Kultur

Das Geheimnis steinerner Weingartenhütten

Die Bautechnik der Trockensteinmauern, wie man sie in der Wachau findet, steht seit Mai 2021 auf der Liste des immateriellen UNESCO-Kulturerbes. Die steinernen Weingartenhütten in derselben Bautechnik sind bis jetzt kaum erforscht.

Die steinernen Weingartenhütten in der Wachau geben Rätsel auf. Niemand weiß genau, wann und von wem sie errichtet wurden. Es sind keine Architekten bekannt, auch gibt es keine sonstigen Einträge in diversen Ortschroniken oder Ratsprotokollen. Man geht davon aus, dass diejenigen, die die Trockensteinmauern über die Jahrhunderte errichtet haben, auch die Weingartenhütten gebaut haben.

Die meisten davon dürften vor 200 Jahren errichtet worden sein, als in ganz Europa eine Renaissance dieser einfachen Kragkuppelhäuser einsetzte. Manche in der Wachau dürften allerdings bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen. „Das hat mich sehr überrascht, dass es hier in der Wachau Hütten gibt, die sehr, sehr alt sind. Das habe ich in anderen Ländern nicht entdeckt“, erklärte Renate Löbbecke, die von Griechenland bis Spanien auf der Suche nach Kragkuppelbauten ist.

Vom einfachen Unterstand bis zu kunstvollen Wohnhäusern

Bei Kragkuppelbauten werden Steine einer Mauer ringförmig immer enger gelegt, so dass sie mit der Zeit aneinander stoßen und eine Kuppel ergeben. Dafür braucht es flache, breite, fladenförmige Steine, aber weder Zement noch Mörtel. Die Technik der Kragkuppeln ist sehr alt. Die ältesten Zeugnisse sind Grabkammern vor rund 5.000 Jahren.

Weingartenhütten in der Wachau
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Viele steinerne Weingartenhütten finden kaum Beachtung und drohen in Vergessenheit zu geraten

In vielen Ländern finden sich diese einfachen Behausungen, die nur aus dem gefundenen Material der Umgebung errichtet werden. Höchst kunstvoll und mittlerweile sehr berühmt, sind die Trulli Apuliens in Italien, die heute wieder neu gebaut und sich sogar als ständige Wohnsitze in Verwendung befinden.

Weingartenhütten drohen vergessen zu werden

Die Weingartenhütten mit Kragkuppeln in der Wachau sind bisher kaum beachtet worden. Selbst die Besitzer der Grundstücke, Waldgebiete und Weingärten wussten oft nicht, welche „Schätze“ auf ihren Grundstücken stehen. Rainer Vogler, Trockensteinmauer-Experte der Wein- und Obstbauschule Krems, machte bei einem Workshop 2019 die Erforscherin der europäischen Kragkuppelbauten, die deutsche Künstlerin Renate Löbbecke, auf die Hütten in der Wachau aufmerksam.

Sie setzten sich mit den Weinhauern der Wachau in Verbindung und nach und nach wurden mehr und mehr Hüttenstandorte bekannt. „Durch die Forschungen von Frau Löbbecke und ihr Buchprojekt sind viele Winzer und Winzerinnen erst wieder auf die Hütten aufmerksam geworden und erinnern sich. So werden immer mehr steinerne Hütten ausfindig gemacht und erforscht“, freute sich der Spitzer Winzer Alois Bruch, der uns den Weg zu so mancher verborgenen Hütte führte.

Auf der Suche nach verborgenen Schönheiten

So manche Hütte befindet sich mitten im Wald. Eine spürten wir auf, kunstvoll eingeklemmt zwischen alten Bäumen, auf dem Buchberg in Spitz (Bezirk Krems), einem ehemaligen Weidegebiet. Sie dürfte bereits im 16. Jahrhundert aufgegeben worden sein. Hier hätten die Winzer und Winzerinnen dieser Zeit zur Selbstversorgung auf einer hochgelegenen Weide Nutztiere gehalten, erzählte Renate Löbbecke.

Weingartenhütten in der Wachau
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Zahlreiche Hütten befinden sich im Wald, die Eingänge sind teilweise verschüttet

Eine weitere, die sie uns zeigte, befindet sich unmittelbar auf dem Welterbesteig in einem Waldgebiet oberhalb der Ortschaft Wösendorf, die zu Weißenkirchen (Bezirk Krems) gehört. Renate Löbbecke musste erst den Eingang mit einer Maurerkelle von dicken Laub- und Erdschichten befreien, um ins Innere zu gelangen. Im Inneren ist diese verborgene und fast vergessene Weinberghütte geräumige 1,75 Meter hoch und hat mehrere Sitzflächen, sowie drei übereinanderliegende, gemauerte Nischen zu bieten.

„Wir haben viele Hütten entdeckt, deren Eingänge so verschüttet sind. Es dürften sich aber in den Waldgebieten oberhalb der Rieden noch viel mehr unbekannte Hütten befinden, weil sich diese Lagen sehr weit von den Ortschaften befinden und die arbeitenden Menschen mehr Unterstände gebraucht haben dürften“, resümiert Löbbecke. Ihr kürzlich erschienenes Buch „Kragkuppeln in Wachauer Weinbergen“ soll die Grundlage für eine Ausstellung bilden, die für das nächste Jahr im Museum Krems vorbereitet wird.