Fred Luks
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„GANZ PERSÖNLICH“

„Gegen Klimakrise war Corona ein Kindergeburtstag“

Er beschäftigt sich mit Nachhaltigkeit sowie Zukunftsfragen und zählt nicht zuletzt wegen des Ukraine-Kriegs als gefragter Experte: Fred Luks. Der Norddeutsche, der in Purkersdorf lebt, schildert, wie wichtig es ist, rasch auf alternative Energie umzusteigen.

Fred Luks leitet an der Fachhochschule Wr. Neustadt die Stabsstelle Nachhaltigkeit. Er studierte in Hamburg und Honolulu (USA) Volkswirtschaftslehre, schloss auch ein sozialwissenschaftliches Doktorat ab, obwohl er mit 15 Jahren die Schule abbrach.

Luks arbeitete u.a. an der Universität Hamburg, war Nachhaltigkeitsmanager in einem Unternehmen und in einer Bank sowie Leiter des Kompetenzzentrums für Nachhaltigkeit an der Wirtschaftsuniversität Wien. Er schreibt Bücher und hält Vorträge. Einer seiner Arbeitsgrundsätze: Er trage ausschließlich zu Fragen vor, die für die Verbesserung der Welt relevant sind.

noe.ORF.at: Kaum haben wir die Pandemie halbwegs im Griff, kommt die nächste Krise – der Ukraine-Krieg, der sich bei uns durch Teuerungen auswirkt. Für viele von uns eine sehr belastende Situation.

Fred Luks: Wenn ich aus dem Aspekt der Nachhaltigkeit darauf schaue, verbirgt sich dahinter ein größeres Problem: Die Art und Weise, wie wir leben, wird in Frage gestellt. Belastend ist das für alle. Anderseits – wenn ich jetzt in Niederösterreich lebe – im Gegensatz zu den Menschen in der Ukraine ist das sehr komfortabel.

Fred Luks (r.) und Robert Friess in der FH Wr. Neustadt
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ORF-NÖ-Redakteur Robert Friess (l.) und Fred Luks in einem Saal der Fachhochschule Wr. Neustadt

noe.ORF.at.: Haben wir uns, was Rohstoffe betrifft, zu sehr abhängig gemacht? Österreich muss 80 Prozent des Gases aus Russland exportieren.

Luks: Österreich und Deutschland haben sich brutal verschätzt. Das herrschende Narrativ ist sehr interessant. Viele sagen jetzt, wir waren zu naiv, Putin hat uns alle übers Ohr gehauen. Es gab aber genug Leute, die in den letzten zehn, 15 Jahren gesagt haben, das ist nicht nachhaltig. Da muss man als demokratische Gesellschaft eigentlich auch fragen, wie es dazu kommen konnte, dass wir uns da so abhängig gemacht haben. Gesellschaftspolitisch und auch wirtschaftlich ist das eine desaströse Situation, die man sich sicher ersparen hätte können.

Konflikte zwischen Klima- und Naturschutz

noe.ORF.at: Bis 2030 soll Österreich komplett auf Ökostrom umgestellt werden. Ist das realistisch?

Luks: Ob es technisch umsetzbar ist, kann ich nicht sagen. Es ist auf jeden Fall notwendig, sehr schnell diesen Umstieg zu schaffen. Was manchmal natürlich unterschätzt wird sind die Konflikte zwischen Klimaschutz und Naturschutz. Wasserkraftwerke sind zwar unglaublich klimagünstig, aber für die Landwirtschaft und die Umwelt ist es ziemlich kompliziert. Die Situation, die wir jetzt haben, ist geprägt durch unangenehme Entscheidungen.

noe.ORF.at: Dazu kommen Lieferschwierigkeiten aus Asien. Globalisierung war einmal das Schlagwort der Wirtschaft, für uns werden Waren billig in Asien produziert. Hat sich das jetzt als Globalisierungsfalle entpuppt?

Luks: Im Nachhinein ist man immer schlauer, aber die Zeiten der Globalisierung sind vorbei. Ein ganz wichtiger Begriff ist jetzt durch die Pandemie sehr prominent geworden: die Resilienz. Das heißt, dass ich krisenfest bin. Da zeigt sich immer mehr die totale Orientierung an Effizienz in der Lieferkette. Es ist wahrscheinlich nicht schlau, von einer Region, einer Stadt, einem Land abhängig zu sein.

Das gilt auch, wenn Länder wie Österreich oder Deutschland extrem abhängig sind, was ihren Export angeht. Da muss man sich langfristig überlegen, wie nachhaltig ist das. Und China ist ja auch demokratiepolitisch ein Handelspartner, da könnten wir auch in Probleme geraten. Da ist die Krise vielleicht ein Erinnerungspunkt, wo wir sagen, da müssen wir langfristig hinschauen.

noe.ORF.at: Was wäre langfristig die Lösung?

Luks: Was sicher wichtig ist, ist eine Krisenfestigkeit in der Produktion. Das sehen wir jetzt mit dem Krieg, das haben wir in der Coronavirus-Krise gesehen, wie existenziell wichtig das ist.

Fred Luks
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Fred Luks fand seinen Lebensmittelpunkt in Purkersdorf (Bezirk St. Pölten)

Klimakatastrophe weitaus gravierender als Pandemie

noe.ORF.at: Die Pandemie hat die Diskussion um den Klimawandel verdrängt, jetzt durch den Ukraine-Krieg ist plötzlich das Thema alternative Energie wieder auf dem Tisch. Hat es, überspitzt formuliert, einen Krieg gebraucht, um sich intensiv damit auseinanderzusetzen?

Luks: Es ist natürlich ein ganz schrecklicher Gedanke, dass der Krieg dafür notwendig wäre, aber was man feststellen kann, ist, dass eine extreme Beschleunigung der Debatte stattgefunden hat. Wir müssen raus aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern. Der Weltklimarat sagt uns das seit zehn, zwanzig Jahren. Jetzt passiert das mit einer ganz anderen Geschwindigkeit. Die Coronavirus-Krise war schrecklich, aber wenn wir es nicht schaffen, die Klimakatastrophe aufzuhalten – dagegen war Corona ein Kindergeburtstag.

noe.ORF.at: In ihrer Biografie schreiben Sie: „Mit 15 habe ich die Schule verlassen und wollte nie wieder eine Bildungseinrichtung von innen sehen“. Nun lehren Sie selbst an der Fachhochschule Wr. Neustadt. Wie passt das zusammen?

Luks: Ich habe im Laufe meines Lebens gelernt, dass Lernen und Wissen einfach wichtig sind. Ich bin mit 15 total frustriert aus der Schule gekommen, wollte nie wieder eine Schule sehen. Ich habe dann gemerkt, dass es doch wichtig ist, etwas zu lernen und die Welt zu verstehen.

noe.ORF.at: Sie kommen aus Norddeutschland, leben aber in Purkersdorf. Wie tut sich ein Norddeutscher im Wienerwald – etwa, was die Mentalität betrifft?

Luks: Dadurch, dass ich aus Norddeutschland komme, habe ich ein sehr eckiges Deutsch. Aber wenn ich zu meinen Eltern fahre, sagen alle, dass ich so österreichisch rede. In Österreich merkt das logischerweise keiner. Was die Mentalität angeht: Es ist eine interessante interkulturelle Erfahrung. Wenn man genug Humor hat, funktioniert das sehr gut.