Politik

Zweitwohnsitzer-Wahlrecht ist Geschichte

Ab 1. Juni sind in Niederösterreich nur mehr Hauptwohnsitzer bei Gemeinderats- und Landtagswahlen stimmberechtigt. Das haben die im Landtag vertretenen Parteien einstimmig beschlossen. Die Abschaffung war längst überfällig, sagte Politikberater Thomas Hofer.

Der niederösterreichische Landtag beschloss in seiner Sitzung am Donnerstag einstimmig eine Wahlrechtsreform. Damit sind ab 1. Juni nur mehr Hauptwohnsitzer und nicht wie bisher auch Nebenwohnsitzer bei Urnengängen auf Landes- und Gemeindeebene stimmberechtigt. Weiters wurde eine Sitzverteilung gemäß dem Verfahren nach d’Hondt beschlossen.

ÖVP-Mandatar Martin Michalitsch (ÖVP) bezeichnete die Reform als „Wendepunkt in der Wahlrechtsentwicklung“ und als „Entwurf von historischer Bedeutung zur rechten Zeit“. Mit der Neuregelung habe man auf entsprechende Forderungen der Gemeindevertreter reagiert, sagte der Obmann des Rechts- und Verfassungsausschusses. Den von SPÖ und NEOS kritisierten Grundsatz „Name vor Partei“ verteidigte er.

Vielkritisierte nicht amtliche Stimmzettel weiter gültig

SPÖ-Abgeordneter Hannes Weninger begrüßte, dass zumindest ein Punkt des geforderten Wahlrechtspakets umgesetzt werde. Wie die FPÖ und NEOS verlangte er weiters die Abschaffung von nicht amtlichen Stimmzetteln. Außerdem forderte Weninger das Aus für den Grundsatz „Name vor Partei“. FPÖ-Mandatar Dieter Dorner sprach von einer „historischen Stunde“: „Heute ist ein guter Tag für die Demokratie in Niederösterreich“, weil künftig der Grundsatz „One man, one vote“ gelte.

NEOS-Abgeordneter Helmut Hofer-Gruber bezeichnete die Neuregelung als „Reförmchen“. Positiv merkte er an, dass „Klarheit“ beim Wahlrecht geschaffen werde. Hofer-Gruber forderte weiters die Abschaffung von nicht amtlichen Stimmzetteln und des Grundsatzes „Name vor Partei“. Grünen-Fraktionsobfrau Helga Krismer begrüßte „klare Verhältnisse beim Wahlrecht“ sowie „Sicherheit für den Wahlentscheid und den Wähler“ durch die Reform. Sie übte Kritik am Proporzsystem und forderte eine Zweitwohnsitzerabgabe sowie mehr Transparenz bei den Parteifinanzen.

Alle 51 anwesenden der insgesamt 56 Landtagsmandatare votierten für die Reform. Zustimmung kam somit von ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS. Der fraktionslose Abgeordnete Martin Huber war für die Sitzung entschuldigt.

Hofer: „Tendenziell der ÖVP und den Grünen genützt“

Das Wahlrecht für Zweitwohnsizter war immer umstritten, vor allem weil es kurz vor Wahlen zu vielen Nebenwohnsitzmeldungen gekommen ist. Die Abschaffung wurde jetzt aber mit der Einführung des flächendeckenden Parkpickerls in Wien begründet. „Die Abschaffung war eigentlich längst überfällig“, sagte dazu Politikberater Thomas Hofer, „denn es kam immer wieder zu Situationen, wo man den Eindruck hatte, dass aus wahltaktischem Kalkül Dinge passiert sind, die keinen schlanken Fuß machen in einer Demokratie“.

Politologe zur Wahlrechtsreform

Politikberater Thomas Hofer analysiert die Wahlrechtsreform, die am Donnerstag im Landtag beschlossen worden ist.

Auf die Frage, wem das Wahlrecht der Zweitwohnsitzer bisher genützt und geschadet habe, sagte Hofer, es habe „bisher sicher tendenziell der ÖVP und den Grünen genützt und der FPÖ und der SPÖ nicht wirklich was gebracht, sondern eher das Gegenteil davon“. Auch die „Name vor Partei“-Regel und die nicht amtlichen Stimmzettel würden weiter kritisiert werden, sagte Hofer im Interview mit „NÖ heute“-Moderatorin Claudia Schubert, aber eine Änderung dieser Aspekte hält der Politikberater für unwahrscheinlich.

Getrennte Abstimmung zu Sitzverteilung nach Wahlen

Über den Punkt zur Sitzverteilung wurde auf Antrag von SPÖ und FPÖ getrennt abgestimmt. Statt in der Landesverfassung wird die Klarstellung nun in der Geschäftsordnung des Landtags – und damit auf einfachgesetzlicher Ebene – verankert. Zustimmung kam von der Volkspartei und den Grünen. SPÖ, FPÖ und NEOS lehnten diesen Punkt wie angekündigt ab – mehr dazu in Unstimmigkeiten um Wahlrechtsreform (noe.ORF.at; 1.2.2022).

Zuvor war in einer Aktuellen Stunde auf Antrag der FPÖ über das Thema „Pflegenotstand beenden – Sicheres Pflegenetz für Niederösterreich!“ und auf Initiative der ÖVP über „Parkpickerl in Wien ab 1. März – So handelt Niederösterreich!“ diskutiert worden. Weitere Anträge betrafen u. a. die von den Freiheitlichen geforderte sofortige Aufhebung des Gesetzes zur Impfpflicht und die Prüfung des Impfpflichtgesetzes vor dem Verfassungsgerichtshof.