Die Schrecken des Krieges für einige Momente vergessen und den Sport in den Vordergrund rücken – das versuchen die Ukrainer beim Training in der Südstadt, wo vom heimischen Verband auch für Unterkünfte und Verpflegung gesorgt wird. Organisiert wurde die Aktion von Österreichs Judo-Verbandspräsident Martin Poiger, der auch im Europäischen Verband als Generalsekretär fungiert.
„Für uns war schnell klar, dass wir den Ukrainern ein Angebot machen wollen, denn Hilfsbereitschaft ist in unserem Sport ein Grundprinzip. Sie fühlen sich wohl, schätzen das gemeinsame Training und das erleichtert die Situation hoffentlich etwas“, so Poiger, der im Bundessport- und Freizeitzentrum in Maria Enzersdorf derzeit ein 15-köpfiges Team aus Athleten und Betreuern begrüßen darf.
Während manche schon vor Kriegsbeginn im Ausland waren und über Stationen in Spanien, Tschechien und Italien in Österreich anreisten, kamen andere direkt aus dem Kriegsgebiet und versuchten dort bis zuletzt ihre Familien und Angehörigen in Sicherheit zu bringen.
Von Kiew zur EM nach Sofia
Unter ihnen Nationaltrainer Quedjau Nhabali, der seinen Landsleuten direkt in Kiew zur Seite stand. „Wir sind keine Soldaten und haben daher versucht, anders zu helfen. Wir haben Medikamente, Helme und Schutzwesten verteilt, ältere Menschen mit Essen versorgt und bei der Flucht geholfen“, so der Olympiateilnehmer von Rio und Tokio im Gespräch mit noe.ORF.at, der die Einladung nach Österreich gerne annahm.

„Wir schätzen die Hilfe sehr und freuen uns, dass wir hier sein dürfen. Es ist aber schwierig, die Motivation für den Sport zu finden, wenn zu Hause der Krieg weitergeht und man nicht genau weiß, wie es der Familie und den Freunden geht. Unsere Regierung hat uns aber gesagt, dass wir jetzt das tun sollen, was wir am besten können, und das ist Judo.“ Deshalb darf Nhabali mit seinem Team auch Ende April bei der EM in Sofia antreten und ist gemeinsam mit seinen Athleten vorübergehend vom Wehrdienst befreit.
Friede steht über Goldmedaillen
Die sportlichen Ziele der Ukrainer in Bulgarien sind klar: Man will die Reise am liebsten mit Titeln rechtfertigen. Einer der Mitfavoriten ist Artem Lesiuk, der erst wenige Tage vor Kriegsbeginn im Februar in Tel Aviv sein erstes Grand-Slam-Turnier gewann. Jetzt will der 25-Jährige in der Klasse bis 60 Kilogramm auch zum ersten Mal Europameister werden.
„Es wäre schön, wenn wir in Sofia der Welt und unserem Land zeigen, dass wir gewinnen können. Ich hoffe aber vor allem, dass ich nach der EM in ein sicheres Zu Hause zurückkehren kann. Das ist derzeit alles, was zählt“, betont Lesiuk, der mit seinen Teamkollegen noch bis Sonntag in der Südstadt bleibt und danach die EM-Vorbereitung in Ungarn fortsetzt, wo man die Ukrainer ebenfalls unterstützen will.
Ist eine sichere Heimreise nicht absehbar, wird der Judoverband, der die Aktion bis jetzt eigenständig finanziert, laut Martin Poiger nach der EM erneut anbieten, das Team aufzunehmen. Dabei stellt auch das Sportministerium Unterstützung in Aussicht. Ein anderes Szenario ist, dass die Sportler in wenigen Wochen den ukrainischen Streitkräften beitreten müssen. Ihre Ausnahmeregelung für Wettkämpfe und Training gilt nur bis Anfang Mai.