Gericht

Mordversuch: 13 Jahre Haft für Stallburschen

Nach einem Messerangriff auf eine Frau bei einem Reitstall im Bezirk Mödling vor rund einem Jahr ist ein 18-Jähriger in Wr. Neustadt nicht rechtskräftig zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Er wird in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Der beschuldigte Nordmazedonier war seit Juli 2021 in Vertretung für seinen Vater als Stallbursche auf dem Reiterhof beschäftigt gewesen. Das spätere Opfer war laut der Staatsanwältin am 13. August 2021 von einem Ausritt zurückgekommen und wollte das Zaumzeug aufhängen. Die inzwischen 39-Jährige sagte vor Gericht, der Stallbursche sei ganz knapp vor ihr gestanden und habe sie attackiert. „Mein einziger Gedanke war: Fliehen“, sie habe erfolglos versucht, ihn wegzustoßen und zur Tür zu laufen. Schläge und Tritte verursachten ein „extremes Schmerzgefühl“.

Dann habe der Stallbursche ein Klappmesser aus seiner Hosentasche gezogen, unmittelbar danach sei schon der erste Stich gekommen. Es folgten weitere, „ich bin Richtung Tür hingefallen, er hat sich über mich gebeugt und hat am Hals zu schneiden begonnen. Ich bin am Rücken gelegen und hatte eigentlich schon die Hoffnung aufgegeben.“ Nach einem weiteren Stich sei der Angreifer gegangen und habe die Schiebetür zugemacht.

Beschuldigter im Prozess um einen Mordversuch
APA/SOPHIA KILLINGER
Der 18-jährige Angeklagte bei der Verhandlung am Dienstag

Das Opfer konnte sich laut Aussage am Griff hochziehen, öffnete die Tür und lief zum Auto. „Dann habe ich schon die Schritte hinter mir gehört, dass er mir nachläuft“, der Angreifer habe an der Wagentür gerissen. Die Frau musste noch reversieren, bevor sie auf die Bundesstraße fuhr. Dort stieg sie aus und wollte ein anderes Fahrzeug aufhalten, doch der Angreifer verfolgte sie. „Es war wirklich schrecklich. Ich musste noch mal sprinten und er war hinter mir her“, berichtete das Opfer, das in Abwesenheit des Angeklagten befragt wurde. Als der Beschuldigte die Beifahrertür aufreißen wollte, stieg die Frau aufs Gas. Das Auto machte einen Satz nach vorne und der Angreifer lief weg.

Der zufällig vorbeifahrende Gemeindearzt leistete Erste Hilfe und verständigte die Einsatzkräfte. „Es war sehr knapp“, berichtete der Mediziner im Zeugenstand. Die Frau wurde vom Notarzthubschrauber in das Universitätsklinikum St. Pölten geflogen, wo sie notoperiert wurde.

Täter soll „völlig emotionslos“ gehandelt haben

Dem Opfer wurden laut Anklage durch zumindest acht wuchtige Bewegungen gegen Hals und Brustbereich massive Stich- bzw. Schnittverletzungen zugefügt. Die Frau sei „absolut hilflos“ gewesen, sagte die Staatsanwältin. Das lebensgefährlich verletzte und stark blutende Opfer habe „mit letzter Kraft“ flüchten können. Der junge Mann soll die Tat „völlig emotionslos“ begangen haben. Die Vertreterin der Anklage sprach von einem „vorsätzlichen, brutalen und bestialischen“ Delikt.

Unter anderem wurden bei der 39-Jährigen durch die Wucht des Messers zwei Rippen durchstochen, schilderte Gutachter Wolfgang Denk: „Das Verletzungsbild war jedenfalls lebensbedrohlich.“ Wäre das Opfer nicht sofort versorgt worden, hätten die Blessuren innerhalb kürzester Zeit zum Tod geführt. Die Frau leidet unter schweren Dauerfolgen.

Die Frau leidet laut der Privatbeteiligtenvertreterin unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Ihre Mandantin könne nicht arbeiten, nicht mehr alleine wohnen und leide unter Flashbacks. „Sie dachte in dem Moment, dass sie jetzt sterben würde“, sagte die Privatbeteiligtenvertreterin.

Angeklagter: „Ich bin nicht schuldig“

„Die Tat lässt sich nicht beschönigen. Was passiert ist, ist passiert“, der Vorfall sei für den Angeklagten selbst nicht nachvollziehbar, sagte dessen Verteidigerin. Der damals 17-Jährige sei erstmals allein im Ausland gewesen und habe sich nicht verständigen können – er spricht weder Deutsch noch Englisch. Die Tat sei seiner psychiatrischen Diagnose geschuldet.

Der Angeklagte berichtete, die 38-Jährige habe ihn zwei Tage vor dem Vorfall gefragt, warum das Pferd nicht frisst. Der 18-Jährige vermutete – wie Zeugenaussagen ergaben, zu Unrecht –, dass sie sich bei der Reitstallbesitzerin über ihn beschwert habe, er sei daraufhin geschimpft worden. „Ich bin nicht schuldig, weil sie mit den Problemen begonnen hat“, meinte der Beschuldigte laut Dolmetscherin.

Am Tag der Tat habe die Frau „auf ihn eingeschlagen“, er habe sie weggestoßen und am Hals gepackt, berichtete der 18-Jährige. „Ich habe das Messer gezogen, weil ich Angst hatte, dass sie ein Messer bei sich hat.“ Er habe sie einschüchtern, aber nicht verletzen wollen.

Beim Versuch, ihm die Waffe wegzunehmen, sei die Frau mit der Brust ins Messer gefallen. In der Folge sei sie zu Boden gestürzt und habe ihn getreten. Er sei ebenfalls zu Boden gegangen und habe sie mit dem Messer am Hals verletzt. Für die weiteren Schnitt- und Stichwunden hatte er keine Erklärung. Nach seiner Festnahme hatte er noch von einem anderen Täter gesprochen und ihn detailliert beschrieben.

Diagnose: Persönlichkeitsentwicklungsstörung

Der Beschuldigte hat laut der psychologischen Sachverständigen die Eigenschaft, „neutrale Reize feindlich wahrzunehmen“. Er hat laut einem anderen Gutachter eine kombinierte Persönlichkeitsentwicklungsstörung. Demnach soll er die Tat unter dem Einfluss geistiger und seelischer Abartigkeit begangen haben, weitere Anlasstaten seien zu befürchten.

Die Anklagebehörde hat daher die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt. Dem 18-Jährigen wurde neben versuchtem Mord auch Einbruchdiebstahl vorgeworfen. Er soll ein Sparschwein mit 70 Euro sowie einen Schlüsselanhänger gestohlen haben. Dabei soll er ein Messer bei sich gehabt haben. Auch diese Vorwürfe bestritt der Angeklagte am Dienstag, doch auch hier folgte das Gericht im Urteil der Ansicht der Staatsanwaltschaft.