PV-Versuchsanlage der Wien Energie in Guntramsdorf
ORF/Nina Pöchhacker
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Umwelt & Klima

Von Kartoffeln zwischen PV-Modulen

Photovoltaikmodule auf Wiesen oder Äckern – dieser Anblick spaltet die Gemüter. Um die Energiewende bis 2030 zu schaffen, braucht es das laut Experten aber. In Guntramsdorf (Bezirk Mödling) wurde getestet, wie sich PV-Module auf die Landwirtschaft auswirken.

In Guntramsdorf wird die Sonne zweifach genützt. Die Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) baute auf der Fläche der Wien Energie zwischen den PV-Modulen Kartoffeln an. „Die haben einen ähnlichen Ertrag oder nur geringe Verluste im Vergleich zum Anbau ohne Photovoltaik“, sagt Alexander Bauer, Mitarbeiter in der Abteilung Landtechnik an der BOKU. Aber langfristige Untersuchungen würden noch fehlen, eine gesicherte Empfehlung, welche Kulturen in solchen Anlagen gut wachsen, könne man noch nicht abgeben.

„Es hängt von den Lichtansprüchen der Kulturen ab und von der Witterung. Bei einem heißen, trockenen Jahr hat die Agri-PV sogar einen positiven Effekt, weil die Module Schatten werfen. Die Anlage kann auch Einfluss auf die Windgeschwindigkeit haben und auf die Verdunstung“, erklärt Bauer. Pflanzen, die etwa wie Mais viel Sonne brauchen, würden sich zwischen PV-Modulen nicht gut entwickeln.

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Kartoffelanbau zwischen PV-Modulen in Guntramsdorf
Wien Energie/BOKU
Kartoffelanbau zwischen Photovoltaik in Guntramsdorf
PV-Versuchsanlage der Wien Energie in Guntramsdorf
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Im Bereich direkt unter den Modulen kann nichts angebaut werden. Die BOKU bezeichnet das als Biodiversitätsstreifen.
PV-Versuchsanlage der Wien Energie in Guntramsdorf
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Derzeit wird auf der Fläche nichts angebaut. Der Landwirt, von dem die Wien Energie die Fläche pachtet, mäht drei bis vier Mal im Jahr und nützt den Grünschnitt als Tierfutter.
PV-Versuchsanlage der Wien Energie in Guntramsdorf
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Die Anlage hat zu 90 Prozent vertikale Module. In trockenen, heißen Jahren sei der Schatten ein Vorteil für Pflanzen, sagt Alexander Bauer von der BOKU.
PV-Versuchsanlage der Wien Energie in Guntramsdorf
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Die Anlagen in Guntramsdorf mit einer Leistung von 3,5 Megawatt müsste man in Niederösterreich 700 Mal errichten, um die Ziele der Energiewende 2030 zu schaffen

Die Anlage neben der Autobahn versorgt etwa 1.200 Haushalte mit Strom. „Für uns waren die Erkenntnisse, dass man die Kabelstränge von den Modulen zum Boden und dann von den einzelnen Paneelreihen anders legen muss, damit der Landwirt, wenn er mit dann mit den Geräten hier durchfährt, die Kabel nicht beschädigt“, sagt Herbert Brandner, Abteilungsleiter für Erneuerbare Energie bei Wien Energie.

In Guntramsdorf stehen sowohl schräge nach Süden ausgerichtete als auch vertikale nach Osten und Westen ausgerichtete Module. „Wenn man nur südseitige Module hat, ist die größte Erzeugungsspitze zu Mittag. Mit der Mischung hat man gleichmäßige Stromerzeugung über den Tagesverlauf, das entlastet auch die Netze“, so Brandner.

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Solarstrom bis 2030 versechsfachen

Auf diese Netze kommt mit der Energiewende noch einiges zu. 2,7 Terrawattstunden Strom müssen bis 2030 in Niederösterreich zusätzlich durch Photovoltaik erzeugt werden, um die Energiewende zu schaffen, wie die Energieagentur Österreich vorrechnet. Unter der Energiewende wird jener Wendepunkt verstanden, ab dem sich Österreich voll- und eigenständig mit grünem Strom versorgen kann. Derzeit werden im Bundesland 0,48 Terrawattstunden Solarstrom erzeugt. Der Wert müsste sich also in den nächsten acht Jahren fast versechsfachen.

Die Bundesländer tragen bei diesem Ausbau viel Verantwortung, bestimmen sie doch etwa die Raumordnung. Das Land Niederösterreich arbeitet derzeit an einem Zonierungsplan für Photovoltaikanlagen – also ausgewiesenen Bereichen, in denen Photovoltaik auf Freiflächen umgesetzt werden soll. Bevorzugt werden sollen benützte bzw. belastete Flächen, heißt es, etwa Deponien. Höherwertige Ackerböden werden und sollen auch in Zukunft nicht für PV–Anlagen genützt werden. Der Zonierungsplan soll im Sommer vorliegen.

Anzahl der geförderten Photovoltaikanlagen je 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner

Dass PV-Anlagen boomen, merken Interessierte nicht zuletzt daran, dass die Module vergriffen und die benötigen Installateure oft monatelang ausgebucht sind. Zuletzt hieß es von Netz Niederösterreich, dass die vielen kleinen Anlagen mit der Einspeisung das Netz destabilisieren würden – mehr dazu in PV-Boom führt zu Netzproblemen (noe.ORF.at; 6.5.2022). Bei größeren Anlagen wie jener in Guntramsdorf ist das aber kein Problem, denn sie speisen in ein höherrangiges Netz ein, sagt Herbert Brandner.

Schwimmend produzierter Strom

Nicht nur Boden könnte in Zukunft mehr Strom liefern – eine Firma mit Sitz in Amstetten entwickelt PV-Module für Wasseroberflächen. In Pöchlarn (Bezirk Melk) werden seit vorigem Sommer acht Module auf einem Schotterteich getestet. Nach Angaben der Firma sind sie wind- und wellenfest und für Süß- sowie Salzwasser geeignet. Das Unternehmen sieht in Österreich vor allem auf Speicherteichen Potenzial. Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen in Seen und Teichen wurden noch nicht erforscht.

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Ein PV-Anlage der Firma SolOcean auf einem Schotterteich, acht PV-Module auf Wasser
SolOcean GmbH
Die Firma SolOcean testet Solarmodule auf einem Schotterteich
Ein PV-Anlage der Firma SolOcean auf einem Schotterteich, acht PV-Module auf Wasser
SolOcean GmbH
Das System sei für Süß- und Salzwasser geeignet, heißt es von der Firma
Ein PV-Anlage der Firma SolOcean auf einem Schotterteich, acht PV-Module auf Wasser
SolOcean GmbH
Acht PV-Module mit je vier Kilowatt Leistung produzierend schwimmend am See Strom

In punkto Erforschung ist Photovoltaik auf Agrarflächen schon weiter. Guntramsdorf war 2019 einer der ersten Versuche in Österreich. Mit dem Wissen von dort baute die Wien Energie in Wien-Donaustadt eine dreimal größere PV-Anlage. „Dort werden Winterweizen, Dinkel und Soja angebaut“, sagt Herbert Brandner.

PV auf Dächern reiche nicht aus

80 Prozent der PV-Anlagen der Wien Energie befinden sich auf Dächern, und das sei weiterhin die bevorzugte Nutzung, „nichtsdestotrotz brauchen wir alle Möglichkeiten, um in dieser Geschwindigkeit Strom zu erzeugen, um die Energiewende zu schaffen, weil das sind nicht einmal mehr zehn Jahre“, so Brandner.

Mit Dachflächen alleine werde das nicht möglich sein. „Es ist wichtig, dass man jede Fläche, die sich sinnvoll anbietet, nutzt, um ein Portfolio an Energieerzeugungsanlagen in Österreich zu haben, um uns selbstständig mit Energie versorgen zu können.“

Auch wenn man in Guntramsdorf und der Donaustadt gute Erfahrungen mit dem Mix aus Landwirtschaft und PV gemacht hat: Keine Fläche ist gleich, und „Landwirtschaft funktioniert nicht, dass man ein bis zwei Jahre Versuche anbaut und dann weiß, wie es geht. Wir brauchen Erfahrung von fünf bis zehn Jahren, um zu wissen, was optimal funktioniert und wo man aufpassen muss“, sagt Alexander Bauer. Was aber sehr wohl bereits für PV auf Freiflächen spreche: „Wir versiegeln keine Fläche, die Anlagen können vollständig rückgebaut und nach der Nutzung wieder zu reiner Agrarfläche werden.“