Lehrlingsmädchen beim Bedienen einer Maschine bei Geberit
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Wirtschaft

Immer noch geringer Frauenanteil in Technik

Frauen sind in technischen Berufen immer noch deutlich unterrepräsentiert. Der Anteil der weiblichen Lehrlinge in Technikberufen liegt in Niederösterreich laut Wirtschaftskammer bei nicht einmal sechs Prozent. Die Gründe sind vielfältig.

Sarah Berner hat eine Ausbildung als Maschinenmechanikerin absolviert und leitet mittlerweile ein 23-köpfiges Team. Sie ist bei der Sanitärfirma Geberit in Pottenbrunn (St. Pölten) für eine Produktionsstraße verantwortlich. Negative Erfahrungen mit männlichen Kollegen habe sie in ihren 15 Jahren im Unternehmen nicht gemacht, sagt Berner gegenüber noe.ORF.at: „Ich würde behaupten, als Frau braucht man ein bisschen mehr Durchsetzungsvermögen und natürlich auch ein starkes Selbstbewusstsein, aber wenn man sich dann mal den Respekt eingefordert hat, funktioniert es sehr gut.“

Bei Geberit liegt der Frauenanteil bei den technischen Lehrlingen bei 23 Prozent, in der gesamten Produktion bei etwa 40 Prozent. Jennifer Rezucha ist derzeit im vierten Lehrjahr. Ihre Berufswahl als Kunststofftechnikerin sorgt auch im Jahr 2022 noch für überraschte Reaktionen.

Frauen in technischem Betrieb, Geberit
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Sarah Berner (Mitte) ist bei Geberit für ein 23-köpfiges Team verantwortlich

„Die meisten schätzen mich gar nicht so ein, weil ich eher eine bin, die sich auch gerne chic kleidet“, erzählt die Technikerin in Ausbildung, „aber die andere Seite von mir ist dann eben auch, in der Arbeit komplett dreckig zu werden. Wenn ich dann so einkaufen gehe, schauen die Leute dann ganz überrascht, dass ein Mädchen in Arbeitskleidung unterwegs ist.“

Image von Technikberufen oft veraltet

Durch Schnuppertage und Veranstaltungen versucht man bei Unternehmen, die Begeisterung für technische Berufe bei Mädchen wie Burschen zu wecken. Denn oft sind nicht nur die Bilder der Geschlechterrollen, sondern auch das Bild von Technikberufen an sich veraltet. „Die meisten glauben halt, dass man körperlich extrem schwer arbeitet“, so Jennifer Rezucha, „aber diese Arbeiten führen bei uns eigentlich die Kräne aus und der Rest ist Kopfsache, man braucht also das Know-how.“

Weibliche Mitarbeiter in Produktion bei Geberit
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Sarah Berner erklärt Jennifer Rezucha Details zum Produktionsablauf

Das Image dieser Berufe zu ändern, ist nur einer von vielen Punkten, an denen man ansetzen müsste, auch im Bildungswesen gibt es viel zu tun. Das weiß Produktionsleiterin Sarah Berner aus eigener Erfahrung: „Die Mädchen hatten in der Schule immer Strick- und Häkelunterricht und die Burschen haben Vogelhäuschen und Werkzeugkästen gebaut. Ich dachte mir damals immer, ich hätte eigentlich auch lieber ein Vogelhäuschen gebaut.“

Zu wenig weibliche Vorbilder

Das bestätigt auch Michaela Gindl. Sie leitet die Stabsstelle für Gleichstellung, Gender und Diversität an der Donau-Universität-Krems. Oft werden in der Schullaufbahn Geschlechterstereotypen verfestigt. „Wir wissen aus der Forschung, dass die Neigung zu technischen Themen – etwas auszuprobieren, zu konstruieren, zu entdecken – bis zum Volksschulalter zwischen den Geschlechtern gleich verteilt ist“, sagt Gindl, „und ab der Pubertät fängt das an, sich auseinander zu entwickeln, sodass Mädchen dann das Gefühl haben: Das ist nichts für mich.“

Ein Weg, das zu ändern, wären neben mehr Geschlechterkompetenz beim pädagogischen Personal auch mehr weibliche Vorbilder, „aber hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Nachdem der Frauenanteil in Technikberufen so niedrig ist, haben junge Frauen und Mädchen einfach keine Vorbilder, die ihnen zeigen, wie eine Karriere im technischen Bereich aussehen könnte.“

Ökonomische und qualitative Vorteile

Gelingt es, den Frauenanteil in MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) zu erhöhen, bringe das ökonomische Vorteile – Stichwort Fachkräftemangel – ebenso wie qualitative. Denn Produkte können nur besser werden, wenn Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen daran arbeiten. Derzeit zeigen hingegen Studien, dass technische Innovationen in erster Linie auf Männer ausgerichtet sind. „Zum Beispiel werden Frauenstimmen von Spracherkennungssoftware oft schlechter erkannt, als die von Männern, weil sie einfach nur mit Männern getestet wird“, sagt Gindl.

Insgesamt brauche es nun einen Kulturwandel. Die Expertin setzt dabei auch viel Hoffnung in die nächste Generation: „Ich glaube, dass sich da sehr viel tut, einerseits in der Reflexion von Geschlechterstereotypen, im Selbstbewusstsein von jungen Frauen, andererseits in der Technikkompetenz selbst.“ Denn die junge Generation wachse „mit einer ganz anderen Selbstverständlichkeit mit technischen Produkten auf.“