Nachbarschaft, mehrere Häuser mit PV-Anlagen auf dem Dach
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Umwelt & Klima

Wie Energiegemeinschaft in der Praxis läuft

Strom zwischen Nachbarn tauschen – so werden Energiegemeinschaften beworben. Was unkompliziert klingt, ist in der Realität komplex. Seit Herbst sind Energiegemeinschaften rechtlich möglich, ans Netz angeschlossen wurden die ersten im April.

Eine der Energiegemeinschaften, die nun am Netz ist, ist die Energiegemeinschaft Melk. In einem Testbetrieb probieren drei Personen das Stromtauschen aus, bevor die Gemeinschaft für mehr Bürgerinnen und Bürger geöffnet wird. Es handelt sich um zwei Prosumer – also Haushalte, die mit Photovoltaik selbst Energie erzeugen und verbrauchen – sowie um einen Abnehmer ohne Anlage.

Prosumer

Das Wort vereint „producer“ (englisch für Hersteller) und „consumer“ (englisch für Verbraucher). Prosumer können ein bestimmtes Gut produzieren und konsumieren.

Im April konnte jener Teilnehmer ohne Anlage 33 Prozent seines Strombedarfs aus der Energiegemeinschaft decken. Bei den Prosumern waren es fünf bis acht Prozent. Die Prosumer verwenden ihren Solarstrom zuerst selbst, was dann übrig bleibt kommt in die Energiegemeinschaft. Wenn gerade kein selbst erzeugter Strom vorhanden ist, bezieht man wie gewohnt vom Energielieferanten. Bedingung zur Teilnahme ist ein Smartmeter.

Fast nur Gemeinden unter den Gründern

In der Energiegemeinschaft in Melk tauschen der Bürgermeister Patrickl Strobl (ÖVP), der Gemeinderat Erwin Gutlederer (ÖVP) und eine Privatperson untereinander Strom. In Laa an der Thaya (Bezirk Mistelbach) wird die Gemeinde die erste Gemeinschaft gründen, ebenso in Arbesbach (Bezirk Zwettl). Das ist nicht untypisch: Die 55 Projekte, die in Niederösterreich in Umsetzung sind, wurden nahezu alle von Gemeinden beziehungsweise Lokalpolitikerinnen und -politikern ins Leben gerufen.

Denn eine Energiegemeinschaft ist komplex. Es braucht eine juristische Person, etwa einen Verein, und man muss sich beim Netzbetreiber und bei der Abrechnungsplattform anmelden. „All das ist für Endkunden eigentlich nicht ausgerichtet“, so der Geschäftsführer der Energie Zukunft Niederösterreich (EZN), Roland Matous. Die EZN ist eine Beratungsfirma, die vom Land und der EVN ausschließlich für die Umsetzung der Energiegemeinschaften gegründet wurde.

In Energiegemeinschaft spart man Stromkosten

In Melk organisierte man sich als Verein. Die EZN sieht die Gemeinden als Multiplikatoren. Wenn die Energiegemeinschaft in einem Ort erst einmal laufe, würden sich auch Privatpersonen eine Gründung zutrauen. Das Interesse sei wegen der hohen Strompreise nämlich groß, sagt Matous. Außerdem bekäme man in einer Energiegemeinschaft mehr für den Strom, als bei der Einspeisung ins öffentliche Netz.

In Melk werde sich der Teilnehmer ohne Anlage nach jetzigen Berechnungen im Jahr etwa 80 Euro sparen. Der Strompreis in der Energiegemeinschaft Melk liegt bei 16 Cent pro Kilowattstunde. Die EZN rechnet für alle betreuten Energiegemeinschaften ab, vergleicht mit dem Strompreis des Energielieferanten (in diesem Fall 21 Cent) und schildert aus, wer in der Gemeinschaft wie viel Strom von wem genützt hat. Die Teilnehmer können das auch online einsehen. Die Abrechnung geht an den Verein, der dann wiederum Rechnungen an die Vereinsmitglieder ausstellt.

Fotostrecke mit 3 Bildern

Photovoltaik-Anlagen am Dach
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Privatpersonen bringen am häufigsten Photovoltaikanlagen in Energiegemeinschaften ein
Kleinwasserkraftwerk
ORF
Anschließen kann man aber auch Kleinwasserkraftwerke
Biogasanlage Margarethen am Moos
ORF/Pöchhacker
Oder Biogasanlagen

Der meiste Strom um die Mittagszeit – Dorfwirt profitiert

Für geplante Gemeinschaften werden diese Abrechnungen im Vorfeld für den Zeitraum eines Jahres simuliert. Zwei Tage dauert eine solche Computer-Berechnung in etwa. Damit wisse man, wie viele Teilnehmer ohne Anlage in die Gemeinschaft aufgenommen werden können, sagt Matous.

Mutter Erde

In allen Medien des ORF wird von 17. bis 29. Mai einerseits über das Thema „Klima und Energie“, andererseits über die „Rückkehr der Wildnis“ berichtet.

„In Kapelln kommt die nächstgrößere Anlage mit 100 Teilnehmern ans Netz. Ein Drittel davon hat eine Anlage, zwei Drittel nicht. Und die meiste Ersparnis dort wird der Dorfwirt haben, nach jetzigen Berechnungen etwa 800 Euro.“ Der Grund dafür ist simpel: Der Dorfwirt verbraucht um die Mittagszeit, wenn die PV-Stromerzeugung am höchsten ist, den meisten Strom.

In Melk ist man mit dem ersten Monat Energiegemeinschaft jedenfalls zufrieden. Ab Juni möchte Bürgermeister Strobl die Gemeinschaft für alle Interessierten öffnen. „Die meisten erhoffen sich Kostenersparnis wegen der Energiepreise. Viele haben schon Anlagen installiert und wollen die refinanzieren.“ Und als Multiplikator habe der Pilotversuch auch funktioniert: Nachbargemeinden hätten sich schon bei ihm gemeldet.