Gesundheit

Pflege: Zwei Projekte gehen neue Wege

Die alternde Bevölkerung und zunehmend überlastetes Pflegepersonal stellen das Pflegesystem in Österreich vor große Herausforderungen. In Niederösterreich gibt es mit „cuco“ und der „Wohnvilla“ bereits zwei Initiativen, die Alternativen aufzeigen.

Im Alter brauchen viele Menschen Unterstützung, möchten aber ihr vertrautes Umfeld nicht verlassen. So geht es auch Leopoldine Autherith aus Langenzersdorf (Bezirk Korneuburg). Mit ihren 93 Jahren geht vieles nicht mehr allein: zum Anziehen, Waschen und Kochen kommt daher täglich eine Pflegerin. Ins Pflegeheim will Leopoldine Autherith nicht: „Es ist mir lieber daheim zu sein und es kommt jemand zu mir, das ist besser. Das ist das Allerschönste.“

Betreut wird sie vom gemeinnützigen Hauskrankenpflegedienst „cura communitas“ („cuco“). Grundlage von „cuco“ ist das niederländische Konzept „Buurtzorg“, welches dem Pflegepersonal mehr Selbstständigkeit und Verantwortung überlässt. Das ermögliche einerseits, besser auf die Klientinnen und Klienten einzugehen, andererseits werde der Pflegeberuf dadurch für viele Menschen attraktiver. Darüber hinaus bindet dieses Modell auch das soziale Umfeld in die Betreuung pflegebedürftiger Menschen ein.

Leopoldine Autherith mit Hauskrankenpflegerin an ihrem Esstisch
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Leopoldine Autherith bei der Jause mit ihrer Pflegerin Doris Datz

Gut ausgebildetes Pflegepersonal als Voraussetzung

Keine bis flache Hierarchien und eine personenzentrierte Herangehensweise – das mache „Buurtzorg“ zu einem Zukunftsmodell für die Hauskrankenpflege, sagt Pflegewissenschafterin Hanna Mayer von der Karl Landsteiner-Privatuniversität in Krems: „So kann man individueller auf die Person und auf die Situation einzugehen. Und das ist für die Kunden natürlich auch attraktiv. Dass das funktioniert, sieht man ja in Holland.“ Voraussetzung sei aber gut ausgebildetes Pflegepersonal.

Pflegeheime werde es dennoch immer brauchen, nämlich dann, wenn eine Person besonders hohen Pflegebedarf hat. „Ich muss eine Lanze für die Pflege- und Betreuungszentren brechen, weil es ist nicht dieser Horror, den man sich so vorstellt. Ich glaube nur, man muss sich verabschieden von diesen medizinischen Systemen und Pflege- und Betreuungszentren auch als Wohnmöglichkeiten sehen. Ich glaube, es braucht die Vielfalt und die Durchlässigkeit“, sagt Mayer.

Jung und Alt unter einem Dach

Zu dieser Vielfalt trägt auch die Wohnvilla in Wieselburg (Bezirk Scheibbs) bei. Hier haben alle Bewohnerinnen und Bewohner eine eigene Wohnung und wer Gesellschaft möchte, findet diese in den Gemeinschaftsräumen. Pflege wird individuell und nach Bedarf organisiert. Das Besondere an der Wohnvilla ist, dass hier alte und junge Menschen zusammenleben. Die meisten sind Studierende, die hier kostenlos wohnen und dafür im Alltag Unterstützung anbieten.

Bewohnerinnern und Bewohner der Wohnvilla im Gemeinschaftsraum (Wieselburg)
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Bewohnerinnen und Bewohner der Wohnvilla im Gemeinschaftsraum

Die Wienerin Dara Kita ist im Herbst eingezogen: „Ich find’s wirklich schön hier. Also ich hätte keinen besseren Ort zum Wohnen haben können. Es fühlt sich alles so wie daheim an, es ist dieses Zuhause-Feeling. Ich liebe es.“ Dara Kita studiert an der Fachhochschule in Wieselburg und hat bereits einen Kommilitonen von dem neuen Wohnkonzept überzeugt. Und auch die älteren Bewohnerinnen und Bewohner schätzen die Vorzüge der Wohnvilla, so wie Johann Brandstetter: „Wir haben schon Kuchen und Brot gebacken. Und wir haben hier eine sehr nette Kaffeerunde.“

Eine Frage des Geldes?

Das Leben in der Wohnvilla muss man sich aber leisten können: Die monatliche Miete für eine 49 Quadratmeter große Wohnung beträgt 1.150 Euro, dazu kommt eine Pauschale von 300 Euro für Behördengänge, die Organisation ärztlicher Betreuung und mobiler Dienste sowie für gemeinschaftliche Aktivitäten wie Gedächtnistraining oder Basteln. Benötigt ein Bewohner oder eine Bewohnerin Pflege, ist diese zusätzlich zu finanzieren.

Hier sieht Unternehmer Wolfgang Kogler, der die Wohnvilla initiiert hat, die Politik in der Verantwortung: „Eine Riesenbitte von mir wäre, dass sich die Politik darum kümmert, dass man mehr Unterstützung bei solchen Projekten kriegt.“ Konkret hoffen die Betreiber der Wohnvilla und des mobilen Pflegedienstes „cuco“ auf Landesförderungen – so könnten in Zukunft mehr Menschen auf diese Weise gepflegt werden.