Politik

Was Niederösterreich von Sachsen lernen will

Seit 30 Jahren gibt es eine Partnerschaft zwischen den Landtagen von Niederösterreich und Sachsen (Deutschland). Politiker beider Länder tauschen dabei ihre Erfahrungen aus. Niederösterreich will etwa im Energiebereich von den Ostdeutschen lernen.

Es war die Zeit kurz nach der Wiedervereinigung von Deutschland und als in St. Pölten das neue Regierungsviertel gebaut wurde, als der damalige Landtagspräsident in Niederösterreich, Franz Romeder (ÖVP), und sein sächsischer Amtskollege, Erich Iltgen (CDU), 1992 die Partnerschaft der beiden Bundesländer ins Leben riefen. Schon damals hatten Niederösterreich und Sachsen viele Gemeinsamkeiten.

„Es war die Idee, dass zwei Bundesländer, die damals noch – vor der EU-Osterweiterung – Grenzen zum Osten waren, miteinander darüber reden, wie man all diese Herausforderungen gemeinsam bewältigen kann“, sagte Niederösterreichs Landtagspräsident Karl Wilfing (ÖVP) am Rande eines Festaktes zur 30-jährigen Partnerschaft diese Woche in Dresden. „In den 30 Jahren haben beide Seiten sehr profitiert.“

Die Partnerschaft mit Niederösterreich sei für Sachsen die „erste, intensivste und nachhaltigste“, sagte der Präsident des Sächsischen Landtags, Matthias Rößler (CDU). „Es gibt eine Grundsympathie, weil wir schon immer geschichtlich und kulturell eng zusammen waren. Wir haben gemeinsame Interessen, es sind beides föderale Staaten, wir kämpfen um die Kompetenzen der Bundesländer“, so Rößler.

Von Hochwasser bis Spracherkennungssoftware

Das Präsidium und Abgeordnete der beiden Landtage treffen einander ungefähr alle zwei Jahre. Die Themen reichten in der Vergangenheit von der Bewältigung von Hochwasserereignissen – 2002 und 2013 erlebte Dresden ein Jahrhunderthochwasser – über die Entwicklung des ländlichen Raumes bis hin zum Umgang mit großen Flüchtlingsbewegungen und der Coronavirus-Pandemie sowie deren Auswirkungen auf die Landesbudgets.

Man tauscht sich jedoch auch in technischen Fragen aus. So hat Sachsen ein Spracherkennungsprogramm für die Live-Untertitelung von Landtagssitzungen entwickelt, das künftig auch in Niederösterreich zum Einsatz kommen könnte. „Wenn es mit dem sächsischen Dialekt zurecht kommt, wird das mit dem niederösterreichischen kein Problem sein“, sagte Rößler, er ist hörbar gebürtiger Sachse.

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Dresden
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Die Altstadt von Dresden
Semperoper in Dresden
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Viele historische Gebäude, so auch die Semperoper, wurden bei den Luftangriffen der Alliierten im Zweiten Weltkrieg zerstört, der Wiederaufbau in der Stadt dauert bis heute an
Frauenkirche Dresden
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Wahrzeichen der Stadt ist die Frauenkirche, die zum Teil mit Originalsteinen wieder aufgebaut wurde
Frauenkirche Dresden innen
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Das Innere der „neuen, alten Kirche“
Elbe in Dresden
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Dresden liegt an der Elbe: Bei den Hochwasserereignissen 2002 und 2013 stieg der Pegel auf über neun Meter

Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Partnerschaft wurde auch über aktuelle Herausforderungen gesprochen und wie diese in den jeweiligen Ländern bewältigt werden. Genannt wurden etwa der Ukraine-Krieg, die Teuerung sowie die steigenden Energiepreise.

„Man kann sich abschauen, dass sie hier bemüht sind, wie auch wir sowohl im Bereich der Windenergie als auch der Photovoltaik, viele Maßnahmen zu setzen, um unabhängiger zu werden. Auch wir müssen Schritte setzen und gemeinsam danach trachten, dass wir auf dem Verordnungsweg Maßnahmen beschließen, damit vieles rascher umgesetzt werden kann und die Energiewende rascher in der Bevölkerung ankommt“, sagte Wilfing.

Sachsen imponiert das Freiwilligenwesen

Die Sachsen wiederum sehen das Freiwilligenwesen in Niederösterreich als Vorbild. „Wie man Politik macht, über Vereine, Verbände in die Gesellschaft hineinwirkt. Auch wir haben Feuerwehr und Sportvereine, das Ehrenamt ist in Österreich aber noch viel mehr verwurzelt. Das steht für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Da können wir von Niederösterreich, überhaupt von Österreich, noch sehr viel lernen“, so Rößler.

Der Delegation aus Niederösterreich gehörten neben Landtagspräsident Karl Wilfing, dem Zweiten Landtagspräsidenten Karl Moser (ÖVP) und der Dritten Landtagspräsidentin Karin Renner (SPÖ) auch Abgeordnete von ÖVP, FPÖ und NEOS sowie Landtagsdirektor Thomas Obernosterer an. Zum Auftakt besuchten sie am Montag den Sächsischen Landtag in Dresden.

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Sächsischer Landtag von außen
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Der Plenarsaal des Sächsischen Landtags am Ufer der Elbe in Dresden
Sächsischer Landtag
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Die hohen Glasfronten stehen für Transparenz nach außen und Bürgernähe
Sächsischer Landtag
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Eine Delegation des Niederösterreichischen Landtages beim Besuch im Sächsischen Landtag
Delegation im Sächsischen Landtag
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Seit 30 Jahren besteht die Partnerschaft zwischen Niederösterreich und Sachsen
Sächsischer Landtag von außen mit Elbe
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Eine Gemeinsamkeit: Beide Landtagssitze – sowohl hier in Dresden als auch in St. Pölten – liegen an einem Fluss und sind Schiffen nachempfunden
Gruppenfoto beim Festakt 30 Jahre Partnerschaft Landtag Niederösterreich und Sachsen
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Die 30-jährige Partnerschaft der beiden Landtage wurde in sommerabendlicher Stimmung auf Schloss Eckberg in Dresden gefeiert

Das Gebäude am Ufer der Elbe ist ähnlich wie der Sitz des Landtags in St. Pölten einem Schiff nachempfunden. Elf Meter hohe Glasfronten sollen Transparenz nach außen und Bürgernähe signalisieren. Längst haben aber auch Demonstranten die Chance erkannt, den 119 Abgeordneten der fünf Fraktionen (CDU, SPD, AfD, Grüne, Die Linke) durch die Glasscheibe Botschaften zu vermitteln. Die in der Regel zwei Plenarsitzungen pro Monat sind somit mit einem großen Polizeieinsatz verbunden.

Auch der Landtag in St. Pölten will sich mehr nach außen hin öffnen. Das Erdgeschoß wird um 2,3 Millionen Euro zum „Forum Landtag“ umgebaut. Es soll Demokratie vermitteln und Begegnungen ermöglichen – mehr dazu in Landtag bekommt neues Besucherzentrum (noe.ORF.at; 22.4.2021).