OMV-Fördersonde bei Auersthal
ORF/Felix Novak
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Umwelt & Klima

OMV erschließt neue Quellen im Weinviertel

Die OMV will 2050 keine fossilen Energieträger mehr fördern. Erdgas gilt für sie allerdings als Brückentechnologie. Im Weinviertel werden derzeit neue Quellen erschlossen. Die Region ist für die Versorgung gerade jetzt wichtig, allerdings wohl nicht mehr lange.

In seiner Jugend sei die Firma immer präsent gewesen, erzählt Erich Hofer. „Man hat nicht wahrgenommen, dass es woanders nicht so aussieht. Bei uns war es völlig normal, dass es Pumpenböcke, Bohrungen und Tanklager gibt.“ Die Firma, das ist die OMV, Hofer ist Bürgermeister (ÖVP) von Auersthal (Bezirk Gänserndorf) und gleichzeitig Obmann des Verbands der niederösterreichischen Erdöl- und Erdgasgemeinden.

Die OMV ist in seinem Ort tief verankert, das beweisen etwa der „OMV-Erlebnisradweg“ oder die örtlichen Sportvereine, die den Namen des teilstaatlichen Energiekonzerns tragen. Sogar das Auersthaler Gemeindewappen zeigt neben Weintrauben und Getreide einen Bohrturm und ein Gaskraftwerk. „In der Region ist die OMV ein wichtiger Partner, der auch mithilft, unsere Finanzen zu bestreiten“, sagt Hofer. Aber auch im täglichen Leben „gibt es immer wieder Schnittstellen“.

OMV-Erlebnisradweg in Auersthal
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Der „OMV-Erlebnisradweg“ führt durch jene niederösterreichischen Orte, in denen besonders viel Öl und Gas gefördert wird

Der in den 1950ern gegründete Konzern, der längst europaweit zu den größeren Akteuren auf dem Energiemarkt gehört, hat im Bezirk Gänserndorf seine Wurzeln – und hier ist er auch weiterhin vertreten. 2020 betrieb er im Weinviertel noch immer mehr als 800 Sonden. Öl und Gas aus heimischer Produktion machten zuletzt etwa zehn Prozent des österreichischen Bedarfs aus. Ein viel geringerer Anteil als in früheren Jahren, aber in Zeiten unangenehmer Abhängigkeiten von Russland immer noch ein wichtiger Faktor.

Wichtiger Faktor für Gemeinden

Noch wichtiger sind die Förderungen für die Gemeinden. Auersthal zum Beispiel bringen die fossilen Rohstoffe pro Jahr zwischen 100.000 und 150.000 Euro ein, schätzt Bürgermeister Hofer. Direkt, etwa über einen Förderzins, funktioniert das aber nicht. „Die OMV ist ein großer Arbeitgeber und dementsprechend fließt Kommunalsteuer.“ Darum kümmert sich der Verband der 59 niederösterreichischen Erdöl- und Erdgasgemeinden, der sie an die einzelnen kommunalen Budgets weiterleitet.

Seit vielen Jahren geht die Förderung von Öl und Gas im Weinviertel allerdings zurück. Die Ressourcen gehen nach Jahrzehnten der Förderung allmählich zur Neige. Die Exploration wird deshalb immer schwieriger, immer tiefer im Boden wird gesucht und anschließend möglichst auch gebohrt.

2017 startete die OMV deshalb eine großangelegte Analyse, damals laut eigenen Angaben die größte in der Geschichte Europas. Bei der sogenannten 3D-Seismik verarbeiteten Sensoren Vibrationen im Boden, die von speziellen Rüttelfahrzeugen verursacht wurden. Die Messungen reichten bis zu 6.000 Meter in die Tiefe und umfassten ein Gebiet vom Marchfeld über das südliche Weinviertel bis in den Bezirk Tulln. Einige Bewohner klagten damals über Risse in ihren Häusern, verursacht angeblich durch die Vibrationen der OMV – mehr dazu in OMV beendet seismische Messungen (noe.ORF.at; 16.4.2019).

Rüttelfahrzeug der OMV
OMV Aktiengesellschaft
OMV-Rüttelfahrzeuge waren von 2017 bis 2019 im Weinviertel unterwegs

Erste Ergebnisse der Seismik liegen vor

Die Auswertung der gesammelten Daten dauerte mehrere Jahre, nun gibt es erstmals Ergebnisse, bestätigt Alexander Gary, Bürgermeister (ÖVP) von Schönkirchen-Reyersdorf (Bezirk Gänserndorf): „Die ersten Projekte werden mit sogenannten Clusterbohrungen starten.“ Diese spezielle Technik ermögliche es, „dass mehrere Bohrungen an einer Stelle durchgeführt werden. Das ist für uns in der Region ein riesiger Vorteil, weil nicht noch mehr Sonden in der Fläche entstehen.“

Bei der OMV zeigt man sich diesbezüglich noch zurückhaltend, doch der Schritt passt gut in die langfristige Konzernstrategie, die am Mittwoch vorgestellt wurde. Bis 2050 will sich die OMV demnach als Chemiekonzern neu erfinden und aus dem ursprünglichen Öl- und Gasgeschäft aussteigen. Man wolle sich auf nachhaltig erzeugte Treibstoffe und andere Chemikalien konzentrieren. Statt auf fossile Energieträger setze man künftig auf eine Kreislaufwirtschaft mit einem möglichst umfangreichen Recycling.

OMV plant Ausstieg aus Öl und Gas

Österreichs größter Industriebetrieb, die OMV, möchte sich neu aufstellen und vom Öl– zum Chemiekonzern werden. Die geplanten Strategien wurden am Mittwoch vorgestellt. Als konkretes Zwischenziel soll die Öl- und Gasproduktion bis 2030 um ein Fünftel reduziert werden – trotzdem soll der Gewinn stabil bleiben.

Während das Geschäft mit Erdöl schon in den nächsten Jahren zurückgehen soll, wird Erdgas mittelfristig als Brückentechnologie betrachtet. Angesprochen wurden hier Gasfelder in Rumänien, Malaysia, Neuseeland und in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Was die neue Strategie konkret für Österreich bedeutet, ließ man bei der Präsentation offen.

Alfred Stern, seit vergangenem Jahr Vorstandsvorsitzender der OMV, stellt aber auf Nachfrage klar: „Österreich bleibt für uns eine Kernregion. Wir werden hier weiterhin Rohstoffe fördern und glauben, dass wir dabei auch längerfristig konkurrenzfähig bleiben können.“ Außerdem arbeite man im Raum Gänserndorf auch weiterhin an Innovationen, die weltweit eingesetzt würden.

Kritik von Umweltschützern

Umweltschutzorganisationen sehen das vorübergehende Festhalten am Gas kritisch – insbesondere dann, wenn es sich wie im Weinviertel um weitgehend ausgebeutete Ressourcen handelt. „Wenn man die letzten Reste aus dem Boden herausholen will, dann kommen teilweise umweltschädliche Produktionsmethoden zum Einsatz“, sagt Johannes Wahlmüller, Energieexperte bei Global 2000. „Vor einigen Jahren wollte man ja etwa Fracking in Österreich betreiben; dabei werden hochgiftige Chemikalien eingesetzt.“

Damals ging es um die Förderung von Schiefergas im nördlichen Weinviertel. Ein Aufschrei der lokalen Bevölkerung und Politik verhinderte diese Fracking-Pläne. Heutzutage wäre die umstrittene Fördermethode nach Einschätzung von Global 2000 rechtlich nicht mehr möglich, zumindest nicht ohne Umweltverträglichkeitsprüfung. Die OMV bestreitet auf Nachfrage solche Vorhaben.

OMV-Fördersonde bei Auersthal
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Im Weinviertel wird derzeit mit konventionellen Methoden gefördert. Die Gefahr neuer Fracking-Projekte sehen Umweltschützer derzeit in dieser Region nicht.

Wahlmüller ist davon allerdings nicht überzeugt, auch konventionelle Fördermethoden würden schließlich Nachteile bringen: „Die Wahrheit ist, dass Gas immer schon klimaschädlich war. Manches haben wir in Österreich einfach nicht gesehen, zum Beispiel, dass es bei der Gasproduktion auch zu sehr großen Methanleckagen kommt.“ Das austretende Methan ist um ein Vielfaches klimaschädlicher als CO2, die OMV versprach in diesem Bereich allerdings für die nächsten Jahre Verbesserungen.

Ministerium: Öl und Gas 2030 aufgebraucht

Bleibt die Frage, wie lange die Erdöl- und Erdgasressourcen im Weinviertel überhaupt noch reichen. Das hängt laut Holger Paulick von der Geologischen Bundesanstalt davon ab, ob sich eine weitere Erschließung voraussichtlich rechnet: „Die Risikoabschätzung für solche Investitionen und die möglichen langfristigen Gewinne aus der Kohlenwasserstoffförderung sind entscheidend an die Prognosen für die Preisentwicklungen gekoppelt.“ Immerhin könne eine einzige Bohrung mehrere Millionen Euro kosten.

Im Klimaschutz- und Energieministerium trifft man dagegen eine konkrete Einschätzung: „Die heutigen Ressourcen an Öl und Gas in Österreich gehen zur Neige und werden aus heutiger Sicht bis 2030 ausgebeutet sein.“ Nun gelte es, stattdessen die Erneuerbaren Energiequellen so schnell wie möglich auszubauen, wird im Ressort von Leonore Gewessler (Grüne) betont.

OMV-Gelände in Auersthal
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Die Tanklager der OMV sind in Auersthal, einer Klimabündnis-Gemeinde, nicht zu übersehen

Hoffnungen für die Zeit danach

Falls die Quellen in wenigen Jahren tatsächlich versiegen, wird das auch die Gemeinden treffen, in denen derzeit noch Sonden stehen. „Uns ist bewusst, dass dieser Rohstoff irgendwann zu Ende gehen wird“, sagt Bürgermeister Alexander Gary aus Schönkirchen-Reyersdorf. Ein Umdenken sei angesichts der Klimakrise notwendig, „aber ich denke nicht, dass die OMV ihre Standorte hier aufgeben wird“.

„Es wäre problematisch, aber wir hoffen, dass sich die OMV in neue Geschäftszweige entwickelt“, sagt auch sein Amtskollege Erich Hofer aus Auersthal. Solange es Arbeitsplätze gebe, gebe es schließlich auch Kommunalsteuern – „wenn es also gelingt, neue Themen zu beackern, dann ist das gut für uns“.