Portrait Fürle vor Betonwand im Festspielhaus
Martina Siebenhandl
Martina Siebenhandl
Kultur

Brigitte Fürles Abschied vom Festspielhaus

Das Festspielhaus feiert mit einem Zwei-Tage-Fest das Saisonende. Es war auch die letzte Saison der künstlerischen Leiterin Brigitte Fürle. Sie hat das Festspielhaus international etabliert. Für das große Haus habe sie groß gedacht, sagt sie im Gespräch.

Brigitte Fürle hat es nicht nur geschafft, die Auslastung des Festspielhauses mit rund 1.000 Sitzplätzen an die 90 Prozent heranzuführen, ihr ist es auch als erste Leitende gelungen, die Jahreseinnahmen über die Mauer von einer Million Euro zu heben. Das war vor der Pandemie. Diese zwei Jahre waren für das Festspielhaus mehr als herausfordernd.

Doch das Haus erhole sich schneller als andere Kultureinrichtungen, dank des ganz besonderen Publikums, erklärte Brigitte Fürle im Bilanzgespräch mit noe.ORF.at. Bei der Abendvorstellung mit dem Circus Circa und den niederösterreichischen Tonkünstlern überreichte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) der völlig überraschten Fürle das goldene Ehrenzeichen des Landes Niederösterreich.

noe.ORF.at: Frau Fürle, wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?

Brigitte Fürle: Es war eine große Freude, dieses Haus programmatisch gestalten zu dürfen. Und ich glaube, wir haben wirklich eine – wie ich das nenne – Temperatursteigerung erreicht. Nicht nur in diesen Kennzahlen wie Auslastung und Kartenerlöse soll man denken, sondern auch in Emotionen. Denn es geht auch darum, wie sich das Publikum in den letzten Jahren in diesem Haus zu Hause gefühlt hat. Das gleiche gilt für die Künstler und Künstlerinnen und mich auch.

„Alle Tanzen“ – Aktion des Festspielhauses
ORF
Das Publikum macht micht: „Alle tanzen“ ist ein groß angelegtes Tanzprojekt des Festspielhauses. Angeleitet von einigen wenigen professionellen Tänzerinnen entdecken 150 Tanzbegeisterte die Ausdruckskraft des Tanzes.

noe.ORF.at: Wenn Sie sich zurückerinnern, wie war Ihr Gefühl als Sie das Festspielhaus betreten haben und wie ist Ihr Gefühl heute nach neun Jahren der Leitung?

Fürle: Als ich gekommen bin, war mein Gefühl schon mit Respekt verbunden – wegen der Größe dieses Festspielhauses, ein 1.000-Plätze-Haus. Ich habe davor auch in großen Häusern gearbeitet, aber in Großstädten. Und da dachte ich mir schon: Wie fülle ich dieser kleineren Stadt den großen Saal? Ich habe dann sehr bald bemerkt, dass das Publikum sehr herzlich und mit sehr viel Aufmerksamkeit verfolgt hat, was wir anbieten. Ich möchte meinem Publikum sehr danken.

„Ich habe immer groß gedacht“

noe.ORF.at: Vor der Pandemie ist Ihnen gelungen die Zahlen zu steigern. Worauf führen Sie das zurück?

Fürle: Ich habe da so meine Philosophie, nämlich einen Spannungsbogen bauen. Man muss mit bekannten Namen und weniger bekannten Namen das Publikum neugierig machen. Ich habe mich selbst immer als Dienstleisterin verstanden. Ich arbeite für ein großes Haus, für eine große Bühne und entsprechend groß habe ich gedacht beim Erstellen des Programmes – nicht nur mit dem Musiktheater, den Choreographien, sondern auch in Bezug auf den Einsatz des Tonkünstler-Orchesters.

noe.ORF.at: Dann kam die Pandemie. Das war für die Kulturschaffenden eine mehr als schwierige Zeit, auch für das Festspielhaus.

Fürle: Das war für alle Kulturschaffenden horrend. Wir hatten uns auch immer sehr viel überlegt, haben kreativ und neu geplant. Wöchentlich, monatlich haben wir immer wieder umgestellt und gekämpft in den Wochen, in denen wir spielen durften, das Publikum zurückzugewinnen. Ich glaube, aber, dass uns der letzte, der vierte Lockdown sehr viel Kraft und Publikum gekostet hat.

Saisonfinale im Festspielhaus

Brigitte Fürle, die neun Jahre lang die künstlerischen Geschicke des Festspielhauses St. Pölten geleitet hat, wird am Freitagabend mit einem Tanzabend verabschiedet. Während ihrer Zeit als künstlerische Leiterin hat sie mit außergewöhnlichen Tanzproduktionen internationales Publikum nach Niederösterreich gelockt.

Über das treue Publikum

noe.ORF.at: Wie geht es nun im Wiederaufbau voran?

Fürle: Dem Haus geht es gut. Oder anders gesagt: Es geht ihm besser als vielen anderen Spielstätten dieser Größe. Das sage ich jetzt nicht ganz ohne Stolz. Weil wir eben dieses tolle Publikum haben, das hat eine Treue, die kenne ich so nicht aus anderen Ländern.

noe.ORF.at: Welche Aufgabe hat für Sie die Kunst?

Fürle: Das Theater – oder das was wir hier machen – das geht nicht ohne persönliche Begegnung. Ein Theater ist immer ein Ort der Begegnung und so war die Pandemie tatsächlich eine Art Verstummen. Wir merken jetzt wieder, was für eine unglaubliche soziale und gesellschaftlich notwendige Komponente uns mit der Kulturarbeit abgegangen ist. Nicht nur die künstlerische Leistung, die wir da präsentieren ist wichtig. Theater ist auch ein gesellschaftlicher Ort. Den haben wir zeitweise schließen müssen, das tat schon sehr weh. Ohne Kunst und Kultur haben wir keine Humanität."