Taschenrechner und Erlagschein
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Wirtschaft

Firmeninsolvenzen: Anstieg um 189 Prozent

Die zahlreichen Krisen und vor allem das Auslaufen staatlicher CoV-Hilfen haben in Niederösterreich zu einem rapiden Anstieg der Insolvenzen im ersten Halbjahr 2022 geführt. Auch Private können ihre Rechnungen zunehmend nicht mehr zahlen.

511 niederösterreichische Unternehmen mussten im ersten Halbjahr 2022 Insolvenz anmelden. Das waren um 189 Prozent bzw. 334 Unternehmen mehr als noch im ersten Halbjahr 2021. Mit dieser Bilanz verzeichnet Niederösterreich den größten Zuwachs an Insolvenzen in Österreich. Dahinter folgen Vorarlberg mit einem Plus von 168 Prozent und Oberösterreich mit einem Plus von 159 Prozent.

Die meisten Insolvenzanträge wurden in den Bereichen Kredit- und Versicherungswesen, im Handel und im Transportwesen gestellt. Die bundesweit größte Insolvenz mit Passiva in Höhe von fast 70 Mio. Euro betraf das niederösterreichische Unternehmen Polytechnik Luft- und Feuerungstechnik GmbH in Weissenbach an der Triesting (Bezirk Baden). Die Firma befand sich Ende März in einem Sanierungsverfahren.

Zahlreiche Krisen führen zu Insolvenzen

„Einerseits sind die staatlichen Hilfen ausgelaufen und öffentliche Gläubiger stellen vermehrt Insolvenzanträge, andererseits sind die heimischen Unternehmen nach den Lockdowns von diversen Krisen gleichzeitig betroffen, die auf die Konjunktur drücken", so Gerhard M. Weinhofer, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbandes Creditreform. Das endgültige Aus für viele Firmen würde schließlich u.a. durch steigende Preise, steigende Löhne durch den Arbeitskräftemangel und höhere Zinsen kommen.

Von der Insolvenz betroffen seien vorwiegend Klein- und Mittelunternehmen, betonte er weiter. Er rechne außerdem mit weiteren Insolvenzanträgen, nachdem die CoV-Hilfen nun ausgelaufen sind. Hinzu würden „die noch nicht vorhersehbaren Auswirkungen eines Gaslieferstopps und anderer Folgen des Ukraine-Kriegs kommen“, ebenso wie die „im Juli von der Europäischen Zentralbank eingeleitete Zinswende“, die Weinhofer zufolge „zu vermehrten Problemen bei der Kreditaufnahme und Refinanzierung führen“ könnte. Die Zentralbank hatte den Leitzins Mitte Juli erstmals seit Jahren 0,5 Prozent angehoben.

Auch immer mehr Privatpersonen betroffen

Und auch die Zahl der Privatinsolvenzen stieg im ersten Halbjahr 2022 in Niederösterreich um 54 Prozent an. Hatten ein Jahr zuvor noch 469 Privatpersonen Zahlungsunfähigkeit angemeldet, waren es heuer bereits 724. Schlechter fiel die Bilanz nur in Tirol (+65,3 Prozent) und Oberösterreich (+56,4 Prozent) aus. Die Zunahme an Privatinsolvenzen führt Weinhofer auf die Insolvenzrechtsreform vom Juli 2021 und die aktuell herrschende Inflation zurück.

Wie bei den Unternehmensinsolvenzen sei auch hier noch kein Ende in Sicht. „Angesichts der Konjunkturaussichten aufgrund der Polykrisen (Lieferkettenprobleme, Ukraine-Krieg, Inflation, Gefahr einer Stagflation, nichtausgestandene Pandemie) wird mit neuen Rekorden bei der Zahlungsunfähigkeit privater Personen in den kommenden Jahren zu rechnen sein“, so der Creditreform-Geschäftsführer.