Kultur St. Pölten Landestheater Nathan 575
Alexi Pelekanos
Alexi Pelekanos
Kultur

„Nathan 575“ beeindruckt in alter Synagoge

In „Nathan 575“ konfrontiert das Regie-Duo Ludwig Wüst und Maja Savic zentrale Szenen aus Lessings „Nathan der Weise“ mit Berichten von jüdischen Geflüchteten. Die Produktion des Landestheaters NÖ gelangte am Freitagabend in der alten Synagoge zur Premiere.

„Nathan 575“ ist eine szenisch-musikalischen Einrichtung im Rahmen der Reihe „Erinnerungsbüro“ des Landestheaters NÖ – ein Kunstprojekt inner- und außerhalb des Theaters, das sich aus verschiedenen Blickwinkeln auf die Spuren der jüngeren Landesgeschichte begibt. Als ortsspezifisches Projekt entsteht das Erinnerungsbüro in Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern wie der ehemaligen Synagoge und dem Institut für jüdische Geschichte Österreichs, dem Museum Niederösterreich, dem Verein MERKwürdig in Melk und dem Stadtarchiv St. Pölten.

Tobias Artner, Emilia Rupperti und Helmut Wiesinger sowie der Musiker Helmut Stippich gestalten den einstündigen Abend schlicht, aber durchaus eindrücklich. Vor allem Wiesinger – langjähriges Ensemblemitglied des Hauses – gelingt in der Titelrolle eine faszinierende Charakterstudie: Er verleiht dem Nathan viele subtile und berührende Zwischentöne schmerzlicher Klugheit.

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Nur noch einmal ist die Aufführung in der ehemaligen Synagoge zu sehen

Toleranz und Machtpolitik

Artner gibt Nathans andersgläubige Widersacher herausfordernd forsch, Rupperti liest die Dokumente, Briefe und Berichte ebenso unaufgeregt wie intensiv, hat aber gegen die etwas hallige Akustik zu kämpfen. Die Lessing’schen Ideale von Toleranz und Aufklärung werden jedenfalls deutlich erfahrbar, gegenwärtige Gräuel zerstörerischer Machtpolitik jenseits rein religiöser Konflikte schwingen unausgesprochen mit, schreibt Ewald Baringer in seiner Kritik.

Schade nur, dass „Nathan 575“ nur noch einmal – am 31. Mai – zur Aufführung gelangt. Vielleicht lässt sich Landestheater-Intendantin Marie Rötzer ja dazu inspirieren, bei Gelegenheit auch den originalen „Nathan“ auf den Spielplan zu setzen. Für die Idealbesetzung böte sich der wunderbare Helmut Wiesinger allemal an.