slowakischer Innenminister Roman Mirkulec und der österreichische Innenminister Gerhard Karner
Josef Bollwein
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Politik

Europa-Forum: Mit Kooperation gegen Krisen

Am Campus Krems ist am Donnerstag das Europa-Forum Wachau eröffnet worden. Am ersten Tag ging es um Sicherheit – von territorialer Sicherheit, über Sicherheit im Gesundheitssystem bis zur Lebensmittelversorgung.

Das Streben nach Sicherheit – ausgelöst durch Russlands Angriff auf die Ukraine – hätte die Mitgliedsländer der Europäischen Union näher zusammengebracht. Die Staaten seien so kooperativ wie nie zuvor, schildert der slowakische Innenminister Roman Mikulec (Bild oben, r.) seine Eindrücke.

„Die EU hat sich seit dem 24. Februar, seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine, verändert. Wir treffen die Entscheidungen schneller. Wofür wir frühere mehrere Jahre gebraucht haben, entscheiden wir jetzt in wenigen Tagen“, so Mikulec beim Europa-Forum. Die EU müsse sich diese Einigkeit beibehalten – auch beim EU-Beitrittskandidatenstatus der Ukraine und Moldaus – um weiterhin Stärke gegenüber Russland zu demonstrieren.

Diese neue Kooperation der europäischen Mitgliedsländer habe vieles vereinfacht. „Eine Nation kann den Vertriebenen aus der Ukraine alleine nicht helfen, aber gemeinsam als EU können wir es“, sagte Mikulec, der die Hilfsbereitschaft und Solidarität für Ukraine-Vertriebene – auf der Ebene der Privatpersonen, der Hilfsorganisationen und der Regierungen – als großartig bezeichnete. Er schilderte die dramatische Situation an der slowakisch-ukrainischen Grenze – und darauf gebe es nur eine Antwort: „Die Zukunft ist Kooperation.“

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Publikum beim Wachauforum
Josef Bollwein
Um Investitionen in Gesundheit und die Energiewende ging es am ersten Tag des Europa-Forums
Landesrat Martin Eichtinger, slowakischer Innenminister Roman Mirkulec und der österreichische Innenminister Gerhard Karner
Josef Bollwein
Forumspräsident Martin Eichtinger, der slowakische Innenminister Roman Mikulec und sein österreichischer Amtskollege Gerhard Karner (v.l.)
Doris Behrens, Vorsitzende der Abteilung Wirtschaft und Gesundheit an der Donauuniversität Krems und Alexandra Kautzky-Willer, Vorsitzende der Abteilung Gender Medizin an der MedUni Wien
Josef Bollwein
Wie können wir Daten für individualisierte Medizin nutzen (v.l.): Doris Behrens, Leiterin des Departments für Wirtschaft und Gesundheit an der Donau Uni Krems, und Alexandra Kautzky-Willer, Leiterin des Institut für Gendermedizin an der Medizinischen Universität Wien
Direktorinnen und Direktoren der Kremser Hochschulen
Josef Bollwein
An den Diskussionen nehmen viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Kremser Hochschulen teil (v.l.): Rudolf Mallinger, Rektor der Karl Landsteiner Universität, Ulrike Prommer, Geschäftsführerin der IMC Fachhochschule und Friedrich Faulhammer, Rektor der Donau Universität, bei der Eröffnung

Europa stemme die schwerste Gesundheitskrise seit 100 Jahren, sagte Europa-Forum-Präsident und Landesrat Martin Eichtinger (ÖVP). Und ein Durchatmen nach der Krise sei nicht möglich – „denn nur wenige hundert Kilometer von unserer Grenze entfernt sterben Menschen im Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine.“ Das europäische Lebensmodell müsse verteidigt werden – wie, das soll bei den Diskussionen und Gesprächen des 26. Forums erarbeitet werden.

Datentausch für treffsichere Medizin

Auch die Gesundheitsversorgung müsse abgesichert werden. Wie wichtig Investitionen in diesem Bereich sind, vor allem in die digitale Medizin, zeige die Covid-19-Pandemie immer wieder aufs Neue, sagte der europäische Regionaldirektor der Weltgesundheitsagentur (WHO), Hans Henri P. Kluge, in einem Online-Statement. Er mahnte die europäischen Länder zur Zusammenarbeit beim Austausch anonymisierter Daten.

Mit großen, anonymisierten Datenmengen werde Medizin genauer und treffsicherer, so Kluge. Die EU-Datenschutzrichtlinien würden die privaten Patientendaten ausreichend schützen. Digitale Medizin sei das Herzstück der Transformation im Gesundheitsbereich. „Sie sichert die Gesundheitsversorgung ab, in Zeiten, in denen wir uns nicht persönlich sehen können oder dürfen“, so Kluge. Patientinnen und Patienten in Ländern mit elektronischen Rezepten und digitaler Krankschreibung seien besser durch die Pandemie gekommen, so Kluge.

Krems von oben, mit Blick auf Göttweig
ORF
Am Freitag geht es von Krems auf den Göttweiger Berg im Hintergrund des Bildes

Karner kritisiert freiwillige Verteilung von Flüchtlingen

Um die innere Sicherheit ging es in der Rede von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Den Krieg in der Ukraine würden aktuell Schlepper ausnutzen, sagte Karner bei der Eröffnung. Er kritisierte die vor kurzem getroffene Einigung einiger EU-Länder, freiwillig Flüchtlinge zu verteilen. „Das ist das falsche Signal, weil sich diese Menschen eben in die Hände von Schleppern begeben, übers Mittelmeer, wo sie zu ertrinken drohen oder über Lastwägen, wo sie zu ersticken drohen.“ Die Europäische Union müsse sich damit auseinandersetzen, wie sie ihre Außengrenzen „festmachen“ könne – auch hier sei Kooperation gefragt.

Das Asylsystem in Österreich sei für jene da, die Hilfe brauchen, wenn sie politisch oder religiös verfolgt werden, wie es die Genfer Konvention vorschreibe, so Karner. Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen fliehen, könne man nicht aufnehmen. Hier müsse es – etwa über die Rot-Weiß-Rot-Card – andere Wege geben.

Werner Fetz über das Programm beim Europa-Forum

ORF-Niederösterreich-Reporter Werner Fetz berichtet aus dem Stift Göttweig über das Programm beim Europa-Forum Wachau

Ukrainischer Außenminister wird zugeschalten

Am Freitag liegt der Fokus des Forums auf der Ukraine. Dann sollten die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder die Ukraine sowie die Republik Moldau bereits zu Beitrittskandidaten erklärt haben. Der Außenminister der Ukraine, Dmytro Kuleba, wird live ins Stift Göttweig zugeschaltet und ein Statement abgeben – mehr dazu in Über Zukunft der EU wird in der Wachau beraten (noe.ORF.at; 21.6.2022).

Von der Ukraine und Moldau fühlen sich die Westbalkan-Länder überholt. So ist Nordmazedonien seit 17 Jahren Beitrittskandidat, Albanien seit 2014. Bosnien-Herzegowina hat die Aufnahme als Kandidat 2016 beantragt. Brüssel drängt auf Reformen bei Justiz und Verwaltung. Immer wieder betonten Außenminister Alexander Schallenberg, Kanzler Karl Nehammer und auch Europa-Forum-Präsident Martin Eichtinger (alle ÖVP) in den vergangenen Tagen, dass die EU nicht auf die Westbalkan-Länder vergessen dürfe. Albaniens Ministerpräsident Edi Rama wird den Standpunkt seines Landes beim Forum auch persönlich vortragen.