Kultur

Villen in Baden mit tragischer Geschichte

„Sehnsucht nach Baden“ heißt die aktuelle Ausstellung im Kaiserhaus in Baden. Sie umreißt die Geschichte von Familien mit jüdischen Wurzeln, die sich in Baden Sommerresidenzen errichtet und das kulturelle Leben geprägt haben.

„Die Villen in Baden faszinieren nicht nur beim Betrachten der schönen Fassaden aus den unterschiedlichen architektonischen Bauepochen. Sie machen neugierig, welche Geschichten sich wohl hinter den Fassaden ereignet haben – schöne und traurige, beglückende und tragische“, erzählte Marie-Theres Arnbom, die Kuratorin der Ausstellung „Sehnsucht nach Baden“ in Hinblick auf die Rundgänge, die im Rahmen der Ausstellung organisiert werden.

Villa Gutmann
Kaiserhaus Baden
Villa Gutmann in Baden

Von diesen bewegenden Geschichten erzählt die Ausstellung und stellt die Menschen in den Vordergrund, die oftmals vergessen sind: Familien, die für die Nationalsozialisten als jüdisch galten und daher ihre Villen, ihre Heimat verloren. Manche konnten sich in andere Länder und Kontinente flüchten, anderen war diese Flucht verwehrt.

„Ihrer gedenken wir in dieser Ausstellung und blicken zurück in eine Zeit des Aufbruchs, der Innovation, der Künste und der Sommerfrische“ setzte Marie-Theres Arnbom im Gespräch mit noe.ORF.at fort.

Interieur aus der Villa Rothberger
ORF
Das wenig erhaltene Jugendstil-Interieur der Villa Rothberger in Baden

Zehn Familien und Geschichte ihrer Villen

Ob Wolfgang Amadeus Mozart mit seiner Gattin Konstanze zu Gast waren, Ludwig van Beethoven oder gekrönte Häupter, Baden bei Wien hat bis heute eine besondere Aura. Schon immer liebten die Kur- und Sommergäste diese Stimmung und Ausstrahlung. Man flanierte, zeigte sich und seine Villa von der schönsten (Säulen-)Seite und lud sich gegenseitig in die Salons. Baden wurde zu einer Stadt der Villen und Palais.

„Wir haben eine Auswahl treffen müssen. Es sind ‚nur‘ zehn Villen. Hier ist das Portfolio sehr breit. Wir stellen Villen vor, die noch existieren, aber auch Häuser, von denen es nur Teile mehr gibt, oder solche, die nur noch auf Fotos und anderen Quellen existieren, aber aus dem Stadtbild verschwunden sind. Das ist eigentlich ein sehr guter repräsentativer Querschnitt“, ergänzte Ulrike Scholda, die Leiterin der Museen Baden.

Von Auto-, Zuckerl- und Textilfabrikanten

Eine sehr einflussreiche Familie in der Monarchie waren die Gutmanns. Die Musikliebhaber Wilhelm Ritter von Gutmann und seine Gattin Ida bestimmten mit ihren Salon-Konzerten das gesellschaftliche Leben in Baden entscheidend mit. Reich wurde die Familie mit Kohlebergbau und Kohlevertrieb. Die ehemalige Villa Gutmann besteht noch heute. Vom damaligen prunkvollen Interieur ist kaum mehr etwas übrig. Durch Zufall konnte der massive Konzertflügel Ida Gutmanns aufgetrieben werden und seinen Weg in die Ausstellung finden.

Inneneinrichtung Villa Gutmann
Kaiserhaus Baden
Kaminzimmer in der Villa Gutmann in Baden

Die größte Schwierigkeit sei es gewesen, Original-Objekte aus den Villen für die Ausstellung in der Kaiservilla zu finden, resümierte Ulrike Scholda. Wenn ein Stück gefunden war, so war das dann ein besonderer Triumph gewesen für das Team rund um Kuratorin Arnbom oder es war mit einer berührenden Geschichte verbunden. Das Mobiliar der Familie Gutmann wurde noch in den 1930er-Jahren versteigert, deshalb gibt es zumindest noch Fotos davon.

Der Kult um den Namen Mercedes

Ein weiterer schillernder Sommergast in Baden war Emil Jellinek, später Jellinek-Mercedes. Den Kult um den Namen Mercedes setzte er in die Welt. Von dessen „Villa Mercedes“ in Baden gibt es noch die Auto-Garage. Das Palais daneben existiert nicht mehr. Jellinek entwickelte für die Firma Daimler Autos.

Ein besonders erfolgreiches Modell mit leichtem Frontmotor benannte er nach seiner Tochter Mercedes. 1902 wurde so der Auto-Name ‚Mercedes‘ als Warenzeichen geschützt. Mercedes Jellinek stand auch Modell für den Undine-Brunnen in Badens Kurpark. Jellinek bedachte auch sämtliche Häuser und Hotels, die er besaß mit dem Namen Mercedes. Sogar seinen eigenen Nachnamen änderte er auf Jellinek-Mercedes.

Undine-Brunnen
ORF
Undine-Brunnen im Kurpark mit Mercedes Jellinek als Undine

Von der Schneiderwerkstatt zur Jugendstilvilla

Eine heute wenig bekannte, aber zu seiner Zeit schillernde Persönlichkeit, war der Textilkaufmann Moriz Rothberger. Sein Vater Jacob Rothberger legte eine unglaubliche Karriere hin. Er arbeitete sich vom einfachen Schneidermeister zum K.- K.-Hoflieferanten empor. Er besaß zwei noble Kaufhäuser auf dem Wiener Stephansplatz.

Sein Sohn Moriz – manchmal auch Moritz geschrieben, der gemeinsam mit seinen beiden Brüdern nach dem Tod des Vaters die Firma übernahm, ließ sich eine Sommervilla in Baden umbauen, und zwar eine Jugendstilvilla. Sie war, ganz in der damaligen Mode, als Gesamtkunstwerk angelegt: Vom Teppich bis zu den Lampen, vom Eingangstor bis zur Gartentüre wurde alles vom Architekten Otto Prutscher gestaltet. Prutscher war auch für die Wiener Werkstätten tätig. Vom Interieur ist leider wenig übrig geblieben. Moriz Rothberger musste die Villa 1939 verkaufen. Er selbst starb 1944 in einem jüdischen Altersheim in Wien.

Portrait Moriz Rohberger
Kaiserhaus Baden
Der Textilunternehmer Moriz Rothberger

Der entmutigende Kampf um Restitution

Das Jahr 1938 bedeutete das Ende der ‚sorglosen‘ Sommerfrische. Die jüdischen Familien erfuhren Verfolgung, Hass, Enteignung und Tod. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges lebten die Familienmitglieder, die sich retten konnten, auf den verschiedensten Kontinenten und versuchten ihr Eigentum oder Erbe in Österreich zurück zu bekommen.

Langwierige Korrespondenzen, bürokratische Hindernisse und wenig Entgegenkommen der jungen zweiten Republik erwiesen sich als mühevoll. Die meisten Villen werden den ursprünglichen Eigentümern zurückgegeben, oftmals mit Vergleichszahlungen, die dem eigentlichen Wert der Häuser selten entsprachen, heißt es dazu im Text der Begleitbroschüre der Ausstellung „Sehnsucht nach Baden“.

Die allermeisten Familien verkauften die Villen nach einigen Jahren, die Distanz zu Amerika oder Australien war zu groß für eine persönliche Nutzung und die Erinnerung an diese einst so stilprägenden Gäste in Baden verblasst.