Politik

Mikl-Leitner: „An Neutralität wird nicht gerüttelt“

Der Krieg in der Ukraine hat eine Diskussion um Österreichs Neutralität ausgelöst. Diese sei die tragende Säule der Sicherheits- und Außenpolitik, sagt Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) im Interview – und an dieser werde nicht gerüttelt.

Seit bald zwei Wochen herrscht in der Ukraine Krieg. Es ist die größte bewaffnete Auseinandersetzung in Europa seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Nun kam auch die Frage auf, ob Österreich weiterhin neutral bleiben soll. Ex-ÖVP-Klubobmann Andreas Khol sprach sich etwa für einen NATO-Beitritt oder die Beteiligung an einer EU-Armee aus.

Für die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner kommt das nicht in Frage. „Die Neutralität ist die tragende Säule unserer Sicherheits- und Außenpolitik. Das war sie in den letzten Jahrzehnten und das wird sie auch in Zukunft bleiben“, betont sie im Interview mit ORF-NÖ-Chefredakteur Benedikt Fuchs. Man werde aber nicht schweigen, wenn das Völkerrecht verletzt werde.

noe.ORF.at: Es herrscht seit elf Tagen Krieg in der Ukraine und neben all den kriegerischen Gräueltaten wird die humanitäre Katastrophe immer dramatischer. Was kann ein Bundesland wie Niederösterreich tun? Womit und wie kann Niederösterreich helfen?

Johanna Mikl-Leitner: Bis vor Kurzem konnte sich keiner von uns vorstellen, dass der Krieg nach Europa zurückkehrt, dass ein Krieg vor den Toren der Europäischen Union stattfindet. Diese Aggression Russlands gegenüber der Ukraine ist aufs Schärfste zu verurteilen. Es ist kein Krieg der russischen Bevölkerung, sondern des Kremls. Die EU und die westliche Welt stehen gemeinsam geschlossen an der Seite der Ukraine. Jetzt geht es darum, der ukrainischen Bevölkerung, insbesondere den flüchtenden Frauen und Kindern, zu helfen.

Die Welle der Hilfsbereitschaft in den letzten Tagen war unglaublich groß und sie wächst und wächst. Deswegen auch die Initiative „Niederösterreich hilft“, wo wir es schaffen, alle Hilfsangebote – von den Sachspenden über die Geldspenden bis zur Verfügungstellung von Wohnungen – gut zu koordinieren.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP)
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4.500 Plätze gibt es derzeit in Privatquartieren für ukrainische Flüchtlinge, sagt Mikl-Leitner. An Großquartieren werde gearbeitet.

Mikl-Leitner: Heute ist ein Konvoi aus Niederösterreich gut in der Republik Moldau angekommen, wo 150.000 Flüchtlinge betreut werden. Sie bekommen 25.000 Hilfspakete, Hygieneartikel und 75.000 Windeln. Das soll dort die größte Not lindern. Dafür ein herzliches Danke der Zivilbevölkerung, den Vereinen, den Institutionen und den Organisationen.

Tagtäglich erreichen uns Hunderte von Hilfsangeboten, darunter auch sehr viele Plätze in privaten Unterkünften. Heute können wir sagen, dass wir 4.500 Plätze in Privatunterkünften zur Verfügung haben und diese Zahl steigt. Darüber hinaus arbeiten wir an der Schaffung von Großquartieren.

noe.ORF.at: Es gibt Hunderttausende Flüchtlinge aus der Ukraine. Wo ist denn die maximale Kapazität in Niederösterreich? Gibt es die oder kann man immer wieder aufstocken?

Mikl-Leitner: Gerade zur Stunde können die Expertinnen und Experten nicht sagen, wie viele Menschen tatsächlich kommen werden und wie viele hier bei uns in Österreich bleiben. Wichtig ist, dass wir gut vorbereitet sind, dass wir zum einen Unterkünfte in Privatquartieren haben, dass wir vor allem aber sogenannte Ankunftszentren schaffen. Die Ankunftszentren bereiten wir derzeit vor, dazu gibt es auch einen Ukraine-Gipfel mit allen Hilfsorganisationen, mit allen Beteiligten, wo es darum geht, wo die Standorte sind und wie viel Kapazitäten wir schaffen.

noe.ORF.at: Die Ukraine-Krise legt hierzulande natürlich einen Fokus auf die gesamte Sicherheitspolitik. Am Wochenende ist eine Debatte zur Neutralität entfacht worden, auch von ÖVP-Politikern. Wie sehen Sie das? Soll man, kann man über die Neutralität diskutieren?

Mikl-Leitner: Lassen Sie mich dazu ganz klar und unmissverständlich feststellen: An der Neutralität Österreichs wird nicht gerüttelt. Sie ist die tragende Säule unserer Sicherheits- und Außenpolitik. Das war sie in den letzten Jahrzehnten und das wird sie auch in Zukunft bleiben. Klar ist aber, wenn es zu einer Verletzung des Völkerrechts kommt, werden wir auch in Zukunft unsere Stimme erheben.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und ORF-NÖ-Chefredakteur Benedikt Fuchs
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ORF-NÖ-Chefredakteur Benedikt Fuchs im Gespräch mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner zu den Folgen des Ukraine-Kriegs

noe.ORF.at: Kommen wir zum zweiten großen Thema neben der Ukraine, das uns beschäftigt: die CoV-Pandemie. Da gibt es Öffnungsschritte, die am Wochenende stattgefunden haben, aber noch immer sehr hohe Infektionszahlen. Waren diese Öffnungen zu früh?

Mikl-Leitner: In den letzten zwei Jahren wurde bei allen Maßnahmen auf Empfehlungen der Wissenschaft gesetzt. Auch diese Öffnungsschritte basieren auf den Erkenntnissen der Wissenschaft und der Forschung. Klar ist, dass die Infektionszahlen auch in den nächsten Tagen sehr hoch sein werden, dass aber aufgrund der Impfung diese Infektionen zu milderen Verläufen und vor allem kaum mehr zu Hospitalisierungen führen. Wichtig ist, dass wir diese Pandemie weiterhin im Auge haben und auf die Expertise der Wissenschaft und Forschung setzen.

noe.ORF.at: Ich möchte noch ein landespolitisches Thema ansprechen: die Kinderbetreuung. Das ist seit Jahresanfang immer wieder ein Debattenthema, zuletzt auch im Landtag. Was haben Sie als Landeshauptfrau, was hat die ÖVP Niederösterreich in Sachen Kinderbetreuung vor?

Mikl-Leitner: Wir haben uns im Bereich der Kinderbetreuung sehr hohe Ziele gesetzt. Wir wollen bis Ende dieses Jahres 200 Kleinstkinder-Betreuungsgruppen schaffen, für unsere Kleinsten, die Null- bis Zweieinhalbjährigen. Das sind in etwa 3.000 Kinder, die wir unterbringen können. Wir werden diese 200 Gruppen schaffen und darüber hinaus habe ich bei der zuständigen Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister bereits im Herbst in Auftrag gegeben, an einem weiteren Ausbauprogramm zu arbeiten. Das werden wir in einigen Wochen vorstellen können.