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Gerald Lehner
Gerald Lehner
Umwelt & Klima

80 Prozent weniger CO2: Start für neues Kerosin

Erstmals werden in der Luftfahrt neue Treibstoffe eingesetzt, die 80 Prozent weniger CO2 ausstoßen sollen. OMV und AUA testen nun seit einigen Wochen einen ersten, der auf Speiseöl basiert. Es gibt allerdings auch noch ein Problem.

Die Luftfahrt hat bis zur Klimaneutralität einen besonders weiten Weg vor sich. Viel Hoffnung setzt die Branche daher in neue Treibstoffe. Sie sollen im Vergleich zu herkömmlichem Kerosin mehr als drei Viertel CO2 einsparen, und das bei identischen Eigenschaften.

Dadurch brauchten die neuen Treibstofftechnologien auf den Flughäfen keinerlei neue Infrastruktur, erklärt Fabian Wedam, bei der OMV für die Abteilung Luftfahrt zuständig, gegenüber noe.ORF.at: „Das heißt, man kann sie mit bestehenden Flugzeugen verwenden, mit bestehenden Triebwerken, mit bestehenden Lagerstätten und auch mit dem Hydrantensystem am Flughafen, das das Produkt zu den Parkpositionen der Flugzeuge vertreibt.“

Weltweit wird seit Langem an klimaschonenderen Technologien für die Luftfahrt geforscht. Tatsächlich gibt es kleinere Fortschritte, etwa das österreichweit erste elektrisch betriebene Kleinflugzeug, das erst am Montag in Bad Vöslau vorgestellt wurde – mehr dazu in Erstes E-Flugzeug hebt in Bad Vöslau ab (noe.ORF.at; 11.4.2022).

Große batteriebetriebene Passagierflugzeuge sind allerdings noch immer Jahrzehnte von der Marktreife entfernt – zu schwer wären dafür aktuell die Bestandteile. Das beschädigte Image der Branche – Stichwort „Flugscham“ – sollen deshalb die neuartigen, „nachhaltigen“ Kraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels, SAF) verbessern. Seit wenigen Wochen setzt die teilstaatliche OMV den ersten davon ein, gemeinsam mit den Austrian Airlines. Als Rohstoff dient dabei altes Speiseöl.

Von der Fritteuse in die Turbine

„Für diesen ersten Schritt, in dem wir gemeinsam mit der Lufthansa, mit den Austrian Airlines, 1.500 Tonnen in Umlauf bringen, beziehen wir den Rohstoff aus regionalen Speiseölkollektoren und verarbeiten ihn dann in der Raffinerie in Schwechat“, sagt Wedam. Die Technologie namens „Co-Processing“, mit der das seit März gelingt, ist für die OMV „ein schneller Weg, um in den Markt einzusteigen. In weiterer Folge werden wir aber andere Produktionsformen ausbauen.“

Das ist auch nötig, um das Ziel von jährlich 700.000 Tonnen SAF zu erreichen, das CEO Alfred Stern in seiner jüngsten Strategiepräsentation vorgegeben hat. So viel Speiseöl wird die OMV nicht bekommen. Deshalb gibt es parallel zur Anlage in Schwechat Projekte in Deutschland und Rumänien. Mittelfristig soll auch der „Power-to-Liquid"-Prozess verwendet werden, „also die Anwendung von CO2 und Strom und Wasserstoff zur Verarbeitung von SAF“, erklärt Wedam.

In Schwechat wird der neue Kraftstoff in der bestehenden Pipeline transportiert, die schon bisher Kerosin von der Raffinerie zum Flughafen leitet. Vorerst ist die AUA der einzige Abnehmer, sie setzt SAF derzeit auf freiwilliger Basis ein. Der Anfang ist damit geglückt, auch wenn er mit 1.500 Tonnen bescheiden ausfällt. Zum Vergleich: Im Vorkrisenjahr 2019 verbrauchte die AUA knapp 800.000 Tonnen des herkömmlichen Kerosins.

Ein „erster kleiner Schritt“

„Das ist natürlich nur ein erster kleiner Schritt, aber ein sehr wichtiger“, sagt Anna Pachinger, die bei der Fluglinie für Nachhaltigkeitsthemen zuständig ist. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis 2050 komplett CO2-neutral zu wirtschaften, und nachhaltiger Flugkraftstoff ist einer der wichtigsten Hebel dazu.“

Momentan ist das aber in einer Branche, die auf Kerosin angewiesen ist, reine Utopie. Das liegt nicht zuletzt an der verfügbaren Menge der SAF – und am Preis. So kosten die neuen Treibstoffe das Drei- bis Sechsfache von konventionellem Kerosin. In den kommenden Jahren werde sich das verbessern, hofft Pachinger: „Die Anbieter, die SAF produzieren, werden immer mehr. Mit steigendem Angebot wird sich hoffentlich auch der Preis einpendeln.“ Wettbewerbsfähiger könnte der neue Treibstoff jedoch alleine dadurch werden, dass der alte teurer wird. Das würde dann wohl zwangsläufig zu höheren Ticketpreisen führen.

50 Euro Aufpreis für das Klima?

Die aktuell hohen Zusatzkosten sollen bei der AUA vorerst besonders umweltbewusste Passagiere übernehmen, sagt Pachinger: „Bei uns kann jeder Passagier über die Plattform ‚Compensaid‘ freiwillig für den Aufpreis mit nachhaltigem Kerosin bezahlen und so den Aufpreis für den eigenen Flug ausgleichen.“ Ein indirektes Konzept: Mit dem Betrag werde dann nachhaltiges Kerosin für zukünftige Flüge eingekauft. Die Plattform der Lufthansa-Gruppe ist bereits aktiv, demnächst will sie die AUA direkt in ihren Buchungsprozess integrieren.

Wie hoch der Aufpreis tatsächlich ausfällt, hängt von der gewählten Strecke und dem konkreten Flugzeug ab. Ein Flug von Wien-Schwechat nach Frankfurt dürfte aber etwa 40 bis 50 Euro mehr kosten. Wie viele von dieser Option aktuell tatsächlich Gebrauch machen? „Das bewegt sich noch im kleinen Prozentsatz“, räumt Pachinger ein.

EU zwingt Fluglinien zu Beimischung

Fest steht: Falls die Airline künftig nicht mehr Passagiere zum Aufpreis motivieren kann, muss sie sich ein anderes Finanzierungsmodell einfallen lassen. Spätestens in drei Jahren. Während eine SAF-Beimischung zum Kerosin aktuell noch freiwillig ist, wird sie dann verpflichtend. Die Europäische Union fordert ab 2025 zwei Prozent, 2030 sollen es fünf Prozent sein, 2050 bereits 63 Prozent.

In der Zwischenzeit geht die Forschung an neuen Antriebsmodellen für die Passagier- und Frachtluftfahrt weiter. So könnten Elektromotoren – ähnlich wie in der Autoindustrie – als Hybridvariante immerhin den Kerosinverbrauch senken, zumindest auf der Kurzstrecke. An Verbrennungsmotoren führt in den nächsten Jahrzehnten aber kaum ein Weg vorbei. Bei einem rein elektrisch betriebenen Flugzeug wären die Batterien um das Zigfache schwerer als heutige Kerosintanks. Nicht zuletzt deswegen bleibt der Traum vom klimafreundlichen Fliegen bis auf Weiteres Zukunftsmusik.