stream 2 – immerhin wurde die fertige Röhre ja bisher noch nicht in Betrieb genommen –, sondern weitere Lieferausfälle bei der bestehenden Infrastruktur. Auf diese Weise komme in Österreich schon jetzt kaum Gas an. „Wenn über die bestehenden Leitungen noch weniger käme, könnte es zu einer Gasknappheit kommen“, befürchtet der IVNÖ-Präsident. „Dann hätten wir das Problem, dass Produktionen, die nicht systemrelevant sind, möglicherweise abgedreht werden müssen – mit allen möglichen Folgen.“

Abhängig sei die weitere Entwicklung der Gas-Speicherstände jedenfalls auch vom Wetter in Österreich. „Sollte es noch einmal zu einer echten Kältewelle von 14 Tagen kommen, dann haben wir wirklich ein Problem“, sagt der Vertreter der niederösterreichischen Industrie.

„Tut unserer Wirtschaft sehr weh“

Unklar ist, was die jüngsten Eskalationsschritte in der Ukraine konkret für die gesamte heimische Wirtschaft bedeuten. Eine Abschätzung der Folgen sei erst möglich, wenn klar ist, welche Sanktionen von beiden Seiten verhängt werden. Das betont am Dienstag auch Wolfgang Ecker, Präsident der Wirtschaftskammer Niederösterreich.

Für IV-Präsident Salzer ist jedenfalls klar: „Die USA tun sich relativ leicht damit, Sanktionen gegen Russland auszusprechen, weil die amerikanische Wirtschaft mit der russischen Wirtschaft nicht sehr verwoben ist. Unserer Wirtschaft tut es natürlich sehr weh.“

IV NÖ
ORF
IVNÖ-Präsident Thomas Salzer

Enge wirtschaftliche Verflechtungen

Maschinen und Kessel sind die Exportschlager aus Niederösterreich nach Russland. Mit 155 Millionen Euro machten sie 2020 fast 50 Prozent des Exportvolumens niederösterreichischer Güter nach Russland aus. Wenn diese Geschäftsbeziehungen wegfielen, wäre das ein großer Schaden für die heimische Wirtschaft, sagt der Leiter der Abteilung Außenwirtschaft der Wirtschaftskammer Niederösterreich Patrick Hartweg.

Sollte es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen der Ukraine und Russland kommen, so rechnet Hartweg mit einer Verschärfung der Sanktionen der westlichen Länder gegen Russland. Diese wären ein großer Nachteil für den Wirtschaftsstandort Niederösterreich, so Hartweg: „Politisch können sie sinnvoll sein, wirtschaftlich schneiden wir uns ins eigene Fleisch.“ Im schlimmsten Fall würden finanzpolitische Sanktionen drohen. Konkret würde dies etwa einen Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-Zahlungsnetzwerk bedeuten. „Unsere Firmen könnten dann auf legalem Weg kein Geld mehr aus Russland bekommen“, so Hartweg.

Semmering: Betrieb nicht gefährdet

Gelassener werden dagegen die Geschäftsbeziehungen mit der Ukraine gesehen. Im ukrainischen Werk der Agrana laufe die Produktion normal, heißt es auf Anfrage von noe.ORF.at. „Die aktuelle politische Krise hat derzeit keine Auswirkungen auf unsere Produktionsstandorte in der Ukraine“, so Unternehmenssprecher Markus Simak. Die Agrana produziert seit 1997 Fruchtsaftkonzentrat für den regionalen Markt im 300 km südlich von Kiew gelegenen Winnyzja.

Auch am Semmering (Bezirk Neunkirchen), wo die ukrainische Investorengruppe „Panhans-Holding“ Bergbahnen und Hotels betreibt, gibt man sich betont ruhig. Der Betrieb am Semmering werde auch im Kriegsfall weiterlaufen, so Geschäftsführer Viktor Babushchak. Auch die laufenden Finanzierungen aus der Ukraine zur Renovierung der Hotels wären davon nicht betroffen.