Kiron Atom Tellian wurde 2002 geboren, wuchs in Wien auf und begann mit fünf Jahren mit dem Klavierspiel. Zwei Jahre später wurde er zum Klavierstudium im Programm für Hochbegabte an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien bei Alma Sauer zugelassen. Von 2018 bis 2022 studierte er in Wien Klavier bei Vladimir Kharin.
Sein Debüt mit einem Orchester gab Tellian im Alter von neun Jahren. Er gewann zahlreiche erste Preise bei nationalen und internationalen Wettbewerben für Klavier, Kammermusik und Komposition. Er ist auch Komponist und mit mehreren Preisen beim Komponistenwettbewerb „Jugend komponiert“ ausgezeichnet. Seine Werke werden regelmäßig in verschiedenen Besetzungen aufgeführt, von Solo-Klavierwerken bis hin zu Stücken für Sinfonieorchester. Im Herbst 2022 beginnt er sein Studium an der Juilliard School in New York City, wo er vier Jahre Schüler des Pianisten Sergei Babayan sein wird.
Dort lernen, wo Yo-Yo Ma und Nigel Kennedy studierten
Die Juilliard School ist eine Privatuniversität in New York City. Sie ist im Lincoln Center in Manhattan beheimatet und bietet Studien in den Fächern Musik, Tanz und Schauspiel an. Ehemalige Studierende im Bereich Musik waren u.a. Joshua Bell, Miles Davis, Philip Glass, Nigel Kennedy, James Levine, Yo-Yo Ma, Wynton Marsalis, Thelonious Monk, Itzhak Perlman, Leontyne Price, Steve Reich, Alexis Weissenberg und Pinchas Zuckerman.
Bis 24. Juli möchten die Veranstalter des Kulturfests Traisental „Mehr Lebensfreude“ in die Region bringen, wie das diesjährige Motto des Festivals lautet. Sieben Konzerte im Schloss Walpersdorf stehen auf dem Programm, mit Musik von Barock über Klassik bis Jazz, u.a. gastieren Benjamin Schmid, BartholomeyBittmann, Helmut Jasbar, Daniel Gutmann und Karl Markovics sowie der Geiger Emmanuel Tjeknavorian, der am 22. Juli mit Kiron Atom Tellian einen gemeinsamen Kammermusikabend unter dem Titel „Einzigartiger Feinsinn“ mit Werken von Schubert, Brahms und Beethoven gestalten wird.
noe.ORF.at: Wie kamen Sie zum Klavierspiel?
Kiron Atom Tellian: Ich begann mit fünf Jahren Klavier zu spielen. Im Unterrichtszimmer meines damaligen Musiklehrers sah ich ein Klavier stehen, da war die Entscheidung ganz schnell und einfach getroffen. Ich wurde nie zum Klavierspielen gedrängt, worüber ich sehr dankbar bin. Es ist sehr wichtig, dass man sich selbst für die Musik und für das Instrument entscheidet.
noe.ORF.at: Erinnern Sie sich noch an besondere Ereignisse?
Tellian: Bei meinem ersten öffentlichen Konzert war ich wirklich nervös und von Gefühlen überwältigt. Oder das erste Mal mit einem Orchester! Manchmal vermisse ich diese Zeit, damals machte ich noch so viele neue Erfahrungen.
noe.ORF.at: Wurden Sie durch ihre Eltern oder Freunde motiviert?
Tellian: Ich habe von ihnen wirklich unglaublich viel Unterstützung, Rat und Inspiration erhalten. Es ist wirklich sehr wichtig, dies zu schätzen und nicht zu vergessen. Obwohl man am Ende alleine auf der Bühne steht, ist man doch meistens nicht alleine so weit gekommen.

noe.ORF.at: Sie kamen mit sieben Jahren an die Musikuniversität Wien. Wie war das? Woran können Sie sich erinnern?
Tellian: Ich kann mich an meine erste großartige Klavierprofessorin erinnern. Alma Sauer war nett und motivierend, gleichzeitig aber immer auf einem sehr hohen Niveau unterwegs. Mit dieser Kombination vor allem bei sehr jungen Studierenden erfolgreich zu sein, ist, finde ich, wirklich bewundernswert. Ich habe mich jede Woche auf den Unterricht gefreut.
Eine besondere Erinnerung habe ich an die Aufnahmeprüfung für den Hochbegabtenkurs. Damals wurden nur zwei von zwölf Interessierten genommen. Bei der Ergebnisbekanntgabe habe ich mein Glück kaum fassen können. Ich war damals so jung. Ich glaube nicht, dass ich wirklich verstanden habe, wie viel es bedeutet hat, aufgenommen zu werden.
noe.ORF.at: Diesen Hochbegabtenkurs zu absolvieren, ist eine besondere Leistung. Fühlten Sie sich als „Wunderkind“? Wie haben Sie die anderen Studierenden gesehen?
Tellian: Ich habe mich nie als „Wunderkind“ gefühlt, obwohl ich vielleicht nach außen hin so gewirkt habe. Mein Umfeld bestand damals sowohl in der Schule als auch an der Universität fast ausschließlich aus Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls Musik gemacht haben. Da war das ganz normal. Eher aufgefallen wäre jemand, der gar nichts mit Musik zu tun hat.
noe.ORF.at: Sie haben viele Preise gewonnen. Wie wichtig sind diese Preise für Sie und für die Karriere?
Tellian: 2017 war ich fasziniert davon, nach New York zu fahren. Das war aber natürlich schwierig, ich war ja noch im Gymnasium und so eine Reise war teuer. Da habe ich mich entschlossen, einen Klavierwettbewerb in New York zu finden. So etwas ist öfter passiert. Ich wollte nach Japan, da fand ich einen Wettbewerb in Osaka. Paris – und ich fand einen Wettbewerb in Lagny-sur-Marne.
Als ich 2020 den Internationalen Klavierwettbewerb Ettlingen gewonnen habe, habe ich, glaube ich, erst wirklich verstanden, was ein Wettbewerb für die Karriere bedeuten kann. Er ist vermutlich der wichtigste internationale Klavierwettbewerb für junge Musikerinnen und Musiker. Vergangene Preisträger sind unter anderem Yuja Wang, Lang Lang, Boris Giltburg und Martin Helmchen.
noe.ORF.at: Ab Herbst werden Sie an der renommierten Juilliard School in New York studieren, wie kam es dazu?
Tellian: Ich habe seit vielen Jahren davon geträumt, bei Maestro Sergei Babayan zu studieren. Als ich 2019 im letzten Jahr meines Vorbereitungslehrganges war, habe ich mich einfach beworben. Ich kann es eigentlich immer noch nicht fassen, dass ich die Chance habe, von meinem großen Vorbild zu lernen. Und noch dazu in New York an der Juilliard School!
noe.ORF.at: Sie können dort mit dem Kovner-Stipendium studieren, das ist doch eine sehr große Auszeichnung!
Tellian: Als ich erfahren habe, dass ich die Kovner Fellowship erhalten hatte, war ich richtig unter Schock. Pro Jahr werden ein oder zwei von allen, die sich in diesem Jahr beworben haben, von der Fakultät nominiert. Die Kovner Fellowship bedeutet, dass die Juilliard School unter anderem sämtliche Studiengebühren sowie Lebenskosten in New York für die vier Jahre des Studiums übernimmt. Das sind immerhin rund 80.000 US-Dollar pro Jahr.
So eine außergewöhnliche Unterstützung zu erhalten, ist eine riesige Ehre, die aber natürlich auch eine große Verantwortung mit sich bringt.

noe.ORF.at: Was hat Sie dazu bewogen, in New York zu studieren? Was ist dort anders, was Ihnen zum Beispiel Wien nicht bieten kann?
Tellian: Ich habe mein ganzes Leben lang in Wien gelebt, aber das Reisen und Kennenlernen von neuen Dingen immer schon geliebt. Das ist für mich persönlich sehr wichtig.
Der Grund, warum ich auf die andere Seite der Erde übersiedle, ist Maestro Babayan. Ich freue mich, dass er in New York unterrichtet, da ich immer von New York und der Juilliard School geträumt habe.
noe.ORF.at: Ist damit die Karriere für die nächsten 20 Jahre vorprogrammiert?
Tellian: Ich glaube, dass es schwierig ist, zu wissen, was die Zukunft bringen wird. Wenn mir jemand vor einem Jahr gesagt hätte, dass ich ab Herbst in New York studieren würde, hätte ich nur gelacht. Ich habe das Privileg und die Chance, von den besten Musikern an einer der besten Musikuniversitäten der Welt zu lernen. Die besten Voraussetzungen sind da, jetzt liegt es an mir, etwas daraus zu machen.
noe.ORF.at: Sie haben viele Auftritte. Nehmen Sie sich auch genügend Zeit, um Neues zu entdecken, um Anderes zu hören?
Tellian: Ich glaube nicht, dass jemals genügend Zeit sein kann, um wirklich genug Neues zu entdecken. Es gibt schließlich immer noch mehr. Ich bemühe mich immer, meinen Horizont zu erweitern. Wenn ich neue Kunstwerke kennenlerne oder neue Musik höre, hilft mir das oft sehr bei meiner Arbeit mit der Musik.

noe.ORF.at: Sie sind auch Komponist. Wann haben Sie dieses Talent bzw. Ihr Interesse dafür entdeckt?
Tellian: Als ich mit dem Klavierspielen begonnen habe, habe ich auch mit dem Komponieren angefangen. Für mich war das eine mit dem anderen immer sehr eng verbunden. Ich kann mir auch eigentlich gar nicht vorstellen, wie man ein Musikstück richtig – und im Sinne des Komponisten – interpretieren kann, wenn man es nicht auch von einem kompositorischen Gesichtspunkt aus betrachtet.
Interessant ist es immer, wenn ich meine eigenen Werke spiele. Es ist oft passiert, dass mich ein Freund auf eine versteckte Melodie oder ein tiefgründiges Detail in meiner Komposition hinweist, die mir bis zu dem Moment gar nicht bewusst war. Für mich ist es manchmal gar nicht so einfach, die nötige Distanz zum eigenen Werk aufzubauen und das Stück nur aus der Sicht eines Interpreten zu betrachten.
noe.ORF.at: Haben Sie Vorbilder, was die Kombination Pianist und Komponist betrifft? Liszt? Gulda?
Tellian: Fast alle großen Komponisten waren auch Musiker und Interpreten ihrer Werke. Von Bach über Mozart bis Scrjabin, sie alle haben sowohl komponiert als auch gespielt. Ich habe den Eindruck, dass so etwas heute immer weniger häufig zu sehen ist.

noe.ORF.at: Zum Konzert in Walpersdorf am 22. Juli: Sie treten dort nicht zum ersten Mal auf, welche Stimmung spüren Sie, wenn Sie dort spielen?
Tellian: Ich habe dort bereits im Mai einen Solo-Klavierabend gestalten dürfen. Die Atmosphäre hat mich wirklich beeindruckt. Sowohl das aufmerksame und interessierte Publikum als auch die Umgebung war für mich sehr angenehm. Ich freue mich schon sehr, beim Kulturfest gemeinsam mit meinem Freund Emmanuel Tjeknavorian Musik zu machen.
noe.ORF.at: Sie treten dort mit dem Ausnahmekünstler Emmanuel Tjeknavorian auf, der Sie in Ihrer Karriere sehr unterstützt. Wie haben Sie ihn kennengelernt?
Tellian: Emmanuel ist für mich eine der inspirierendsten und wichtigsten Persönlichkeiten. Ich habe mich sehr gefreut, als er mich angerufen hat, um mich zu treffen. Wir haben uns von Anfang an gut verstanden. Die gemeinsame Reise durch die Musik und zu den vielen verschiedenen Konzerten hat uns – glaube ich – immer näher zusammengebracht.
Kammermusik ist etwas wirklich sehr Persönliches. Das ist schön, kann aber auch manchmal schwierig sein, wenn man mit jemandem spielt, dem man sich nicht sehr verbunden fühlt. Mit Emmanuel ist das anders. Deshalb freue ich mich immer sehr, wenn wir gemeinsam musizieren.