leere Geldbörse
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Wirtschaft

„Ruhe vor dem Sturm“ bei Schuldenberatern

93.900 Euro – so hoch waren im Schnitt die Schulden jener Menschen, die sich im 2021 von der Schuldnerberatung Niederösterreich unterstützen ließen. Wegen der CoV-Pandemie und den hohen Energiepreisen wird nun mit einem Beratungsansturm gerechnet.

Krisen schlagen sich immer in der Geldbörse oder am Konto und damit später auch bei den Schuldenberatern nieder. „Das war nach den Hochwassern 2002 und 2013 so, das war nach der Finanzkrise 2008 so“, sagt Michael Lackenberger, Geschäftsführer der Schuldnerberatung Niederösterreich, einer gemeinnützigen GmbH im Besitz des Landes. Bei der CoV-Krise war es auch 2021 noch nicht so weit, seit Beginn der Pandemie im März 2020 wird vor steigenden Schulden in Privathaushalten gewarnt.

Lackenberger zufolge gibt es mehrere Faktoren, weshalb die Erstberatungen 2021 im Vergleich zu 2020 um mehr als die Hälfte zurückgegangen sind. „Wenn Lockdowns sind, und davon hatten wir ja 2021 einige, geben die Menschen generell weniger Geld aus, auch wenn es Reisebeschränkungen gibt. Und die Großgläubiger und Eintreiber waren zurückhaltender. Sie verschieben das Eintreiben von Schulden auf später, sie reagieren in vielen Fällen mit Augenmaß.“

Ursachen für Schulden

1. Arbeitslosigkeit/weniger Einkommen
2. Scheidung/Trennung
3. Konsumverhalten
4. Selbstständigkeit
5. Unfall/Krankheit/Todesfall

Quelle: Schuldnerberatung NÖ, Statistik 2021

Männer verschulden sich deutlich höher

Die Dunkelziffer an verschuldeten Menschen sei aber vermutlich sogar gestiegen, so Lackenberger. Jene 11.000 Personen, die im Vorjahr von der Schuldnerberatung beraten oder betreut wurden, waren im Schnitt mit 93.900 Euro verschuldet. Wobei die Durchschnittsverschuldung von Männern (140.100 Euro) fast dreimal höher ist als jene von Frauen (47.700 Euro).

40 Prozent der Betroffenen waren zwischen 36 und 50 Jahre alt. Bei den unter 25-Jährigen nahm die Verschuldung im Vergleich zu 2018 um 62 Prozent ab, sagt Jugendlandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) bei der Präsentation der Jahresstatistik 2021. „Wir sind bei dieser Altersgruppe auf einem richtigen Weg.“ Im Vorjahr hatte diese Altersgruppe im Schnitt 21.000 Euro Schulden. Die häufigsten Gründe bei der jüngsten Altersgruppe: Onlineinkäufe und Telefonkosten.

Geringes Einkommen und wenig Bildung

Beraten wird auf Wunsch anonym, im persönlichen Gespräch oder online. Nach der Beratung ist auch eine Begleitung durch die Entschuldung möglich, etwa zu Gerichtsterminen. Um einen Privatkonkurs zu vermeiden, bietet die Schuldnerberatung einige Maßnahmen an, u. a. das „betreute Konto“, damit werden Menschen beim Einhalten von Zahlungsprioritäten unterstützt, oder die Budgetberatung, wenn sich das Einkommen verschlechtert, aber man noch nicht von Überschuldung betroffen ist.

Was auffällt: Ein Drittel aller Menschen in Beratung verdiente weniger als das Existenzminimum. Dieses lag 2021 bei 966 Euro netto pro Monat. „Und hier ist die Ausbildung ausschlaggebend. 50 Prozent haben nur einen Pflichtschulabschluss. Bildung oder Ausbildung ist der Garant für ein selbstbestimmtes Leben“, sagt Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ).

Energiekosten werden zum Problem

Auch bei der Verschuldung gehe es immer mehr um existenzielle Kosten, sagt Geschäftsführer Lackenberger. „Die Anfragen bezüglich Strom- und Heizkosten werden mehr. Wir sind hier in Kontakt mit den Energieanbietern und haben zum Beispiel mit der EVN einen Arbeitskreis, um günstige Ratenzahlungen zu vereinbaren. Einige melden sich auch, weil kleine Energieanbieter ihre günstigen Verträge gekündigt haben.“

Die Betroffenen hätten dann acht Wochen Zeit, sich einen neuen Strom- oder Gaslieferanten zu suchen – zu derzeit hohen Preisen. „Es gibt keine Schnäppchen mehr auf diesem Markt“, sagt Lackenberger, „das führt bei den Menschen zu noch mehr Geldproblemen.“ Die hohe Inflation und die steigenden Energiepreise zeichnen sich als nächste, finanzielle Krise ab. Lackenberger erwartet 2022 wieder mehr Erstberatungen, womöglich auch wegen der Folgen durch die Pandemie. „Der Run kommt zeitlich verzögert, aber er kommt bestimmt.“