Barocktage Melk Oper Dido und Aeneas
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Kultur

Barocktage mit Musik aus dem Land der Engel

Am Samstag sind im Stift Melk die internationalen Barocktage mit der Oper Dido und Aeneas eröffnet worden. 14 Konzerte stehen an diesem intensiven Pfingstwochenende auf dem Programm. Das Motto des Festivals lautet "Eng(el)land“.

Im Dietmayrsaal des Benediktinerstiftes Melk gibt es im Deckenfresko eine allegorische Darstellung des Königreichs England in Form einer opulenten Frau, darunter steht im altdeutscher Schriftzug das Wort „Engelland“. Dieses Bild hat den künstlerischen Leiter der internationalen Barocktage in Melk, Michael Schade, zum diesjährigen Programm des Festivals inspiriert. Einerseits ist damit die geografische Insel gemeint, andererseits aber auch die Welt der Engel. Im Gespräch mit noe.ORF.at erklärt Schade, wie sich dieses Motto in der Musik niederschlägt.

noe.ORF.at: „Von himmlischer und irdischer Liebe“ lautet am Sonntagvormittag ein Programmpunkt. Herr Schade, sind da engelsgleiche Töne zu hören?

Michael Schade: Ja, denn der Untertitel lautet für mich „Engel – Boten zwischen Himmel und Erde.“ Engel haben eine wichtige Funktion, nicht nur architektonisch oder künstlerisch, denn kaum ein Gebäude, ein Raum oder eine Wandfläche kommt hier im Stift ohne Engelsdarstellungen aus, sie erfüllen auch wichtige Aufgaben in unserem Leben. Meine Tante pflegte zu sagen: Fahre nie schneller als dein Schutzengel fliegen kann. An diesem Spruch ist etwas dran. Wir brauchen gerade in diesen herausfordernden Zeiten, mit einem Krieg in der Nachbarschaft, neue Kraft.

Das Hathor Consort unter der Leitung von Romina Lischka verzaubert mit seinen Gamben-Klängen während Gregor Seberg Texte über Engel rezitiert. Das unvergleichliche A-Cappella-Ensemble „The Tallis Scholars“ singt im Schlusskonzert so ätherisch und fein, als könnten wir die Engel singen hören. Sie bringen Musik von John Taverner oder William Byrd von der Insel mit.

Barocktage Melk Oper Dido und Aeneas
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Der künstlerische Leiter Michael Schade (li.) steht in „Dido und Aeneas“ gemeinsam mit Wallis Giunta bei den internationalen Barocktagen auf der Bühne

noe.ORF.at: Die Barockmusik Englands ist ganz besonders. Hat das etwas mit dieser Insel-Lage zu tun, und auch mit der engen Beziehung zur Volksmusik?

Schade: In der Tat mit beidem. Die Barockmusik Englands ist ganz stark beeinflusst von der Volksmusik. Warum? Weil diese Musik viel von Einsamkeit spricht, da spürt man den Nebel und die Kälte, die gefährlichen Meere, die Klippen, die Hoffnung auf einen Tag ohne Regen und trotzdem sind diese Lieder so wahnsinnig gesellig. Und diese Musik hat sich ‚hineingepusht‘ in die wunderbare Barockmusik Englands. Die Barockmusik hat sie nur verschönert. Dadurch gibt es auch so tolle intime Musik von der Insel und ganz viele Klassik-Hits des 18. Jahrhunderts."

noe.ORF.at: Einen großen Hit konnte man am Freitag hören, wenn Dido mit den Worten „When I am laid in earth“ stirbt. Bei ihrem Dowland-Programm ist das wohl ähnlich?

Schade: Das ist Musik zum Niederknien. Ich sage immer, daraus würde man heute Boygroup-Musik machen, Stadien füllen, die Handytaschenlampe einschalten oder ein Feuerzeug in die Höhe halten. Agnes Palmisano zeigt uns in ihrem Programm, wie Dowland wohl klingen würde, wenn er ein Wiener wäre. Sie hat die Texte und die Arrangements der Dowland-Musik in die Klangwelt der österreichische Hauptstadt übersetzt.

noe.ORF.at: Als weiteren großen Schwerpunkt gibt es den musikalischen Vergleich zwischen kontinentaler Barockmusik und der Insel.

Schade: Auch da kommt die Inselwelt zum Tragen. Königin Elisabeth und ihre politischen Auseinandersetzungen haben die englische Barockmusik wesentlich beeinflusst. Sie hat ein sehr zurückhaltendes Leben geführt und dazu kommt die Insellage am Rand des Kontinents, bedroht von einer Armada, die mit kriegerischen Absichten dahersegelt. Und es gab viele südländische Komponisten, die mit ihrer heiteren, verzierten Barockmusik in der Metropole Londons Fuß fassen wollen. Die Gegenüberstellung ist wahnsinnig interessant, spannend und hörenswert.