Gericht

Elf Jahre Haft für Mordversuch an Vater

Wegen Mordversuchs an seinem Vater ist ein 18-Jähriger in St. Pölten zu elf Jahren unbedingter Haft verurteilt worden. Der Salzburger soll seinen Vater geschlagen und gewürgt haben. Er hatte sich nicht schuldig bekannt, das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Dem Salzburger Schüler wurde vorgeworfen, seinen Vater heuer am 7. März im Bezirk Melk mit einer Holzlatte geschlagen zu haben. Zudem soll der junge Erwachsene versucht haben, seinem ihm Stiche mit einer Autoantenne zuzufügen und ihn zu erwürgen. Das Opfer konnte sich befreien und flüchten. Das Urteil der Geschworenen am Montag fiel einstimmig aus. Die Verteidigung bat laut eigenen Angaben um Bedenkzeit, die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. Damit ist das Urteil nicht rechtskräftig.

Der Beschuldigte hatte nach der Trennung seiner Eltern mit seiner Mutter in Salzburg gelebt und die Maturaklasse eines Gymnasiums besucht. Mit seinem auf einem Hof im Bezirk Melk lebenden Vater hatte der 18-Jährige im ersten Lebensjahrzehnt keinen und bis vor kurzem wenig Kontakt gehabt.

Staatsanwaltschaft: Hofübernahme als Auslöser

„Er hat Pläne geschmiedet, eine Cannabisplantage hochzuziehen und Welpen zu züchten“, sagte die Staatsanwältin am Landesgericht St. Pölten über den Angeklagten. Laut Tatplan habe der Beschuldigte „seinen Vater ermorden müssen, um den Hof zu übernehmen“. „Er hatte die Absicht, seinen Vater zu töten – er hat es in seinem Tagebuch und bei der Attacke angekündigt“, betonte die Vertreterin der Anklagebehörde. Der 18-Jährige bestritt das: „Nach der Matura habe ich mir vorgestellt, dass ich einen zweiten Wohnsitz bei ihm habe.“ Er habe gemeinsam mit dem Vater auf dem Hof leben wollen.

Wegen Mordversuchs an seinem Vater ist ein 18-Jähriger am Montag, 18. Juli 2022, in St. Pölten vor einem Schwurgericht gestanden. Dem Salzburger Schüler wurde vorgeworfen, den Mann heuer am 7. März im Bezirk Melk mit einer Holzlatte geschlagen zu haben. Zudem soll der junge Erwachsene versucht haben, seinem Vater Stiche mit einer Autoantenne zuzufügen und ihn zu erwürgen. Das Opfer konnte sich befreien und flüchten. Der 18-Jährige bekannte sich nicht schuldig.
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Der 18-Jährige (l.) und sein Vater hatten bis vor Kurzem nur wenig Kontakt

Der Angeklagte wollte den 51-Jährigen laut seiner Aussage besuchen, „um ihn über mein Leben aufzuklären“, etwa über seine schulische Situation und seinen Drogenkonsum. Als er am 6. März vom Bahnhof abgeholt worden war, war die „Stimmung sehr gedrückt“, schilderte der 18-Jährige. Am nächsten Tag hatte er auf seine Bitte hin vom Vater ein 90 Zentimeter langes Holzstück bekommen, um einen Messergriff zu basteln. Nach dem Frühstück war der Vater einkaufen gefahren, der Sohn hatte inzwischen einen Joint geraucht.

Vater flüchtete zur Nachbarin

Bei seiner Rückkehr sei der Vater „völlig unmittelbar und unerwartet mit voller Wucht“ mit dem Holzstück geschlagen worden, schilderte die Staatsanwältin. Der Niederösterreicher habe im Angreifer seinen eigenen Sohn erkannt. Das Opfer erinnerte sich an die Worte „Papa, ich muss das jetzt durchziehen, ich muss dich umbringen“ und einen Angriffslaut.

Im Zuge eines Kampfes hatte der junge Mann dem Vater laut Anklage mit einer Fahrzeugantenne in den Bauch stechen und ihn mit einem Stoffgürtel erwürgen wollen. Der Vater habe sich befreien und zu einer Nachbarin flüchten können, von wo die Polizei verständigt wurde. Der Angeklagte hatte daraufhin versucht, sich das Leben zu nehmen.

Beschuldigter: Streit eskalierte

Der 18-Jährige schilderte den Vorfall vor Gericht anders, die Darstellung des Vaters stimme „ganz sicher nicht“. Er habe ihm eine Skizze vom Messergriff gezeigt, das Holzstück habe er währenddessen in der Hand gehalten. Der Vater habe ihn gefragt, warum er so rote Augen habe, woraufhin er die Drogen zugegeben habe. Es habe sich ein Streit entwickelt. Sein Vater sei enttäuscht gewesen, „er hat mich als Problemkind beleidigt“.

Dann sei „alles so schnell gegangen“, sein Vater sei auf ihn zugegangen und er habe „aus Panik“ mit der Holzlatte zugeschlagen. Er habe direkt auf den Kopf getroffen, erzählte der Salzburger. Im Zuge eines Handgemenges habe er dem 51-Jährigen mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Einen Angriff mit der Antenne und einen Versuch, seinen Vater zu erwürgen, bestritt der 18-Jährige.

Safe mit Bargeld und Sparbüchern

Beide Beteiligten erlitten im Zuge des Kampfes Verletzungen. Der 51-Jährige wurde mit einer Schädelprellung, Rissquetschwunden und einem blauen Auge stationär im Krankenhaus behandelt. Es seien keine Verletzungen durch Würgen oder Stechen festgestellt worden, sagte Gutachter Wolfgang Denk. Der Vater war ein Jahr zuvor wegen eines Radunfalls am Kopf operiert worden, durch kräftiges Zuschlagen mit dem Kantholz hätten lebensbedrohliche Verletzungen entstehen können. Von diesem Radunfall wusste der Angeklagte laut eigenen Angaben nicht.

Gericht St. Pölten
ORF.at/Christian Öser
Der Prozess fand am Montag im Landesgericht St. Pölten statt

Laut dem Sachverständigen Werner Brosch hatte der Vater eine akute Belastungsreaktion, wegen der er auch stationär behandelt worden sei. Ihr Mandant befinde sich seither in Therapie, sagte die Opfervertreterin Elisabeth Januschkowetz, die 3.600 Euro für körperliche und psychische Schmerzen geltend machte. Als Motiv vermutete sie Habgier. Der Vater, der als sparsam und misstrauisch beschrieben wurde, habe seinem Sohn sein Geheimversteck für Bargeld und Sparbücher gezeigt. Nach dem Besuch habe er festgestellt, dass jemand an dem Safe gewesen sei.

Die Staatsanwältin verwies im Schlussvortrag auf die zwei am Montag vom Vater und Sohn präsentierten unterschiedlichen Versionen. Sie vermisste eine Erklärung für das mehrfache Hinschlagen des Angeklagten, das Opfer bezeichnete sie als glaubwürdig.

„Eingeraucht“ Tat in Tagebuch angekündigt

Zum Verhältnis mit seinem Vater hatte der 18-Jährige drei Tage vor seinem Besuch in sein Tagebuch geschrieben: „Mein Ziel ist nicht, mich mit ihm zu versöhnen.“ Zudem hatte er notiert: „Ich weiß nicht, warum ich den Gedanken habe, meinen biologischen Erzeuger zu töten“, aber später mit einem Korrekturmittel überdeckt. „Meistens, wenn ich in das Tagebuch geschrieben habe, war ich eingeraucht“, meinte der Angeklagte.

Im August 2021 hatte er festgehalten: „Ich hoffe, einmal richtig viel Geld zu bekommen.“ Mit dem im Tagebuch erwähnten „gefährlichen Parasiten“ im Kopf habe er den inneren Schweinehund gemeint, erklärte der junge Mann. Verteidiger Martin Engelbrecht betonte im Schlussplädoyer, die Tagebucheinträge würden keinen Tatplan zeigen. Es sei seinem Mandanten nicht darum gegangen, den Mann zu töten. Der Rechtsanwalt ersuchte um eine Verurteilung wegen eines Körperverletzungsdelikts. Es tue ihm leid, dass die Situation so eskaliert sei, sagte der Angeklagte in seinen Schlussworten. Er habe seinen Vater „zu keinem Zeitpunkt“ töten wollen.

Gutachter bestätigte Zurechnungsfähigkeit

Laut Gutachter Brosch war der 18-Jährige zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig, die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit waren aber erheblich eingeschränkt. Die Voraussetzungen für die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher liegen dem Sachverständigen zufolge nicht vor.

Der 18-Jährige ist nach einem Autounfall im betrunkenen Zustand mit Sachschaden Ende 2021 vorbestraft. Er war heuer im Februar vom Bezirksgericht Hallein wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit zu einer Geldstrafe verurteilt worden.