Gericht

Messerattacke in Stein: Beamter sagt aus

Ein 26-jähriger Häftling muss sich seit Montag wegen versuchten Mordes vor dem Landesgericht Krems verantworten. Er soll in der Justizanstalt Stein einen Beamten mit einem Messer attackiert haben. Am ersten Prozesstag schildern die Justizwachebeamten den Angriff.

Der 26-Jährige bekannte sich im Geschworenenprozess teilweise schuldig, bestritt aber einen Mordversuch und Wiederbetätigung. Der Häftling hatte laut seinen Angaben nach Drogenkonsum in Haft „kalten Entzug gehabt“ und war wütend, weil er mit seinem ebenfalls inhaftierten Bruder sprechen wollte.

Als der Tschetschene am 3. Dezember 2020 in die Sonderabteilung für erhöhte Sicherheit verlegt werden sollte, soll er seine Zelle geflutet, mehrere Schichten Kleidung angezogen und – mit den Händen hinter dem Rücken – bei Betreten des Raums durch das Zugriffsteams „Allahu Akbar“ („Gott ist groß“) gerufen haben. Ein Justizwachebeamter berichtete, er sei mit einem „Frontkick“, einem Fußtritt wie beim Kickboxen, attackiert worden. Zweimal soll der Beschuldigte danach mit einem Besteckmesser, dessen Spitze zugeschliffen war, in Richtung des Halses des 42-Jährigen gestochen haben.

Attackierter Beamter im Zeugenstand

Der Uniformierte blieb unversehrt: Bei einem Versuch traf der Angeklagte den Schutzhelm des Attackierten, „den zweiten Hieb habe ich mit der rechten Hand blocken können“, sagte der Beamte im Zeugenstand. Der 42-Jährige hatte den Eindruck, dass der Angriff „geplant war“. Ein Kollege des Attackierten schilderte: „Wir sind hinein, und er hat ihn direkt angehupft.“ Ein weiterer Beteiligter sprach von „schnellen, gezielten Bewegungen“ mit dem Messer. Mit der Schutzausrüstung bekleidet zeigten Beamte der Justizanstalt Stein (Bezirk Krems) auf Bitte der vorsitzenden Richterin im Anschluss an ihre Befragungen, wie sie sich beim Einsatz am 3. Dezember 2020 positioniert hatten.

Das Tatmesser verursacht laut einem Gutachter in der Regel keine lebensgefährlichen Verletzungen. Im Einzelfall könne man tiefer einstechen. Als „nicht aussagekräftig“ bezeichnete der Sachverständige einen Versuch, bei dem mit einem ähnlichen Messer auf einen Schweinsschlögel eingestochen wurde.

Noch weitere Vorwürfe

Vorgeworfen wird dem Angeklagten auch Widerstand gegen die Staatsgewalt, versuchte schwere Körperverletzung, gefährliche Drohung sowie Sachbeschädigung. Am 28. November 2020, also kurz vor dem Messerangriff, soll der Mann durch die Speiseklappe in Richtung eines Beschäftigten geschlagen, diesen jedoch verfehlt haben. Der Angeklagte habe mit der Faust gegen sein Jochbein gezielt, er sei aber nur gestreift worden, berichtete der Beamte.

Weiters kündigte er dem Personal eine „Überraschung“ an, wenn die Zellentür aufgehen würde, als er nachts seinen Bruder nicht sehen durfte. Die Beamten nahmen die Aussagen ernst, wie sie im Zeugenstand aussagten. Der Beschuldigte wurde in die Justizanstalt Graz-Karlau verlegt, wo er seine Drohungen gegen das Personal fortsetzte.

Landesgericht Krems
ORF.at/Roland Winkler
Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen hat der Prozess am Landesgericht Krems am Montag begonnen. Der Angeklagte wurde während der Verhandlung von mehreren schwerbewaffneten Beamten bewacht.

Hakenkreuz gemalt, „Sieg Heil“ geschrieben

Aus Teilen einer Bettdecke soll der Insasse eine Puppe, die eine Maschinenpistole in der Hand hielt, sowie den Begriff „Jihad“, gebastelt und auf den Boden seines Haftraumes gelegt haben. Der Beschuldigte sah seine Aktion als „Provokation“ der Justiz. Ihm werde angelastet, dass er nach Syrien gereist sei, um für den Islamischen Staat (IS) zu kämpfen, von diesem Vorwurf sei er aber freigesprochen worden. Der Verfassungsschutz sehe ihn dennoch als „Terrorist“, meinte der 26-Jährige dazu.

Auslöser für den Vorfall war, dass er ein reißfestes Hemd bekam. Ihm sei die Hose weggenommen worden, „ich habe mich erniedrigt gefühlt“, erzählte der Angeklagte. Aus diesem Grund hatte er bereits in Stein Matratzen zerrissen und sich daraus Hosen gemacht. Weil er auf einem Schriftstück, das er einem Justizwachebeamten übergab, neben Hassparolen u.a. „Sieg Heil“ geschrieben und ein Hakenkreuz gemalt hatte, steht der Mann zudem wegen eines Verstoßes gegen Paragraf 3g des Verbotsgesetzes vor Gericht.

Anklagebehörde sieht „IS-Sympathisanten“

Der Beschuldigte war mit sechs Jahren von Tschetschenien nach Österreich geflüchtet. In Graz hatte er laut Anklagebehörde die Schule besucht und war ohne Abschluss nach Wien übersiedelt, wo er begann, mit dem IS zu sympathisieren. Drei einschlägige Verurteilungen würden „deutlich den Charakter dieser Person“ zeigen, sagte die Staatsanwältin.

Seit 2015 befindet sich der Beschuldigte in Justizanstalten, „weil er auch in Haft nicht aufhört, strafbare Handlungen zu setzen“, sagte die Vertreterin er Anklagebehörde: „Wir haben einen IS-Sympathisanten sitzen, eine Person, die mit dem Nazi-Regime sympathisiert und die tagtäglich die Arbeit der Justizwache erschwert.“

Verteidigung streitet Mordversuch ab

„Mein Mandant ist kein leichter Charakter“, räumte der Verteidiger ein. Der Angeklagte sei „leicht zu reizen“ und bereits „in frühen Jahren ins Gefängnis gekommen“. Der Mordversuch wurde bestritten. Zum Anklagepunkt der Wiederbetätigung meinte der Rechtsanwalt, sein Mandant „hat irgendwas in seiner Verzweiflung auf einen Zettel geschmiert“. Als nächster Termin der Geschworenenverhandlung ist der 21. Juni fixiert. Nach weiteren Zeugenbefragungen soll an diesem Tag ein Urteil fallen.