Elbe in Dresden
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Politik

„Müssen mehr Leute ins Ehrenamt bringen“

Unwetter, die Coronavirus-Pandemie oder der Ukraine-Krieg: Die Aufgaben für die Einsatzorganisationen werden immer vielfältiger, die Nachwuchssuche gleichzeitig immer schwieriger. Eine Herausforderung, die Niederösterreich und Sachsen eint.

Die Elbe, der drittlängste Fluss in Deutschland, fließt derzeit ganz ruhig durch Dresden. Normalerweise liegt ihr Wasserstand bei zwei Metern, beim Jahrhunderthochwasser 2002 waren es 9,40 Meter. Teile der Altstadt wurden überflutet, berühmte Sehenswürdigkeiten wie die Semperoper oder die Frauenkirche waren in Gefahr.

Bis zum nächsten Jahrhunderthochwasser sollte es nur elf Jahre dauern. 2013 standen im deutschen Bundesland Sachsen ganze Landstriche unter Wasser, zehntausende Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Landesweit wurde der Katastrophenschutz ausgelöst. Ehrenamtliche Helfer waren gefragt.

Niederösterreich mit stärkerem Ehrenamt

Das Ehrenamt ist in Sachsen allerdings nicht so stark ausgeprägt wie in Niederösterreich. Die beiden Bundesländer sind ähnlich groß – Sachsen hat eine Fläche von 18.400 Quadratkilometern, Niederösterreich 19.200 Quadratkilometer – und Sachsen hat mit rund vier Millionen Einwohnern sogar mehr als doppelt so viele wie Niederösterreich (1,7 Mio.). Niederösterreich hat jedoch mehr als doppelt so viele Freiwillige bei Feuerwehr und Rettung.

Ehrenamtliche

Niederösterreich:

  • 107.000 Feuerwehrmitglieder
  • 20.000 Rettungsmitglieder

Sachsen:

  • 42.000 Feuerwehrmitglieder
  • 9.000 Rettungsmitglieder

„Die Anzahl der Naturkatastrophen nimmt zu: der Waldbrand des Jahrhunderts in Niederösterreich, bei uns die großen Flutkatastrophen an der Elbe, in Niederösterreich an der Donau. Es gibt ganz viel Bedarf, wir müssen mehr Leute ins Ehrenamt bringen und müssen da ganz früh ansetzen, schon in der Schule“, sagt der Landtagspräsident von Sachsen, Matthias Rößler (CDU), gegenüber noe.ORF.at.

Der sächsische Landesfeuerwehrkommandant Andreas Rümpel spricht von ähnlichen Herausforderungen in Niederösterreich und Sachsen. „Wir sind in Konkurrenz mit Sportvereinen und anderen Vereinen. Die ehrenamtliche Arbeit der Feuerwehr ist eine Pflichtaufgabe der Gemeinde, eine Daseinsvorsorge. Daher muss es unsere Pflicht sein, dass wir sehr viele daran beteiligen, Mädchen wie Jungen, Frauen wie Männer. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Thema.“

Elbe in Dresden
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Derzeit fließt die Elbe ruhig an der Dresdner Altstadt vorbei, der mittlere Wasserstand beträgt normalerweise um die zwei Meter

Seit 30 Jahren tauschen sich die Landtage von Niederösterreich und Sachsen zu aktuellen Themen aus. Die seit 1992 bestehende Partnerschaft macht sich im Katastrophenfall bereits bezahlt. „Was uns sehr freut, ist, dass sich die Einsatzorganisationen bestens kennen. Der sächsische Feuerwehrkommandant weiß genau, wer sein Gegenüber in Niederösterreich ist, genauso ist es bei der Rettung. Das heißt, dass hier international bestens zusammengearbeitet wird“, sagt Niederösterreichs Landtagspräsident Karl Wilfing (ÖVP).

„Wir sagen immer: ‚In der Krise die Köpfe kennen.‘ Je schneller der Draht ist, je besser ich weiß, wie der andere funktioniert, umso besser kann ich Einsätze machen“, so Rüdiger Unger, Landesvorsitzender des Roten Kreuzes in Sachsen. Man stehe mit dem Roten Kreuz in Niederösterreich in Kontakt und sehe ähnliche Strukturprobleme, so Unger: „Dass wir in dieser Balance von föderalen Strukturen sowohl in Österreich als Deutschland die Finanzierungsströme steuern müssen, ein hochaktives Ehrenamt, das wir in die verschiedenen Zuständigkeiten einbauen müssen. Da können wir uns noch viel mehr abstimmen.“

Unterschiedliche Wege bei Sirenensystem

Niederösterreich und Sachsen wollen auch bei künftigen Einsatzszenarien eng zusammenarbeiten. „Wir haben bereits einen Folgetermin vereinbart und werden sie (die Sachsen; Anm.) in die Feuerwehr- und Sicherheitsschule nach Tulln einladen, um beim Thema Blackout zusammenzuarbeiten“, so der Vizepräsident des Niederösterreichischen Zivilschutzverbandes, Landtagsabgeordneter Bernhard Heinreichsberger (ÖVP), nach der Diskussion in Dresden.

Im Bereich des Alarmierungssystems sind Sachsen und Niederösterreich hingegen unterschiedliche Wege gegangen. In Deutschland wurden viele Sirenen in der Vergangenheit abgebaut und es wurde auf andere Alarmierungssysteme wie etwa die Handyalarmierung umgestellt – mit mäßigem Erfolg. Denn mit dem Handy erreichte man nur einen weitaus kleineren Teil der Bevölkerung.

„Mit großem Aufwand stellen wir jetzt wieder den ursprünglichen Zustand her“, sagt Landtagspräsident Matthias Rößler. „Wir kommen um die gute, alte Sirene nicht herum. In Niederösterreich ist sie überall und bei uns wird sie auch bald wieder überall sein.“ In den 573 Gemeinden in Niederösterreich gibt es 2.450 Sirenen – mehr dazu in Zivilschutz-Probealarm: Neun Sirenen defekt (noe.ORF.at; 1.10.2021).