Maria Happel in Reichenau
Festspiele Reichenau/Lalo_Jodlbauer
Festspiele Reichenau/Lalo_Jodlbauer
Kultur

Reichenau-Vorbereitung: „Wie die Rolling Stones“

Gut eine Woche vor Beginn der Festspiele Reichenau laufen die Proben für fünf Premieren. Maria Happel, die neue künstlerische Leiterin, ist mit der Akzeptanz des Publikums zufrieden. Bei den Kartenverkäufen habe sie sich „wie die Rolling Stones“ gefühlt.

Fünf Premieren stehen ab 2. Juli in Reichenau an. Die Festspiele kehren aus einer zweijährigen Zwangspause zurück. Eines der Stücke, „Des Teufels General“ von Carl Zuckmayer, war dort eigentlich schon für die Saison 2020 eingeplant und angekündigt – mehr dazu in Reichenau mit Doderer statt Schnitzler (noe.ORF.at; 15.1.2020).

Seitdem ist einiges passiert: der Ausbruch der Pandemie wenige Wochen nach der Programmpräsentation, dann ein kritischer Rechnungshofbericht und der Rückzug des Festival-Gründerpaars Loidolt. Anfang Juli 2022 wird die Premiere nun nachgeholt, unter der neuen Intendantin Maria Happel. „Des Teufels General“ ist die einzige Produktion der Loidolts, die Happel übernommen hat. Dazu kommen vier neue Stücke, etwa Neil Simons „Ein ungleiches Paar“ oder Anton Tschechows „Die Möwe“ – mehr dazu in Festspiele Reichenau rufen „Neubeginn“ aus (noe.ORF.at; 25.2.2022).

Proben in Reichenau
ORF/Felix Novak
Von 2. Juli bis 6. August wird Reichenau wieder zu einem Zentrum der österreichischen Theaterlandschaft

Jung und Alt auf der Bühne und im Publikum

Die Produktion, die die Handschrift der neuen künstlerischen Leiterin wohl am besten zeigt, ist aber „Frühlings Erwachen“ von Frank Wedekind. Wie in allen anderen Fällen sind die Proben hier bereits in der heißen Phase angelangt. In der Tragödie mit humoristischen Elementen geht es um die Jugend und ihre Konfrontation mit der bürgerlichen Gesellschaft – ein Bild, das die Situation in Reichenau heuer durchaus beschreiben kann.

Happel konnte in diesem Zusammenhang auch noch ihr zweites großes Karriere-Standbein neben der Schauspielerei einbringen: die Leitung des Max-Reinhardt-Seminars. Jungschauspielerinnen und -schauspieler der renommierten Talenteschmiede treten in „Frühlings Erwachen“ gemeinsam mit Schauspielgrößen wie Stefanie Dvorak, Paul Matic und Martin Schwab auf.

„Das ist ja meine große Idee, die über allem steht“, meint Happel gegenüber noe.ORF.at, „die verschiedenen Generationen zusammenzubringen, auf der Bühne und im Zuschauerraum“. Der fast 85-jährige Schwab könne etwa seine langjährige Bühnenerfahrung weitergeben – „und umgekehrt liebt er die Energie dieser jungen Menschen“ sagt die künstlerische Leiterin. Es sei ein „Idealfall, so wie ich ihn mir wünsche, dass alle von allen lernen können“.

Regiedebüt für Filmstar

Neues gibt es nicht nur bei den Schauspielerinnen und Schauspielern, sondern auch bei der Regie. „Frühlings Erwachen“ ist das Debüt des Deutschen Christian Berkel, der sich als Filmschauspieler auch international einen Namen gemacht hat. Mitgespielt hat er nicht zuletzt im Oscar-nominierten „Der Untergang“ von Oliver Hirschbiegel oder in Quentin Tarantinos „Inglorious Basterds“.

Dass es ihn jetzt nach Reichenau verschlägt, führt Berkel auf ein spontanes Gespräch mit Happel beim Deutschen Filmpreis zurück: „Sie hat mich ganz direkt gefragt, ob ich glauben würde, dass ‚Frühlings Erwachen‘ ein Stück wäre, das man heute noch gut aufführen könnte.“ Auf seine zustimmende Äußerung hin habe sie ihn gefragt, ob ihn die Regie interessieren würde. „Ich sagte, ‚Vorsicht, ich wäre da verführbar‘“, erinnert sich Berkel.

Proben in Reichenau
ORF/Felix Novak
Berkel mit drei Jungschauspielerinnen bei den Proben für „Frühlings Erwachen“

Wedekinds Stück wurde 1906 ausgerechnet von der Theaterlegende Max Reinhardt uraufgeführt – und sorgte damals für einen veritablen Skandal, behandelte es doch Themen wie Abtreibung und Homosexualität.

Der Stoff sei damit aktuell wie nie, ist Regisseur Berkel überzeugt: „Ich habe noch niemanden getroffen, der gesagt hätte, die Pubertät war so eine wunderschöne Zeit, das würde ich gerne noch einmal erleben.“ Vielmehr gehe es um Krisen und Verletzungen, die aber für die weitere Entwicklung der eigenen Persönlichkeit wichtig seien. Ein Skandal sei das heute nicht, „aber das Provokante an dem Stück, das Irritierende an dem Stück, ist geblieben“, meint der Neo-Regisseur.

Ein Theater „wie eine Geburt“

Wenige Tage vor der Premiere wird im Theater Reichenau nicht nur geprobt, sondern auch gehämmert, gemalt und gezimmert. Es sind die stressigen Tage des Endspurts. „Ein bisschen ist es so wie eine Geburt“, erklärt Intendantin Happel. „Wir liegen momentan in den letzten Wehen und die sind natürlich besonders schmerzhaft und kommen dicht gedrängt. Ich freue mich auf die Premieren, auf die hoffentlich glückliche Geburt der Fünflinge.“

Proben in Reichenau
ORF/Felix Novak
Vor der idyllischen Bergkulisse hat Maria Happel das Zepter übernommen

Großes Fragezeichen war zu Beginn die Akzeptanz der Besucherinnen und Besucher. Das Ehepaar Loidolt hatte sich in Reichenau immerhin über mehr als drei Jahrzehnte hinweg ein treues Stammpublikum aufgebaut.

Doch auch nach dem Ende dieser Ära zeigt sich Happel von der Nachfrage beeindruckt: „Am ersten Tag, als wir überhaupt Karten verkaufen durften, fühlte ich mich wie die Rolling Stones.“ Man habe alleine am ersten Tag mehr als 10.000 Karten verkauft „und relativ schnell war ‚Des Teufels General‘ komplett ausverkauft“, so die Intendantin. Für die anderen Produktionen gibt es aktuell noch Karten, der Auftakt erfolgt in Reichenau am 2. Juli mit einem großen Eröffnungsfest.