Wasserstofftankstelle
ORF/Nina Pöchhacker
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Wirtschaft

Wasserstoff: Vom Modell Bayern lernen

Eine Wasserstoffstrategie, wie sie die Bundesregierung diese Woche präsentiert hat, gibt es in Bayern schon länger: Forschungsanlagen und Betriebe werden gezielt gefördert. Unternehmer aus Niederösterreich haben sie besucht, um Möglichkeiten auszuloten.

Etwa 1.000 Lkw und Maschinen der Entsorgungsgruppe Brantner aus Krems fahren mit Diesel oder Benzin – Müllautos, die täglich hunderte Kilometer in Österreich und auch in den Nachbarländern zurücklegen. „Natürlich ist emissionsfreie Technologie für uns entscheidend“, sagt Geschäftsführer Stefan Tollinger. Er möchte die Flotte langfristig auf Wasserstoff umstellen.

„Im schweren Nutzfahrzeugbereich geht es um viel Ladung, um lange Strecken, im Gebirge und im Hügelland. Hier hat Wasserstoff deutliche Vorteile gegenüber E-Mobilität“, so Tollinger. Serienproduzierte Wasserstoff-Lkw gibt es allerdings noch nicht. Die Münchner Firma Keyou will jene Lkw ins Spiel bringen, die bereits herumfahren.

Man setzt am Autobestand an: Die Firma hat ein Verfahren entwickelt, um Diesel- und Benzinmotoren zu Wasserstoffmotoren umzubauen. „Wir haben über eine Milliarde Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auf der Straße. Für die brauchen wir eine Lösung. Wir entwickeln vorhandene Technologie weiter und dekarbonisieren sie“, erklärt Geschäftsführer Thomas Korn gegenüber noe.ORF.at.

Wasserstoffmotor der Firma keyou
Keyou GmbH
Aus Benziner oder Diesel wird Wasserstoffmotor

Wasserstoff ist wieder interessant

Der Besuch der niederösterreichischen Wirtschaftsdelegation – bestehend aus Vertretern von Wirtschaftskammer, Landesagentur ecoplus sowie Unternehmerinnen und Unternehmern – fällt zufällig in eine Zeit des Umbruchs: Seit dem Ukraine-Krieg ist die Abhängigkeit von russischem Erdgas für die Wirtschaft ein Problem, ebenso die hohen Preise. Wasserstoff bekommt als Energieträger wieder mehr Aufmerksamkeit, Erdgas soll vollständig ersetzt werden.

Grauer Wasserstoff wird aus fossilen Brennstoffen gewonnen. Erdgas (Methan) wird unter Hitze gespalten, das dabei entstehende CO2 wird in die Atmosphäre abgegeben.

Grüner Wasserstoff wird bei der Elektrolyse von Wasser gewonnen. Die dafür benötigte Energie stammt ausschließlich aus erneuerbaren Quellen.

Verwendet wird Erdgas etwa zur Herstellung von Kunststoff oder Düngemittel. Bei Prozessen mit bis zu 2.000 Grad Celsius könnte Grüner Wasserstoff Erdgas ersetzen. Industrie und Verkehr sind in Österreich nach Zahlen des Umweltbundesamts für zwei Drittel der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Während der Sektor Industrie den Ausstoß Jahr für Jahr senken kann, steigt der Wert des Verkehrs weiter an – seit 1990 um 74 Prozent.

Aus dem Auspuff eines Wasserstofffahrzeugs entweicht hingegen Wasserdampf. Kein Stickstoff, kein Kohlenstoffdioxid. In Bayern werden Forschungsanlagen und Firmen, die im Bereich Wasserstoff arbeiten – sei es für die Industrie oder den Verkehr – finanziell gefördert. Für eine öffentliche Wasserstofftankstelle etwa werden 90 Prozent der Investitionskosten ersetzt. In Pfeffenhausen soll ein nationales Wasserstoffzentrum entstehen.

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Wasserstoffbrennstoffzelle
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Ein Beispiel für niederösterreichisch-bayerische Kooperation: Die Gasflaschen stammen von Worthington aus Kienberg (Bezirk Scheibbs). Sie liefern Wasserstoff für die Brennstoffzellen von SFC Energy. Die Firma entwickelt u.a. mobile Wasserstoff-Generatoren.
Wasserstofftankstelle
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Besuch einer Wasserstofftankstelle in München: Mit einem Kilo Wasserstoff fährt man 100 bis 115 Kilometer, der Preis lag im April bei etwa neun Euro. Der Tank fasst meist vier bis fünf Kilogramm.
Biokatalysator in München bei Electrochea
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Auch eine Alternative zu Erdgas: Biogas, das hier in einem Katalysator der Firma Electrochaea produziert wird. Auch hier ist Wasserstoff notwendig, der vorher aus Elektrolyse gewonnen wurde.

Abhängigkeit von russischem Gas beenden

Viele Gründe, weshalb Niederösterreich enger mit Bayern in Sachen Wasserstoff zusammenarbeiten will. Bei einem Arbeitsgespräch zwischen Wirtschaftslandesrat Jochen Danninger (ÖVP) und dem bayerischen Staatsminister für Bundesangelegenheiten Florian Herrmann (CSU) waren mögliche Kooperationen das Thema. „Wir können von Bayern lernen, Bayern ist Vorreiter. Wir als Land Niederösterreich können hier die Rolle als Drehscheibe wahrnehmen, um Unternehmen zusammenzubringen“, so Danninger.

In Österreich bekam das Thema Wasserstoff in den vergangenen Jahren quasi keine Aufmerksamkeit. Bundesweit gibt es fünf Tankstellen und nach Angaben der Statistik Austria 56 zugelassene Pkw. Eine Elektrolyseanlage für die Herstellung von Grünem Wasserstoff ist seit dem Vorjahr in Schwechat in Bau – mehr dazu in OMV: Elektrolyseanlage für Grünen Wasserstoff (noe.ORF.at; 15.2.2021). Was will Bayern von der Kooperation mit Niederösterreich mitnehmen?

Einerseits geht es um die Lage – würde etwa das europäische Gasnetz für Wasserstoff umgerüstet werden, käme Niederösterreich Bedeutung zu. Eine Initiative plant Wasserstoffpipelines in Europa, den sogenannten European Hydrogen Backbone. Nur internationale Zusammenarbeit könne die Energiewende voranbringen und die Abhängigkeit von russischem Erdgas beenden, sagt der bayerische Staatsminister Herrmann: „Wir suchen überall nach Kooperationspartnern, da bietet sich Niederösterreich an. Aufgrund der eigenen Initiativen, aufgrund der Strukturen. Das haben wir ein Stück weit auf den Weg gebracht.“

Staatsminister Herrmann im Gespräch mit Wirtschafts-Landesrat Danninger
Sebastian Widman / Bayerische Staatskanzlei
Von gleichgelagerten Interessen sprechen der bayerische Staatsminister Herrmann (l.) und Landesrat Danninger

Großflächige Anwendungen noch unrealistisch

Mit der österreichischen Wasserstoffstrategie sollen bis 2030 etwa eine halbe Milliarde Euro an Projekte für Grünen Wasserstoff gehen. Dann sollen vier Terawattstunden Erdgas durch Grünen Wasserstoff ersetzt sein – das sind etwa vier Prozent des jährlichen Gasverbrauchs in Österreich.

Wegen des Ukraine-Kriegs wollen zwar nun alle so schnell wie möglich weg vom russischen Erdgas, aber vieles beim Wasserstoff stecke noch in den Kinderschuhen, heißt es beim Besuch der niederösterreichischen Delegation in München immer wieder. Umsteigen muss man aber – auch, weil die EU ab 2035 nur noch emissionsfreue Neuwagen zulassen will.

Die Wirtschaft, die von Klimamaßnahmen wie der CO2-Bepreisung wenig begeistert ist, stehe jedenfalls hinter der Umstellung auf andere Energieträger – weg vom Erdgas, sagt der Präsident der Wirtschaftskammer Niederösterreich, Wolfgang Ecker, in München: „Es werden Ziele vorgegeben, die zwar unrealistisch zu erreichen sind, aber wir als Wirtschaft stehen zu 1.000 Prozent dahinter. Es ist in unserem eigenen Sinne, und hier in München schauen wir über den Tellerrand.“

Den Umstieg nicht verpassen

Niederösterreichische Unternehmen sollen jedenfalls am neuen Markt mitverdienen. Großes Potenzial erhofft sich etwa die Firma Kustec aus Freundorf (Bezirk Tulln). Sie bietet Kälte- und Systemtechnik für Wasserstofftankstellen an. „In Deutschland werden in den nächsten Jahren 300 neue Tankstellen gebaut, in den nordischen Ländern ebenso. Man würde sich wünschen, dass Österreich wie Deutschland nachzieht und höhere Förderungen macht“, sagt Projektmanager Alexander Weiner.

Ob der Aufschwung für Wasserstoff anhält und sich die Technologie durchsetzt, hängt aber auch vom Ökostromausbau ab: Die Elektrolyseanlagen zur Herstellung von Grünem Wasserstoff brauchen fünf bis sechs Mal so viel Energie wie die Herstellung von Grauem Wasserstoff mit Erdgas. Ohne Ausbau von Solar- und Windkraft ist in Österreich produzierter, Grüner Wasserstoff nicht realisierbar.