Maresa Jung, Die weißen und die roten Göttinnen, 2021
Maresa Jung
Maresa Jung
Kultur

Ökologie und Feminismus in „Die Erde lesen“

Als Dokumentation des Forschungsprojekts „The Dissident Goddesses’ Network“ zeigt die Landesgalerie Niederösterreich in Krems die Schau „Die Erde lesen“. „Die ökologische Krise fordert uns heraus, uns der Erde zu widmen und sie neu zu lesen“, heißt es.

Seit Sommer 2021 erforscht und bewirtschaftet ein Kollektiv von Kulturschaffenden das sogenannte „Land der dissidenten Göttinnen“, ein vier Hektar großes Areal in Alberndorf im Pulkautal (Bezirk Hollabrunn). Für die Ausstellung entwarf die ökofeministische Künstlerin und Philosophin Elisabeth von Samsonow eine installative Kartografie des Geschehens. Videos, Performancefotos, Bodenproben, Porträts von Mikroorganismen (Flechten, Bakterien und Algen), Lössbilder und Skulpturen werden zu einem zentralen Kunstwerk vereint.

"Der Prozess einer offenen, interaktiven Interpretation der Erde, ihrer vielfältigen Bewohnerinnen und Bewohner und der ökologischen Systeme am Beispiel des Weinviertels und des Göttinnenlandes sind zentrale Botschaften unseres Projektes“, betont Kuratorin Felicitas Thun-Hohenstein. „Die Ausstellung ist ein wertvoller Beitrag für die Landesgalerie Niederösterreich. Niederösterreich bildet den Nährboden für diese hochkarätige künstlerisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung“, sagt Gerda Ridler, künstlerische Direktorin der Landesgalerie Niederösterreich.

Fotostrecke mit 9 Bildern

Elisabeth von Samsonow, „Loess. Eine Frau in der Landschaft“
Leopold Pluschkkowitz
Elisabeth von Samsonow, „Löss. Eine Frau in der Landschaft“
Elisabeth von Samsonow, „Loess. Eine Frau in der Landschaft“
Leopold Pluschkkowitz
Elisabeth von Samsonow, „Löss. Eine Frau in der Landschaft“
Elisabeth von Samsonow, „Loess. Eine Frau in der Landschaft“
Leopold Pluschkkowitz
Elisabeth von Samsonow, „Löss. Eine Frau in der Landschaft“
Leopold Pluschkkowitz, Die Jurte auf dem Toten Mann, 2020
Leopold Pluschkkowitz
Die große mongolische Jurte auf dem Toten Mann, einer paläolithischen Stätte bei Alberndorf, dem „Land of the Dissident Goddesses“, dient als in-situ-Parlament für Begegnungen, Projekte und Austausch im Rahmen des „The Dissident Goddesses’ Network“ und ist darüber hinaus allen Interessierten offen zugänglich
Leopold Pluschkkowitz, Innenansicht der Jurte auf dem Toten Mann, 2020
Leopold Pluschkkowitz
Innenansicht der Jurte auf dem Toten Mann, 2020
 Leopold Pluschkkowitz, Detail der Jurte auf dem Toten Mann, 2020
Leopold Pluschkkowitz
Detail der Jurte auf dem Toten Mann, 2020
Leopold Pluschkowitz, Loess, 2020
Leopold Pluschkowitz
Das breite, Niederösterreich durchziehende Löss-Band ist die Grundlage der bis ins Paläolithikum ununterbrochenen Kulturbildung
Paläolithische Grabung in Grabendorf, 2020
Angela Melitopoulos
Paläolithische Grabung in Grabendorf, 2020; Ausschnitt aus „Matri Linear B – part 1 – Revisions“, dem audiovisuellen, künstlerischen Forschungsprojekt von Angela Melitopoulos über die Ausdrucksformen und -funktionen der Erdoberfläche
Maresa Jung, Die weißen und die roten Göttinnen, 2021
Maresa Jung
Dokumentation der kollektiven Performance am 7. August 2021 „Das Holunder-Gedicht“ über die Beziehung zwischen der Göttin Holle oder Holly und ihrem Baum im Land um Hollabrunn. Bühne war das LAND OF THE DISSIDENT GODDESSES. Mit dieser Performance wurden spielerische und festliche Formen der Begegnung mit dem Land erprobt, jenseits des Kalküls von Nutzen und Besitz.

„Göttinnenland“ als künstlerisches Experimentierfeld

Abgesehen von der ökologischen Krise beschäftigt die teilnehmenden Künstlerinnen – Elisabeth von Samsonow, Ida-Marie Corell, Angela Melitopoulos, Romana Schuler, Federica Matta, Alma Heikkilä und Arantzazu Saratxaga Arregi – auch der feministische Blick auf archäologische Frauendarstellungen wie die Venus von Willendorf. Das Forschungsprojekt entstand in Kooperation der Akademie der bildenden Künste Wien mit dem Forum Morgen und vermittelt „widerständiges Denken und Handeln" und eine „Vielstimmigkeit an Wissen“ im Sinne einer „neuen experimentellen Auslotung unserer aktuellen Existenzbedingungen“, so Thun-Hohenstein.

Ausstellungshinweis

„Die Erde lesen. The Dissident Goddesses Project“, bis 1. Mai 2022, Landesgalerie Niederösterreich in Krems, dienstags bis sonntags 10.00 bis 18.00 Uhr.

Mittelpunkt des „Landes der dissidenten Göttinnen“ ist eine Jurte, die als Versammlungsort oder Parlament genutzt wird. „Das Göttinnenland dient keinem Zweck. Es ist einer gemeinsamen Erkundung gewidmet. Das Göttinnenland erweitert unseren Horizont“, so Samsonow.

„Die Jurte fungiert als Hörsaal unseres Projektes und ist auch für die Öffentlichkeit jederzeit zugänglich. So wurde ich bei einem meiner Jurten-Besuche von einer kleinen Yoga-Gruppe überrascht. Herrlich!“, freut sich die Künstlerin darüber, wie sehr der Ort von der Weinviertler Bevölkerung angenommen und interpretiert wird.

„Labor und Spielplatz“ mit ökologischen Problemen

Das Land bildet jedoch nicht nur „ein Labor und einen Spielplatz, sondern ist auch von den ökologischen Problemen betroffen, die dem nordöstlichen Weinviertel zu schaffen machen: Trockenheit, Erosion und die biologische Verarmung der Böden“, heißt es in der Ausstellung.

Eine Forschungslounge in der Ausstellung ermöglicht weiterführende Hinweise zu einzelnen Themengebieten wie etwa die Archäologie der weiblichen Figurinen in Niederösterreich oder die Matriachatsforschung zu vertiefen. Ab April ist auch eine Publikation mit wissenschaftlichen Gastbeiträgen und einer Dokumentation der Ausstellung „Die Erde lesen“ im Museumsshop erhältlich.