Darm Sujet
ORF
ORF
Gesundheit

Umstrittene Analyse der Darmflora

In unserem Darm leben unzählige verschiedene Bakterien, gemeinsam bilden sie unsere Darmflora, unser Mikrobiom. Über die Analyse einer Stuhlprobe kann man mehr über seine kleinen „Mitbewohner“ erfahren. Das Verfahren stößt aber auch auf Kritik.

Dass unser Darm nicht nur wichtig für die Verdauung ist, sondern auch Einfluss auf zahlreiche Krankheiten, auf das generelle Wohlbefinden und sogar die Psyche hat, ist in den vergangenen Jahren immer häufiger Thema und beschäftigt auch intensiv die Forschung. Das Unternehmen myBioma aus Langenzersdorf (Bezirk Korneuburg) hat sich diesem Thema verschrieben. Es bietet Mikrobiom-Analysen für Privatpersonen an.

Ein Test kostet 150 Euro, dafür bekommt man ein kleines Röhrchen für eine Stuhlprobe inklusive Anleitung und Rücksendekuvert. Nach der Sequenzierung auf der MedUni Wien werden die Rohdaten bei der Firma ausgewertet. Dafür ist unter anderem Bioinformatiker Christian Jansen zuständig: „Die Sequenzen vergleichen wir dann mit einer großen Datenbank, in der steht, zu welcher Sequenz welches Bakterium gehört.“

mybioma testkit
ORF
Auf Basis einer Stuhlprobe wird die Zusammensetzung der Darmbakterien analysiert

Ernährungstipps, abgestimmt auf die Darmflora

Der Kunde oder die Kundin bekommt dann einen ausführlichen Bericht darüber, welche Darmbakterien in welcher Anzahl vorhanden sind und welche Krankheiten das begünstigen könnte, sowie personalisierte Ernährungstipps. Sinnvoll könne eine solche Analyse etwa sein, wenn man immer wieder mit Blähbauch, Verstopfung, Durchfall oder Reizdarm zu kämpfen hat, „aber auch, wenn man zum Beispiel Probleme mit der Haut hat, mit der Leber, mit Diabetes“, erklärt Renate Matzner-Hoffmayr, Ernährungswissenschafterin von myBioma.

So wird bei einer Darmflora, die auf ein Reizdarmsyndrom hindeutet, beispielsweise geraten, mehr Vitamin D zu sich zu nehmen, bei Gelenksbeschwerden gibt es Tipps zu entzündungshemmender Ernährung. Bei Bedarf ist auch ein weiterführendes Gespräch mit der Ernährungswissenschafterin möglich.

Umstrittene Analyse der Darmflora

In unserem Darm leben unzählige verschiedene Bakterien, gemeinsam bilden sie unsere Darmflora – das Mikrobiom. Über die Analyse einer Stuhlprobe kann man mehr über seine kleinen „Mitbewohner“ erfahren. Das Verfahren stößt aber auch auf Kritik.

Mikrobiom ist wie ein Fingerabdruck

Firmen wie myBioma stoßen aber auch immer wieder auf Kritik, etwa bei dem St. Pöltner Internisten und Gastroenterologen Bernhard Angermayr, der in seinem Labor ebenfalls derartige Analysen durchführen lassen könnte – es aber nicht tut. „Derzeit weiß man noch viel zu wenig über diese Analysen und was sie können“, führt der Facharzt aus, „und nachdem jeder Mensch ein völlig eigenes Mikrobiom hat, wie ein Fingerabdruck, kann man mit dem Ergebnis dieser Analysen derzeit noch recht wenig anfangen.“ Man müsste das Mikrobiom demnach mit einer älteren Probe desselben Menschen vergleichen, argumentiert Angermayr.

MyBioma ordnet die Proben verschiedenen Gruppen zu. „Wir konnten bereits eine große Datenbank an europäischen Mikrobiom-Profilen aufbauen“, erklärt myBioma-Gründer Nikolaus Gasche, „und wissen daher schon circa, in welche Gruppe welche Ernährungsstile hineinfallen und welche Krankheiten zu welchen Gruppen eher zugehörig sind. Wir zeigen das dann auch im Bericht auf.“

Bernhard Angermayr (r.) im Labor
ORF
Bernhard Angermayr lässt Mikrobiom-Analysen nicht durchführen – man wisse einfach noch zu wenig darüber, so der Experte

So vielfältig wie ein Korallenriff

Auf Basis einer einzelnen Stuhlprobe könne man jedoch nicht auf das gesamte Mikrobiom des Darms schließen, nennt Angermayr einen weiteren Kritikpunkt. „Das Problem ist, dass in jedem Bereich des Verdauungstraktes ein unterschiedliches Mikrobiom vorherrscht.“ Der Experte, der auch als Professor an der Danube Private University Krems tätig ist, vergleicht die Vielfalt der Darmflora gerne mit einem Korallenriff oder auch mit einer Berglandschaft, wo es je nach Höhenlage eine unterschiedliche Flora und Fauna gibt. „Man müsste also zuerst herausfinden, wo es ein Problem gibt, und dann müsste ich ganz gezielt von dort eine Mikrobiomanalyse machen, um dem auf den Grund zu gehen.“

Mit der genetischen Analyse der Bakterien könne man jedoch einen Großteil des Mikrobioms erfassen, heißt es bei myBioma, Gründer Nikolaus Gasche spricht von „nahezu 100 Prozent“. Damit bekomme man „ein sehr gutes Gefühl dafür, wie diese Bakterien ausschauen und welche Funktionen sie in unserem Darmsystem ausüben.“

Zudem betont Gasche die wissenschaftliche Basis der Auswertungen, auch im Analysebericht sind stets die entsprechenden Quellen angegeben. So lasse sich etwa nachvollziehen, welche Studie nahelegt, dass ein bestimmtes Bakterium für ein bestimmtes Symptom verantwortlich sein könnte, oder auf Basis welcher Quellen die Ernährungstipps erfolgen.

mybioma Gründer Nikolaus Gasche
ORF
Nikolaus Gasche betont die wissenschaftliche Basis der Mikrobiom-Analysen

Wissen für Darmkrebsforschung nutzen

In Zukunft will die Firma ihr Wissen auch etwa in der Darmkrebsforschung einsetzen. Zum einen im Bereich der Früherkennung – diese könnte statt über eine klassische Koloskopie über eine Stuhlprobe passieren. Zum anderen will man über eine Mikrobiom-Analyse schon vor Beginn einer Krebstherapie feststellen, ob die Behandlung bei dem jeweiligen Patienten anschlagen könnte oder nicht. Die Studien dazu laufen bereits, heißt es.